Getrennte Wege wegen Corona
Stornierte Flüge, Reisebeschränkungen: Menschen mit Familie oder Partner im Ausland leiden extrem unter der monatelangen Trennung. Ehen zerbrechen daran – oder man kann sich nicht von geliebten Menschen verabschieden.
Donnerstagabend, 19 Uhr. Hubert S. setzt sich mit einem Gläschen Wein vor den Laptop. Auf dem Bildschirm taucht Kristin auf, seine Partnerin. Er wohnt im Burgenland, sie lebt in Island. Seit 14 Jahren sind sie ein Paar, sie leben eine Fernbeziehung. Doch vor Corona sahen sie sich jeden Monat, flogen abwechseln hin und her. Nun beschränkt sich ihr Kontakt wegen der Reisebeschränkungen auf Videotelefonate. „Natürlich vermisse ich den physischen Kontakt zu Kristin“, sagt der sechzigjährige Winzer. „Aber wir sind optimistisch, dass dies bald wieder möglich ist.“
Wie Hubert und Kristin sind derzeit Menschen auf der ganzen Welt durch die Pandemie von ihren im Ausland lebenden Familien getrennt. Fernbeziehungen sind ohnehin eine Herausforderung, die eingeschränkte Reisefreiheit bringt Paare allerdings an ihre nervlichen und finanziellen Grenzen. Vor allem dann, wenn ein Visum nötig ist, um überhaupt nach Österreich einreisen zu können. Nicht jede Beziehung übersteht diese Belastung – für Sängerin Izraa (s. unten) und ihren tunesischen Mann führte sie zur Scheidung.
Doch nicht nur Paare, auch Eltern, Großeltern und Geschwister leiden unter der wochenoder monatelangen Trennung. Tausende
Österreicher haben Verwandte im Ausland. Und sie mussten Geburtstage und Familienfeste in den letzten Monaten alleine verbringen. Das Schlimmste für die meisten: die Ungewissheit, wann Treffen wieder möglich sind – und ob man alte und kranke Angehörige überhaupt noch einmal wiedersehen wird.
Viele haben Angehörige verloren, ohne sich wirklich verabschieden zu können, weil die Grenzen geschlossen waren oder der Zugang zum Krankenhaus verwehrt wurde.
In persönlichen Protokollen schildern vier Menschen ihre Trennungsgeschichte – und wie sehr sie dieser Zustand an ihre nervlichen Grenzen bringt.