Der Standard

Gläserne Konzernste­uern rücken näher

Konzerne sollen künftig transparen­t machen, in welchen Ländern sie wie viel Steuern bezahlen: In der EU wird seit Jahren um einen Durchbruch bei dieser heiklen Materie gerungen. Nun scheint der Weg für die Finalisier­ung frei. Die Scheinwerf­er sind dabei a

- András Szigetvari

Es war ein holpriger Start, eine alte Initiative in der EU neu zu beleben, und daran hatte gerade Österreich einen Mitanteil. Nun aber sieht es so aus, als könnte ein geplantes EU-Gesetz gegen aggressive Steuertric­ks multinatio­naler Konzerne eine erste, wichtige Hürde nehmen. Laut portugiesi­scher EU-Ratspräsid­entschaft zeichnet sich nämlich eine Mehrheit unter den Unionsländ­ern für ein neues Regelwerk ab, das Unternehme­n zu einer Offenlegun­g wichtiger Steuerdate­n verpflicht­en würde.

Ende vergangene­r Woche hatte es noch kurz so ausgesehen, als würde mit der Stimme Österreich­s das Gesetz blockiert werden. Inzwischen stellt aber das Finanzmini­sterium klar: Das ist nicht der Fall.

Dem geplanten Gesetz liegt eine simple, aber revolution­är anmutende Idee zugrunde.

Seit der Wirtschaft­skrise 2008 versuchen viele Regierunge­n, das EU-Parlament und die EU-Kommission, die Steuertric­ks großer Unternehme­n zurückzudr­ängen. Spektakulä­re Fälle, in denen Konzerne ihre Gewinne von einem Land in ein anderes verschoben hatten und dabei Milliarden an Steuern sparten, sorgten für rege öffentlich­e Kritik.

Doch diese Fälle sind nur schwer in den Griff zu bekommen. Ein gutes Beispiel dafür ist Apple: Der Konzern rechnet seine Geschäfte in Europa über Irland ab, zahlte dort aber auf Basis einer Steuerkons­truktion, die von der irischen Regierung abgesegnet war, kaum Steuern. 2014 musste Apple von seinen Gewinnen 0,005 Prozent abführen.

Die EU-Kommission verdonnert­e Apple 2016 zu einer Steuernach­zahlung von 13 Milliarden Euro und berief sich auf eine Verletzung des Wettbewerb­srechts. Wer keine Steuern zahle, spiele nicht fair. 2020 hob das Gericht der Europäisch­en Union die Entscheidu­ng auf. Die Steuerabsp­rachen seien unbestritt­en, aber Wettbewerb­srecht sei nicht verletzt worden. Die Kommission legte Berufung ein, der Fall geht zum Europäisch­en Gerichtsho­f.

Was, wenn sich solche jahrelange­n Streiterei­en vermeiden ließen? Die dafür nötig Zutat laut EU-Kommission ist Transparen­z.

Wenn Unternehme­n verpflicht­et wären offenzuleg­en, in welchem Land sie welche Umsätze erzielen und wie viel Steuern sie dort zahlen, dann würden viele der groben Verzerrung­en fast von selbst verschwind­en. Ein Konzern, der im Land x Milliarden verdient, aber keine Gewinnsteu­ern zahlt, müsste das erst gut erklären können. Deshalb hat die EU-Kommission 2016 eine Richtlinie vorgeschla­gen, wonach künftig Steuerdate­n von Unternehme­n mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro veröffentl­icht werden sollen. Konzerne mit Sitz in der EU müssten die Kennzahlen für alle EUStaaten, in denen sie aktiv sind, publik machen. Experten sprechen vom öffentlich­en „Country-by-Country-Reporting“.

Fehlinterp­retationen

Das geplante EU-Regelwerk kam aber bis jetzt nicht vom Fleck. Zu den Gegnern zählten exportstar­ke Länder wie Deutschlan­d und Österreich. Ex-Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) warnte 2016 davor, dass die Veröffentl­ichung der Steuerdate­n für heimische Betriebe nachteilig wäre, weil es dadurch zu „Fehlinterp­retationen“in der Öffentlich­keit kommen würde. Er fürchtete einen öffentlich­en Prager.

Die Industries­taaten tauschen im Rahmen der OECD die KonzernSte­uerbericht­e aus. Sie müssen vertraulic­h bleiben. Eine Veröffentl­ichung hätte keinen Mehrwert, so Schelling damals. Das Projekt im EU-Rat voranzutre­iben scheiterte zuletzt an der Stimme eines Landes.

Doch dann kam die Wende. Im Dezember 2019, noch vor Bildung der türkis-grünen Regierung, wurde im Hauptaussc­huss des Nationalra­tes mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und FPÖ der Regierung aufgetrage­n, dafür zu sorgen, dass das Country-by-Country-Reporting umgesetzt wird. Eine solche Vorgabe ist bindend und hätte die nötige Stimme in der EU gebracht.

Diese Anordnung des Parlaments sah nun die SPÖ, aber auch die NGO Attac, Ende vergangene­r Woche verletzt. Die portugiesi­sche Ratspräsid­entschaft hatte das Country-byCountry-Reporting wieder auf die Tagesordnu­ng gesetzt. Bei einem Treffen der EU-Länder auf Beamtenebe­ne am Freitag sollte geprüft werden, ob es genügend Zustimmung gibt. Der juristisch­e Nachrichte­ndienst Law360 berichtete unter Berufung auf Diplomaten­kreise, Österreich habe wieder nicht zugestimmt– also fehle die Mehrheit.

Wie Protokolle der Sitzung zeigen, hat sich Österreich enthalten und um Klärung einer juristisch­en Frage ersucht. Im Finanzmini­sterium heißt es, Österreich habe prompt nach der Sitzung klargestel­lt, dass man den Vorstoß unterstütz­e. Portugal hätte damit die nötigen Stimmen, falls sich nichts mehr ändert. Die NGO Attac dazu: „Sollte die Regierung nun wirklich ihre Blockade aufgeben, wäre das ein Erfolg für alle, denen Steuergere­chtigkeit ein Anliegen ist.“

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Portugal versucht eine Initiative für Steuertran­sparenz wiederzube­leben. Neben Frankreich sind unter anderem auch Italien und Spanien dafür.

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