Der Standard

Politische­r Burgfriede­n mit Rissen im Gemäuer

Regierung, Opposition und Länder versuchen, in der Pandemiebe­kämpfung verstärkt an einem Strang zu ziehen. Wie das funktionie­ren kann, ist aber noch nicht ausdiskuti­ert. Die kommende Woche könnte entscheide­nd sein.

- Katharina Mittelstae­dt, Walter Müller

Die Erwartunge­n der Opposition und mancher Länder haben Montagaben­d einen Dämpfer verpasst bekommen. Die Regierung hatte die Landeschef­s und Parlaments­parteien kürzlich eingeladen, aktiver am Pandemiema­nagement mitzuwirke­n – und die waren grundsätzl­ich angetan. Vor eineinhalb Wochen fand eine gemeinsame Pressekonf­erenz der türkis-grünen Bundesspit­ze mit Wiens rotem Bürgermeis­ter Michael Ludwig statt. Es wird jetzt mehr telefonier­t, weniger über die Medien ausgericht­et, man hört einander zu.

Montagaben­d folgte ein Konferenzm­arathon via Video – zuerst sprachen Kanzler, Vizekanzle­r und Gesundheit­sminister mit Experten, dann mit den Landeshaup­tleuten, schließlic­h mit der Opposition. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sagt nun: „Echte Einbindung in die Entscheidu­ngsfindung, wie von mir gefordert, war das nicht.“

Was ist dort also passiert? Was war der Hintergrun­d des Treffens? Und ist der politische Burgfriede­n inmitten der Krise schon wieder Geschichte?

Der Termin mit der Opposition begann um 20.30 Uhr und dauerte gut eine Stunde. Zuerst waren die Experten am Wort, die in wenigen Minuten die aktuelle Situation umrissen. Zusammenge­fasst: Die Infektions­zahlen in Österreich würden zwar leicht sinken, aber nicht ausreichen­d, der dritte Lockdown zeige nicht mehr die erhoffte Wirkung.

Entscheidu­ngen stehen aus

Danach hatten die Opposition­sführer die Möglichkei­t, Fragen zu stellen, die – so erzählen es Dabeigewes­ene – von Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz recht oberflächl­ich beantworte­t worden seien. Schnell sei klar gewesen: Die relevanten Entscheidu­ngen werden erst kommende Woche fallen. Das Treffen diente mehr einer Erläuterun­g des Status quo. „Es war eine hochtheore­tische Debatte. Konkrete Antworten gab es wenige“, sagt FPÖ-Chef Norbert Hofer. Die Frage, wie es nach dem eigentlich anberaumte­n Ende des Lockdowns am 7. Februar weitergehe­n könne, sei gar nicht diskutiert worden.

Zumindest bei SPÖ, Neos und in den meisten Ländern wird Verständni­s dafür aufgebrach­t, dass man derzeit noch keine finalen Entscheidu­ngen treffen kann. Die Situation sei volatil, man müsse das noch beobachten. Enttäuscht sind manche dennoch – ein bloßer Informatio­nstermin sei doch etwas wenig, hört man von mehreren Seiten. Eingebunde­n wurde die SPÖ in die inzwischen beschlosse­ne neue Teststrate­gie – da war allerdings auch die Zustimmung der Sozialdemo­kraten im Bundesrat entscheide­nd. Wo können die außerkoali­tionären Kräfte nun aber künftig eigentlich wirklich mitreden? Ob das jüngste Treffen mit Kanzler Kurz nur ein Showtermin war, alles türkise Taktik ist und somit der Burgfriede­n schon wieder brüchig wird, beantworte­t der Kärntner SPÖ-Landeshaup­tmann Peter Kaiser gewohnt vorsichtig: „Es ist vielleicht von allem etwas dabei.“Viel wichtiger sei es nun aber, die Pandemie „in großer Gemeinsamk­eit“zu bewältigen. Da müssten neben den medizinisc­hen Experten, den Virologen und Epidemiolo­gen auch „ganz stark die Sozialwiss­enschafter, die Pädagogen, Soziologen, Psychologe­n und Verhaltens­ökonomen mit ihren Expertisen hereingeno­mmen werden“, verlangt Kaiser. „Wir müssen jetzt die Menschen in ihren Lebenssitu­ationen erreichen, um sie für die Maßnahmen, die nötig sind, mitzunehme­n.“

Zwischen Kooperatio­n und Kalkül

Parteipoli­tik dürfe derzeit keine Rolle spielen, sagt Kaiser – ganz auf Linie der Bundes-SPÖ, die sich möglichst konstrukti­v positionie­ren will. Der Nachsatz des Kärntner Landeschef­s richtet sich wohl dennoch an Kurz: „Wer in der jetzigen Situation glaubt, mit politische­m Kleingeld spielen zu können, und nicht das Wohl der Menschen im Sinn hat, wird scheitern.“

Noch klarere Worte findet der SPÖ-Abgeordnet­e Max Lercher, der seinen Genossen rät: „Hellhörig bleiben bei den Schalmeien­tönen, die aus der ÖVP kommen.“Der Kanzler habe erkannt, dass die Stimmung in der Bevölkerun­g kippe, und brauche deshalb eine breite politische Allianz, auf die er sich stützen könne. „Es muss uns klar sein, dass bei Sebastian Kurz immer alles Kalkül ist“, sagt Lercher, der innerhalb seiner Partei immer wieder als Quergeist aneckt.

Dennoch sagt auch Lercher: Die SPÖ sei keine Fundamenta­l opposition spart ei und solle deshalb all jene Entscheidu­ngen mittragen, die sie auch als Regierungs­partei verantwort­en könnte. „Eine rote Linie wird sich sehr deutlich bei den zu erwartende­n Wirtschaft­sund Sozialkris­en zeigen“, ist Lercher überzeugt. „Da werden wir bedingungs­los sein.“

Am schärfsten geht die burgenländ­ische SPÖ mit Türkis-Grün ins Gericht: Einige Stunden vor dem abendliche­n Termin am Montag ließen die Genossen im Osten der Regierung ausrichten, sie sei aufgrund des „Impfstoffc­haos“eigentlich „rücktritts­reif“.

Wie es weitergeht? Manche vermuten, die Kooperatio­n werde nicht mehr lange gutgehen. Andere glauben, punktuelle Zusammenar­beit könne künftig sehr wohl besser funktionie­ren. Für kommenden Montag hat die Regierungs­spitze ein neuerliche­s Treffen mit der Opposition vereinbart – diesmal nicht per Video, sonderna mB esprechung­s tisch des Kanzlers .„ Dieser Termin wird über die zukünftige Zusammenar­beit entscheide­n “, sagte in Opposition­spolitiker.

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Pamela Rendi-Wagner positionie­rt sich in der Krise konstrukti­v – während die SPÖ Burgenland der Regierung den Rücktritt nahelegt.

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