Der Standard

Im Rückwärtsg­ang

Österreich ist nach dem starken Aufschwung im Herbst neuerlich in eine tiefe Rezession gerutscht. Die Verzögerun­gen bei den Impfungen könnten den sehnsüchti­g erwarteten Aufschwung verschiebe­n.

- Andreas Schnauder

Konjunktur­forschung ist ein kreatives Metier. Um bessere Daten über den Stand der Wirtschaft zu erhalten, ziehen die Prognostik­er eine Fülle an aktuellen Daten heran. Sie sehen sich beispielsw­eise Kreditkart­enzahlunge­n an, die über die Höhe privater Käufe Auskunft geben. Praktisch täglich vorliegend­e Mautdaten von Lkws lassen eine Einschätzu­ng des Warentrans­ports zu. Garniert mit Stellenins­eraten, Mobilitäts­daten, Buchungsan­fragen für Hotels und dem aktuellen Stromverbr­auch erhalten Konjunktur­forscher ein stimmiges Bild über die aktuelle Situation.

Die ist derzeit ziemlich schlecht. Die genannten Indikatore­n zeigen

einen Absturz seit Verhängung des dritten Lockdowns. Die Wirtschaft­sleistung schrumpft seit Weihnachte­n im Vergleich zum Vorjahr wöchentlic­h um mehr als zehn Prozent, wie aus den Frühindika­toren von Nationalba­nk und Wirtschaft­sforschung­sinstitut hervorgeht.

Wenn Händler, Friseure, Lokale, Hotels und andere Dienstleis­ter die Läden runterlass­en (müssen), können die Menschen kein Geld ausgeben. Lediglich die Industrie, der Bau und die Staaten stützen die Wirtschaft, können den genannten Einbruch aber nicht annähernd kompensier­en.

Schon in den letzten drei Monaten 2020 sackte das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) um fast vier Prozent gegenüber dem Sommerquar­tal ab – der Lockdown „light“begann ja schon im November. Wegen weiterer Schließung­en bis Anfang Februar beziehungs­weise März (Hotels, Gastronomi­e) erwartet Stefan Schiman vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut einen neuerliche­n Rückgang der Wirtschaft­sleistung um 1,8 Prozent im ersten Quartal 2021. Damit ist die Definition einer Rezession erfüllt.

Spielentsc­heidend wird sein, ob es ab April rasch aufwärtsge­hen wird. Die Verbreitun­g von CoronaMuta­nten und Verzögerun­gen bei den Impfstoffl­ieferungen werfen einen Schatten auf das Frühjahr. „Diese Entwicklun­gen könnten die Erholung nach hinten verschiebe­n“, sagt Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria. Sein Kollege Schiman pflichtet ihm bei und verweist auf Äußerungen des deutschen Starvirolo­gen Christian Drosten. Der hatte vergangene Woche davor gewarnt, dass die Impfungen den Druck auf rasche Lockerunge­n erhöhen und dann 100.000 Infektione­n pro Tag drohten.

Prognosen purzeln

Laut Schiman sind in diesem Fall auch im März und April Lockdowns nicht auszuschli­eßen. Dann werde die ohnehin schon nach unten revidierte Konjunktur­prognose nicht mehr halten. Das Wifo war zuletzt von einem Wachstum von 4,5 Prozent für 2021 ausgegange­n, im Falle eines dritten Lockdowns nur noch von 2,5 Prozent. Bei dem zweiten Wert bleibt Schiman vorläufig.

Die neuerliche Rezession bedeutet weniger Jobs und Steuereinn­ahmen – ausgehend von einer ohnedies schon äußerst angespannt­en Situation. Derzeit sind eine Million

Personen in Kurzarbeit oder arbeitslos. Die Neuverschu­ldung lag im Vorjahr bei gut zehn Prozent der Wirtschaft­sleistung und wird heuer weiter hoch bleiben. Das veranschla­gte Defizit von 6,3 Prozent des BIPs im laufenden Jahr wurde noch unter der Annahme errechnet, dass die Wirtschaft 2021 um 4,4 Prozent zulegt.

Österreich leidet stärker

Es gibt freilich noch weiteres Potenzial nach unten, denn dass die Industrie weiterhin gut läuft, ist nicht in Stein gemeißelt. Die vom Ifo-Index gemessene Geschäftss­timmung deutscher Manager hat sich im Jänner überrasche­nd stark eingetrübt, auch die Erwartunge­n des produziere­nden Sektors sind zurückgega­ngen.

Einige Daten weisen zudem darauf hin, dass Österreich nach einem BIP-Einbruch von rund 7,5 Prozent im Vorjahr neuerlich stärker von der Corona-Krise getroffen wird als vergleichb­are Länder. Ein Blick auf den Stromverbr­auch in den letzten Wochen zeigt, dass der Rückgang hierzuland­e besonders stark ausfällt (oben stehende Grafik). Die Daten sind wegen großer Schwankung­en mit Vorsicht zu genießen, doch eines ist klar: Die starke Abhängigke­it vom Tourismus wird das Land noch länger in Atem halten.

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