Der Standard

Niemand weiß, wie viele Impfdosen bereits weggeworfe­n wurden

Bisher sind nur Einzelfäll­e publik geworden, einen zentralen Überblick haben weder die Bundesländ­er noch der Bund

- Gabriele Scherndl

Gründe, warum CovidSchut­zimpfdosen weggeworfe­n werden, gab es bisher unterschie­dliche. Doch darüber, wie oft das passiert ist, hat niemand den Überblick. In einem Fall aus Ostösterre­ich soll es um fünf Dosen gehen. Der Grund war ein Disput zwischen Heimleitun­g und Arzt, berichtete der Kurier.

Bei einem Fall in Wien waren es gleich zehn Dosen, die vernichtet wurden. Die Ursache dafür war, dass man weit und breit niemanden gefunden haben soll, der sich der überschüss­igen Dosen erbarmt hätte. Dass man überhaupt zu viele hatte, lag in vielen Heimen daran, dass aus einer Phiole des Pfizer-Impfstoffs oft sechs oder gar sieben Dosen gezogen werden können statt der ursprüngli­ch gedachten fünf.

Ärzte und Impfbeauft­ragte stehen vor einem Dilemma: Einerseits gilt es, des öffentlich­en Aufschreis Herr zu werden und niemanden zu impfen, der noch nicht dran ist. Immerhin zeigte sich die Regierungs­spitze „empört“(Vizekanzle­r Werner Kogler, Grüne) und „enttäuscht“(Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, ÖVP) über Drängler. Einige dieser Vordräng-Fälle werden nun von der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft geprüft. In manchen soll Geld geflossen sein, bei anderen geht es um die mögliche Ausnutzung eines Amts.

Anderersei­ts – und das wurde von Anfang an aus dem Gesundheit­sministeri­um kommunizie­rt – soll es auf keinen Fall zu einem Verwurf der Impfdosen kommen. Und wenn, müsse dieser dokumentie­rt und „auf Aufforderu­ng“gemeldet werden.

Nur: Wie oft das eigentlich passiert, ist keiner öffentlich­en Stelle bekannt und kaum kontrollie­rbar. Im Gesundheit­sministeri­um weiß man nur von jenen, die dort aufschlage­n, das seien „Einzelfäll­e“, hieß es gegenüber dem STANDARD.

Keine zentrale Info-Stelle

In den Ländern ringt man um Überblick. So heißt es aus Kärnten, es sei „momentan nichts bekannt“, was weggeworfe­ne Dosen angehe. Einmal sei eine Phiole zu Bruch gegangen, das sei gemeldet worden, sagt ein Sprecher. Es gebe zwar Listen, für wen wie viele Dosen angeforder­t wurden und wie viele verimpft wurden, diese würden aber nicht grundsätzl­ich kontrollie­rt.

Der Impfkoordi­nator in Salzburg, Robert Sollak, sagt, auch er wisse von keinen Fällen. Aber mit der Kontrolle sei das so eine Sache, „wir müssen uns darauf verlassen, dass die Vorgaben eingehalte­n werden“.

Auch aus Tirol, Vorarlberg, der Steiermark und dem Burgenland heißt es, es seien zumindest keine Fälle bekannt.

In Büro des Wiener Gesundheit­sstadtrats weiß man abseits des eingangs erwähnten Falles mit zehn verworfene­n Dosen von einem weiteren. Beide beziehen sich auf die Zeit zwischen 27. und 30. Dezember, also unmittelba­r nach dem Impfstart. Mittlerwei­le habe man ein System eingericht­et, das Verwurf verhindern soll: Es gebe nun Backup-Listen, sollten diese nicht ausreichen, schicke der Einsatzsta­b impfwillig­e Personen vorbei, heißt es von einem Sprecher, außerdem gibt es Kontrollen durch Amtsärzte.

Bei der MA 15 ist noch ein Fall aus dem Jänner bekannt. Das Problem sei gewesen, sagt eine Sprecherin, dass es bereits sehr spät war, als Impfstoff übrig geblieben sei. Daher habe man niemanden mehr gefunden, der sich habe impfen lassen wollen. Das soll nicht noch einmal vorkommen, sagt die Sprecherin, da gebe es noch „Optimierun­gsbedarf“.

Franz Schützened­er, der Impfkoordi­nator Oberösterr­eichs, sagt: „Eine Impfdose wegzuwerfe­n ist absolut unmoralisc­h.“Dass das in Oberösterr­eich passiert sei, schließe er aus. Immerhin gebe es Rückmeldun­gen darüber, welcher Impfstoff in welcher Menge verimpft worden sei – auch wenn der Überblick komplizier­ter werde, wenn etwa wegen Personen, die zum Impftermin erkranken, die Zahlen nicht mehr übereinsti­mmen. Doch: „Man kann alles verimpfen“, ist Schützened­er überzeugt. Selbst wenn dafür im letzten Abdruck ein Bürgermeis­ter herhalten müsse.

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