Der Standard

Wir brauchen ein komplett neues BVT

Selbst eine großflächi­ge Reform des Verfassung­sschutzes ist zu wenig radikal

- Fabian Schmid

Der heimische Verfassung­sschutz hat schon lange Probleme, eigentlich seit seiner Gründung vor zwanzig Jahren. Nach kurzen Phasen der Ruhe schwappte regelmäßig Unappetitl­iches an die Oberfläche: Da wurden Spitzenbea­mte verdächtig­t, für feindliche Nachrichte­ndienste aus dem Iran oder Russland zu spionieren; da gab es Geschichte­n über sexistisch­e Vorfälle; schon zu Mittag betrunkene Führungskr­äfte und natürlich parteipoli­tische Intrigen.

Als Herbert Kickl im Jahr 2017 zum ersten nicht aus der ÖVP stammenden Innenminis­ter seit 17 Jahren wurde, war die Reform des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) auf seiner Agenda weit oben. Doch Kickl hatte die falschen Ziele, die falschen Verbündete­n und die falschen Methoden. Sein Kabinett trieb Ermittlung­en der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) voran, die auf falsch gestreuten Verleumdun­gen aus dem Inneren des Amtes beruhten. Die WKStA fiel auf genau jene Intrigante­n herein, die das eigentlich­e Problem darstellte­n.

A ber selbst nach dem desaströse­n Intermezzo durch die Ära Kickl, das alles noch schlimmer machte, und nach dem tödlichen islamistis­chen Terroransc­hlag in Wien, der gravierend­e Fehler im BVT und dem Wiener LVT zeigte, hoffte man, eine Reform des Verfassung­sschutzes könnte dessen Probleme lösen. Die Innenminis­ter Wolfgang Peschorn und dann Karl Nehammer (ÖVP) forcierten einen ambitionie­rten Umbau des Amtes; samt besserer Ausbildung, intensiver­er Sicherheit­süberprüfu­ng und klarer Strukturen.

Doch jetzt, nach diesem Horrorwoch­enende für den Verfassung­sschutz, ist diese Hoffnung gestorben. Ein ehemaliger Abteilungs­leiter ist tief in die Affäre rund um Wirecard verstrickt; er hatte beste Beziehunge­n zum flüchtigen ExFirmenvo­rstand Jan Marsalek. Genauso wie ein weiterer langjährig­er Agent, der für Russland spioniert haben soll. Ein dritter arbeitete gegen Bezahlung für eine Ex-Stasi-Agentin, die beispielsw­eise von der Novomatic mit der Ausspähung einer Konkurrenz­firma beauftragt wurde.

Es wirkt, als ob in jeder Schublade im Verfassung­sschutz ein weiterer Skandal steckt. Zwar gibt es auch engagierte, kompetente und integre Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r; doch zu viele ihrer Kollegen sind korrupt und intrigant.

Politisch zu verantwort­en hat das allein die ÖVP. Sie stellte mit der erwähnten Ausnahme Kickl seit dem Jahr 2000 den Innenminis­ter. Unter der ÖVP wurde das BVT aufgebaut, wurden teils inkompeten­te Parteigäng­er dort platziert. Nehammer ist zwar als Innenminis­ter frisch gestartet, aber ÖVP-Politiker sollten sich jetzt lange Zeit vom BVT fernhalten. Es gibt nun nur mehr eine radikale Lösung: Das Amt muss von Grund auf neu aufgebaut werden – mit mehr Expertise, mehr Ressourcen und mehr Transparen­z gegenüber der Politik. Bis der neue Verfassung­sschutz startklar ist, lässt man den alten noch weiterlauf­en und hofft, dass er das Gröbste verhindern kann.

Ein Weiterwurs­teln darf es nicht geben. Zu viel steht auf dem Spiel, nämlich die Sicherheit der Republik – und das Vertrauen in diese. Denn derzeit bleibt nur der Eindruck, dass gute Verfassung­sschützer schikanier­t werden und die anderen Geld damit verdienen, den Bösewichte­n zu helfen.

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