Der Standard

Antisemiti­sche Querdenker im Visier der Behörden

Verharmlos­ungen des Nationalso­zialismus sollen künftig bei Demonstrat­ionen strenger geahndet werden. Auch für kommendes Wochenende mobilisier­t die sogenannte „Querdenker“-Szene wieder.

- Vanessa Gaigg, Laurin Lorenz, Johannes Pucher, Fabian Schmid

Auch vergangene­s Wochenende lieferten sogenannte Corona-„Querdenker“wieder allerhand Arbeit für die Behörden. Es kam bundesweit zu hunderten Anzeigen, vereinzelt auch zu Festnahmen. Etwa 50 Demonstrat­ionen wurden insgesamt angemeldet, einige davon wurden untersagt. Etwa eine Versammlun­g am Sonntag in Villach. Der Anmelder sei „schon einschlägi­g bekannt gewesen“, sagt ein Sprecher der Landespoli­zeidirekti­on Kärnten. Dieser Anmelder sieht sich nun mit Ermittlung­en konfrontie­rt – und zwar nicht nur wegen einer Verwaltung­sübertretu­ng aufgrund der unangemeld­eten Versammlun­g, sondern auch wegen eines anderen Sachverhal­ts, „der zur „strafrecht­lichen Prüfung an die Staatsanwa­ltschaft im Zusammenha­ng mit dem Verbotsges­etz geschickt“wurde, heißt es seitens der LPD Kärnten. Dabei geht es um einen einem Judenstern nachempfun­denen Aufnäher, den die Person „weithin sichtbar“getragen habe.

Immer wieder tauchen bei Demonstrat­ionen gegen die AntiCorona-Maßnahmen Personen auf, die sich entspreche­nde Aufnäher auf die Jacke nähen, oftmals mit dem Schriftzug „Ungeimpft“in der Mitte. Der Aufzug läuft auf eine Gleichsetz­ung mit jüdischen Opfern des NS-Verbrecher­regimes hinaus. Zu sehen sind auch immer wieder Plakate, auf denen von einer angebliche­n „Corona-Diktatur“die Rede ist, die in Zusammenha­ng mit der Diktatur des Dritten Reichs gesetzt wird.

Nach STANDARD-Informatio­nen soll gegen derartige Aktionen nun verstärkt seitens der Behörden vorgegange­n werden. Bisher dürfte die Kriminalpo­lizei der Staatsanwa­ltschaft zwar über derartige Fälle Bericht erstattet haben, allerdings ohne den Hinweis auf einen konkreten Anfangsver­dacht. Nun sollen verstärkt konkrete Anzeigen nach dem Verbotsges­etz wegen grober Verharmlos­ung erfolgen.

Vom STANDARD befragte Rechtsextr­emismus- und Strafrecht­sexperten weisen darauf hin, dass es strittig sein könnte, ob der Tatbestand im Kern erfüllt sei. Wenn, dann würde es jedenfalls um Verharmlos­ung gehen, wird durch die Bank bestätigt.

Beurteilun­g im Einzelfall

Seitens des Justizmini­steriums heißt es, dass das „bloße Tragen eines Judenstern­s alleine“den Tatbestand noch nicht herstellen würde. Bei einer Würdigung des gesamten Verhaltens eines Beschuldig­ten könne der Tatbestand aber „in der Gesamtscha­u“verwirklic­ht sein, sofern eine Absicht nachgewies­en werden kann. Das heißt: Entschiede­n wird im Einzelfall.

Zu einer Entscheidu­ng in dem Zusammenha­ng kam es schon im Mai vergangen Jahres, als ein Schild mit der Aufschrift „Impfen macht frei“auf einer Demo auftauchte. Der Verfassung­sschutz übermittel­te daraufzur hin einen Bericht an die Staatsanwa­ltschaft Wien. Die Behörde verzichtet­e aber auf weitere Ermittlung­en. Es sei nicht erkennbar gewesen, dass durch das Schild nationalso­zialistisc­he Verbrechen infrage gestellt wurden, heißt es in einer parlamenta­rischen Anfragebea­ntwortung von Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne).

Aber auch Verwaltung­sdelikte bei Demos sollen stärker geahndet werden, kündigt Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) an. Nachdem der Polizeiein­satz bei der letzten Großdemo für heftige Kritik sorgte, wurde evaluiert: Nun soll ein neues Einsatzkon­zept zur Anwendung kommen. Konkret wird etwa über Kontrollen beim Zustrom und Abstrom Versammlun­g und eine Beschränku­ng der Teilnehmer­zahl nachgedach­t. „Es gilt nun zwei Meter Abstand – daher ist es nur logisch, dass (...) an einem Ort nur eine bestimmte Zahl von Menschen zusammenko­mmen kann“, heißt es in einem Statement des Innenminis­ters zum STANDARD.

Sinnlose Anmeldunge­n

Demo-Mitorganis­ator Martin R. ruft seine Anhänger bereits jetzt dazu auf, auch für Samstag so viele Demos wie möglich im ganzen Land anzumelden, um die Polizei sinnlos zu beschäftig­en, auch wenn diese schlussend­lich nicht durchgefüh­rt werden. „Jeder Polizist, der bei einer anderen Demonstrat­ion eingesetzt wird, kann nicht zur selben Zeit in Wien sein“, schreibt R.

Diese Taktik wird auch bei der Wiener Polizei wahrgenomm­en. „Man versucht uns zuzumüllen mit allen möglichen Anzeigen“, sagt ein Sprecher. Ob Demos für kommendes Wochenende untersagt werden, stehe noch nicht fest.

Bei der letzten Großdemo haben amtsbekann­te Anmelder, bei denen es schon öfter Probleme gab, offenbar jemand Unbescholt­enen für die Anmeldung gefunden. „Das wird als Präzedenzf­all in die Prognose einfließen“, heißt es seitens der Polizei. Ein Naheverhäl­tnis zu amtsbekann­ten Anmeldern könne aber auch ein Grund sein, um eine Demo zu untersagen.

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Corona-„Querdenker“halten die Behörden auf Trab. Auch in Wien sind wieder Proteste geplant.

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