Tierarzt strukturierte Astrazeneca um
Der industrielle Niedergang Großbritanniens hat vor der Pharmabranche haltgemacht. Jahrelang war Glaxo Smith Kline (GSK) unangefochtener Primus, zuletzt machte Astrazeneca (AZ) dem großen Rivalen immer wieder den Spitzenplatz streitig. Beide Unternehmen zählen zu den Weltmarktführern, ihre Wissenschafter leisten Spitzenforschung. Unterfüttert ist deren Erfolg durch die herausragende Stellung britischer Universitäten und eine wissenschaftsfreundliche Grundstimmung im Land.
Beides hat sich AZ in der CoronaPandemie zunutze gemacht. Im Frühjahr verkündete AZ-Vorstandschef Pascal Soriot die Kooperation mit dem weltberühmten JennerInstitut der Universität Oxford. Im Lockdown präsentierte sich der 61Jährige werbewirksam im blütenweißen Hemd vor imposanter Bücherwand und beteuerte, es gehe nicht um Wettbewerb gegen die Konkurrenz, sondern gegen SarsCoV-2: „Wir machen hier keinen Gewinn.“Ausdrücklich schloss AZ mit der Uni Oxford eine Non-Profit-Vereinbarung für die Zeit der Pandemie.
Dass sowohl Großbritannien als auch die EU (Letztere mit insgesamt 336 Millionen Euro) die Entwicklung und die Produktion des Impfstoffs erheblich vorfinanzierten, spielte in den Mitteilungen keine so große Rolle. Die Zuschüsse lassen sich dadurch erklären, dass vorab niemand wissen konnte, welcher Impfstoff sich als wirksam erweisen würde.
Noch während die Wissenschafter das Vakzin an 30.000 Freiwilligen in Großbritannien, Brasilien und Südafrika erprobten, erweiterte die Firma weltweit ihre Produktionskapazität. So standen Millionen von Impfdosen bereit, ehe die britische Arzneimittelbehörde Ende 2020 dem Wirkstoff grünes Licht gab. Die Genehmigung durch die EU-Behörde EMA steht bis heute aus – ein Grund für die Irritationen zwischen dem Unternehmen mit weltweit 70.000 Mitarbeitern und der Kommission in Brüssel.
Deren Klage, AZ kommuniziere schlecht, klingt nachvollziehbar für jene, die sich an etwas merkwürdige Presseerklärungen im Herbst erinnern. Damals verkündete das in Cambridge beheimatete Unternehmen stolz den Erfolg der klinischen Studien, brachte aber gleichzeitig Ungereimtheiten aufs Tapet, die zunächst Zweifel an der Wirksamkeit der Impfung weckten.
Aus Sicht der britischen Aufseher sind diese ausgeräumt, längst tragen Millionen von AZ-Dosen zum Erfolg des Impfprogramms auf der Insel bei. Bis Wochenbeginn erhielten dort schon mehr als zehn Prozent der Bevölkerung, darunter drei Viertel der besonders gefährdeten über 80-Jährigen, ihre erste Dosis.
Das 1999 aus dem Merger von Astra (Schweden) und Zeneca hervorgegangene Unternehmen wird von Soriot seit 2012 geleitet. Der studierte Tierarzt setzte ein radikales Veränderungskonzept um, dem 40 Prozent der Mitarbeiter zum Opfer fielen. 2019 stieg der Umsatz um zehn Prozent auf 24,3 Milliarden Dollar, der operative Gewinn lag bei knapp drei Mrd. Dollar. (sbo)