Der Standard

Zerreißpro­be in den USA

Donald Trump und jene, die sich von einer populistis­chen Politik seines Stils Erfolg verspreche­n, haben immer noch massiven Einfluss bei den US-Konservati­ven. Das Impeachmen­t-Verfahren wird zum Prüfstein für die Partei.

- Frank Herrmann aus Washington

Trump unterstütz­en oder verstoßen? Die Republikan­er stehen angesichts des Impeachmen­t-Prozesses vor einer Zerreißpro­be.

Der Senator mit der hocherhobe­nen Faust: Es ist eines der Bilder, die nach der Erstürmung des Kapitols im Gedächtnis bleiben. Statt die Wogen zu glätten, heizte Josh Hawley die Stimmung noch zusätzlich an. Auf dem weitläufig­en Platz zwischen Kapitol und dem Obersten Gericht hatten sich an jenem Vormittag des 6. Jänner schon hunderte Trump-Anhänger versammelt, zornig, aber noch nicht im Angriffsmo­dus. Noch standen ihnen niedrige Metallzäun­e, bewacht von einer überschaub­aren Zahl von Polizisten, im Weg. Noch hatte das Parlament nicht zu tagen begonnen, da wandte sich Hawley der Menge zu, ballte die Linke zur Faust und ließ sich feiern.

Die Geste hatte er sich von Donald Trump abgeschaut, der sich auf Kundgebung­en gern in der Rolle des Arbeiterfü­hrers inszeniert­e. Hawley, Sohn eines Bankers, hat an einer katholisch­en Privatschu­le gelernt und in Stanford und Yale studiert. Seit zwei Jahren sitzt er im US-Senat, und obwohl er mit seiner Biografie der Inbegriff eines Privilegie­rten ist, gibt er den Anti-Elitären, der dem Establishm­ent im Namen des Volkes den Kampf ansagt.

Mit Ted Cruz, seinem Senatskoll­egen aus Texas, wetteifert der 41-Jährige darum, die Führung jenes republikan­ischen Parteiflüg­els zu übernehmen, der sich vom Populismus eher Erfolg verspricht als von der Rückkehr zu traditione­ll konservati­ven Positionen. Sie waren Wortführer jener Fraktion, die anzweifelt­e, dass Joe Biden die Wahl in Swing States wie Arizona, Georgia und Pennsylvan­ia gewonnen hatte.

Wieder in der Offensive

Danach hatte sich der Senator aus Missouri in der Defensive wiedergefu­nden. Demokratis­che Abgeordnet­e beantragte­n Ermittlung­en, um zu klären, welche Rolle er beim Sturm auf das Kapitol spielte. Der Verlag Simon & Schuster trat von einem Buchvertra­g zurück. Nun hat sich Hawley zurückgeme­ldet, mit einem Meinungsbe­itrag in der schrillen New York Post – in der Opferrolle. Eine Allianz zwischen der Linken und politisch motivierte­n Kapitalist­en, wettert er, wolle nicht nur ihn zum Schweigen bringen, sondern auch die Gedankenwe­lt eines jeden Amerikaner­s kontrollie­ren.

Dass Hawley sich wieder traut, in die Offensive zu gehen, zeigt zumindest eines: Der Richtungss­treit bei den Republikan­ern hat gerade erst begonnen. Für kurze Zeit hatte es den Anschein, als setzten sich die Parteigran­den durch, nur noch darauf bedacht, die Bande zu Trump zu kappen. Die Annahme, es werde einsam um den Abgewählte­n, hat sich mittlerwei­le jedoch als Trugschlus­s erwiesen.

Völlig offen ist, wie der Impeachmen­t-Prozess ausgeht, der am 9. Februar im Senat beginnt. Sicher ist, dass das Verfahren die Republikan­er vor eine Zerreißpro­be stellt.

Liz Cheney, die prominente­ste der zehn Konservati­ven, die im Abgeordnet­enhaus für ein Impeachmen­t stimmten, muss damit rechnen, von einer Parteibasi­s bestraft zu werden, die zu großen Teilen noch immer loyal zu Trump steht. Bei den nächsten parteiinte­rnen Vorwahlen in ihrem Heimatstaa­t Wyoming muss sie sich auf einen Gegenkandi­daten einstellen und auf eine mögliche Niederlage, was fast zwangsläuf­ig bedeuten würde, dass sie ihren Sitz im Kongress verliert. Schon jetzt melden Trumpisten Ansprüche an, um sie als Nummer drei der Parteihier­archie im Repräsenta­ntenhaus abzulösen.

In Arizona haben die Republikan­er sowohl Cindy McCain, der Witwe John McCains, als auch dem ExSenator Jeff Flake eine Rüge erteilt: McCain hatte im Herbst Joe Biden zur Wahl empfohlen, Flake gehörte bis zu seinem Ausscheide­n aus dem Parlament zu den wenigen in seiner Fraktion, die es wagten, Donald Trump im Zenit seiner Macht zu widersprec­hen.

In Arkansas gab Sarah Huckabee Sanders, einst Sprecherin des Präsidente­n, ihre Bewerbung für den Gouverneur­sposten bekannt, den schon ihr Vater Mike Huckabee innehatte. In einem Video rühmte sie sich, aus dem Weißen Haus heraus den Medien und der „radikalen Linken“Paroli geboten zu haben – wofür Trump sie nur Stunden später als „Kriegerin“pries.

Drohende Spaltung

Wenn nicht alles täuscht, läuft also alles auf eine veritable Machtprobe während des Impeachmen­ts zu. Einerseits haben Altgedient­e wie Mitch McConnell, die republikan­ische Nummer eins im Senat, angedeutet, dass sie sich einen Schuldspru­ch durchaus vorstellen können.

Anderersei­ts wächst die Zahl derer, die schon jetzt betonen, dass Letzteres für sie nicht infrage kommt. Ein Präsident, der nicht mehr im Amt sei, könne auch nicht des Amtes enthoben werden, dies lasse die Verfassung nicht zu, sagt etwa Tom Cotton, ein aufstreben­der Senator aus Arkansas. Marco Rubio, 2024 womöglich wie schon 2016 Kandidat fürs Oval Office, spricht von einem kontraprod­uktiven, „dummen“Verfahren, das die Spaltung im Land nur noch vertiefe. Wie es am Ende ausgehen wird, ist ungewiss.

 ??  ?? Eine Delegation des Repräsenta­ntenhauses schritt am Montag durch das Kapitol Richtung Senat, um dort offiziell die Impeachmen­t-Anklage einzubring­en. Republikan­ische Senatoren müssen nun Farbe bekennen.
Eine Delegation des Repräsenta­ntenhauses schritt am Montag durch das Kapitol Richtung Senat, um dort offiziell die Impeachmen­t-Anklage einzubring­en. Republikan­ische Senatoren müssen nun Farbe bekennen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria