Niemand weiß, wie viele Impfdosen bereits weggeworfen wurden
Bisher sind nur Einzelfälle publik geworden, einen zentralen Überblick haben weder die Bundesländer noch der Bund
Gründe, warum CovidSchutzimpfdosen weggeworfen werden, gab es bisher unterschiedliche. Doch darüber, wie oft das passiert ist, hat niemand den Überblick. In einem Fall aus Ostösterreich soll es um fünf Dosen gehen. Der Grund war ein Disput zwischen Heimleitung und Arzt, berichtete der Kurier.
Bei einem Fall in Wien waren es gleich zehn Dosen, die vernichtet wurden. Die Ursache dafür war, dass man weit und breit niemanden gefunden haben soll, der sich der überschüssigen Dosen erbarmt hätte. Dass man überhaupt zu viele hatte, lag in vielen Heimen daran, dass aus einer Phiole des Pfizer-Impfstoffs oft sechs oder gar sieben Dosen gezogen werden können statt der ursprünglich gedachten fünf.
Ärzte und Impfbeauftragte stehen vor einem Dilemma: Einerseits gilt es, des öffentlichen Aufschreis Herr zu werden und niemanden zu impfen, der noch nicht dran ist. Immerhin zeigte sich die Regierungsspitze „empört“(Vizekanzler Werner Kogler, Grüne) und „enttäuscht“(Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVP) über Drängler. Einige dieser Vordräng-Fälle werden nun von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geprüft. In manchen soll Geld geflossen sein, bei anderen geht es um die mögliche Ausnutzung eines Amts.
Andererseits – und das wurde von Anfang an aus dem Gesundheitsministerium kommuniziert – soll es auf keinen Fall zu einem Verwurf der Impfdosen kommen. Und wenn, müsse dieser dokumentiert und „auf Aufforderung“gemeldet werden.
Nur: Wie oft das eigentlich passiert, ist keiner öffentlichen Stelle bekannt und kaum kontrollierbar. Im Gesundheitsministerium weiß man nur von jenen, die dort aufschlagen, das seien „Einzelfälle“, hieß es gegenüber dem STANDARD.
Keine zentrale Info-Stelle
In den Ländern ringt man um Überblick. So heißt es aus Kärnten, es sei „momentan nichts bekannt“, was weggeworfene Dosen angehe. Einmal sei eine Phiole zu Bruch gegangen, das sei gemeldet worden, sagt ein Sprecher. Es gebe zwar Listen, für wen wie viele Dosen angefordert wurden und wie viele verimpft wurden, diese würden aber nicht grundsätzlich kontrolliert.
Der Impfkoordinator in Salzburg, Robert Sollak, sagt, auch er wisse von keinen Fällen. Aber mit der Kontrolle sei das so eine Sache, „wir müssen uns darauf verlassen, dass die Vorgaben eingehalten werden“.
Auch aus Tirol, Vorarlberg, der Steiermark und dem Burgenland heißt es, es seien zumindest keine Fälle bekannt.
In Büro des Wiener Gesundheitsstadtrats weiß man abseits des eingangs erwähnten Falles mit zehn verworfenen Dosen von einem weiteren. Beide beziehen sich auf die Zeit zwischen 27. und 30. Dezember, also unmittelbar nach dem Impfstart. Mittlerweile habe man ein System eingerichtet, das Verwurf verhindern soll: Es gebe nun Backup-Listen, sollten diese nicht ausreichen, schicke der Einsatzstab impfwillige Personen vorbei, heißt es von einem Sprecher, außerdem gibt es Kontrollen durch Amtsärzte.
Bei der MA 15 ist noch ein Fall aus dem Jänner bekannt. Das Problem sei gewesen, sagt eine Sprecherin, dass es bereits sehr spät war, als Impfstoff übrig geblieben sei. Daher habe man niemanden mehr gefunden, der sich habe impfen lassen wollen. Das soll nicht noch einmal vorkommen, sagt die Sprecherin, da gebe es noch „Optimierungsbedarf“.
Franz Schützeneder, der Impfkoordinator Oberösterreichs, sagt: „Eine Impfdose wegzuwerfen ist absolut unmoralisch.“Dass das in Oberösterreich passiert sei, schließe er aus. Immerhin gebe es Rückmeldungen darüber, welcher Impfstoff in welcher Menge verimpft worden sei – auch wenn der Überblick komplizierter werde, wenn etwa wegen Personen, die zum Impftermin erkranken, die Zahlen nicht mehr übereinstimmen. Doch: „Man kann alles verimpfen“, ist Schützeneder überzeugt. Selbst wenn dafür im letzten Abdruck ein Bürgermeister herhalten müsse.