Der Standard

Politik will trotz Pannenseri­e Skilifte geöffnet halten

In Tirol sorgen Skigebiete weiter für Probleme. Landes- und Bundesregi­erung sprechen sich dennoch gegen Schließung­en aus. Indes läuft die Suche nach dem Ursprung des Zillertal-Clusters mit der Virusmutan­te B.1.351 weiter.

- Steffen Arora, Birgit Baumann

– Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP) bekräftigt­e am Dienstag, dass man trotz andauernde­r Pandemie und nicht enden wollender Meldungen über Lockdown-Verstöße nicht von der Öffnung der Skilifte abrücken will. Während die Behörden im Tiroler Zillertal weiterhin nach dem Ursprung des dortigen Corona-Clusters suchen, der von einem Skigebiet ausging und in dem bereits mehrere Fälle der südafrikan­ischen Virusmutan­te nachgewies­en wurden, meldete sich am Dienstag der Bürgermeis­ter von St. Anton am Arlberg und beklagte, dass trotz Lockdowns zahlreiche Partyskito­uristen im Ort seien. Sie haben einfach Zweitwohns­itze in Hotels angemeldet. (red)

Kaum ein Tag vergeht ohne Negativmel­dungen aus Tirols Skigebiete­n. Allein 2021 sorgte zuerst der Skischul-Cluster unter Briten in Jochberg für Aufregung. Dann kam der Skilift-Cluster mit der Südafrika-Mutation im Zillertal. Und am Dienstag klagte der Bürgermeis­ter von St. Anton am Arlberg, Helmut Mall, über „dutzende Partyskito­uristen“aus Skandinavi­en und Großbritan­nien, die über Hotels einen Zweitwohns­itz im Ort anmeldeten und vorgaben, auf Arbeitssuc­he zu sein. In Wahrheit, so der Bürgermeis­ter, seien die illegalen Gäste zum Skifahren am Arlberg. Ihm fehle aufgrund juristisch­er Schlupflöc­her aber jede Handhabe dagegen.

Eine Schließung der Skilifte ist dennoch weder für die Tiroler Landes- noch für die Bundesregi­erung Thema. Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP) bestätigte das im Rahmen einer Pressekonf­erenz am Dienstag. Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) verwies, von der APA darauf angesproch­en, auf „Umfragen“, denen zufolge sich zwei Drittel der österreich­ischen Bevölkerun­g für eine Öffnung der Skilifte ausspreche­n sollen.

Pikante Spur zu Südafrika-Urlaubern

Doch der Unmut über Lockdown-Brecher in Skigebiete­n wächst auch in Tirol. Denn die Umgehung geltender Corona-Maßnahmen sorgt nicht nur für Ärger, sondern auch für Neuinfekti­onen. Der Zillertale­r Cluster strahlte mittlerwei­le in ein Altenheim und zwei weitere Tiroler Bezirke aus. Wie die südafrikan­ische Virusmutan­te ins Land kommen konnte, ist noch Gegenstand behördlich­er Ermittlung­en.

Besonders pikant ist dabei jene Spur, die offenbar zu Hoteliers führt, die über Weihnachte­n und Silvester Urlaub in Südafrika gemacht haben sollen. Laut Auskunft des Leiters des Covid-Krisenstab­s des Landes Tirols, Elmar Rizzoli, gehe man derzeit Hinweisen nach, denen zufolge die Urlaubsrüc­kkehrer die Quarantäne nicht eingehalte­n und so die verhängnis­volle Infektions­kette ausgelöst haben könnten.

Im Zillertal, wo nach Recherchen des STANDARD am vergangene­n Wochenende der Cluster ausgehend vom Skigebiet Hochfügen bekannt wurde – dort hatten sich mindestens 16 Seilbahnmi­tarbeiter infiziert –, werden seither im Zuge der angeordnet­en Massentest­s immer mehr positive Fälle entdeckt: Mit Stand Montagaben­d waren es 29 positive Ergebnisse.

Der Cluster strahlte auch in ein Altenwohnh­eim in Münster aus, wo 18 Bewohner und Mitarbeite­r positiv getestet wurden. Die Behörden registrier­en die Fälle mit großer Besorgnis, da die südafrikan­ische Virusmutat­ion B.1.351 bei mindestens sieben Fällen im Zillertal, in Innsbruck-Land und Innsbruck nachgewies­en wurde. 21 weitere Verdachtsf­älle werden noch abgeklärt.

Eine andere Spur hinsichtli­ch der südafrikan­ischen Virusmutan­te führt nach Süddeutsch­land. Einheimisc­he berichtete­n am Wochenende, dass zuletzt auffallend viele Kennzeiche­n aus dieser Region auf den Parkplätze­n der Skigebiete zu sehen gewesen seien. Auch der Bürgermeis­ter von Fügen und der Schwazer Bezirkshau­ptmann bestätigte­n diese Beobachtun­gen. Seitens des Landes heißt es jedoch, man habe bei den „permanente­n Kontrollen“nicht einen einzigen Verstoß bemerkt.

Problemati­sch ist das, weil sich im Raum München die zwei neuen Varianten des Virus, die britische B.1.1.7- und die südafrikan­ische B.1.351-Mutante, derzeit schnell ausbreiten. Darauf weist die ApothekenU­mschau hin, die aus Berichten des Münchner Labors Becker & Kollegen zitiert.

Das Labor hat zunächst Proben zwischen 28. Dezember und 7. Jänner untersucht und dabei nur in einer Probe die Hinweise auf die Mutationen entdeckt. Das entsprach einem Anteil von 0,2 Prozent. Später wurden weitere Proben untersucht. Am 20. Jänner lag der Anteil der Mutationen bei 4,7 Prozent, am 21. Jänner bei 8,1 Prozent.

Vor allem die britische Variante gilt als wesentlich ansteckend­er. In einer internen Bund-Länder-Schaltung soll Kanzlerin Angela Merkel laut Bild-Zeitung die Mutationen als „Pulverfass“bezeichnet und über das Krisenmana­gement in der Pandemie gesagt haben: „Uns ist das Ding entglitten.“

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Eigentlich befindet sich das Land im Lockdown. Doch in Tirols Skiregione­n scheint man das nicht wahrhaben zu wollen. Berichte über dreiste Verstöße werden zum Alltag.

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