Gläserne Konzernsteuern rücken näher
Konzerne sollen künftig transparent machen, in welchen Ländern sie wie viel Steuern bezahlen: In der EU wird seit Jahren um einen Durchbruch bei dieser heiklen Materie gerungen. Nun scheint der Weg für die Finalisierung frei. Die Scheinwerfer sind dabei a
Es war ein holpriger Start, eine alte Initiative in der EU neu zu beleben, und daran hatte gerade Österreich einen Mitanteil. Nun aber sieht es so aus, als könnte ein geplantes EU-Gesetz gegen aggressive Steuertricks multinationaler Konzerne eine erste, wichtige Hürde nehmen. Laut portugiesischer EU-Ratspräsidentschaft zeichnet sich nämlich eine Mehrheit unter den Unionsländern für ein neues Regelwerk ab, das Unternehmen zu einer Offenlegung wichtiger Steuerdaten verpflichten würde.
Ende vergangener Woche hatte es noch kurz so ausgesehen, als würde mit der Stimme Österreichs das Gesetz blockiert werden. Inzwischen stellt aber das Finanzministerium klar: Das ist nicht der Fall.
Dem geplanten Gesetz liegt eine simple, aber revolutionär anmutende Idee zugrunde.
Seit der Wirtschaftskrise 2008 versuchen viele Regierungen, das EU-Parlament und die EU-Kommission, die Steuertricks großer Unternehmen zurückzudrängen. Spektakuläre Fälle, in denen Konzerne ihre Gewinne von einem Land in ein anderes verschoben hatten und dabei Milliarden an Steuern sparten, sorgten für rege öffentliche Kritik.
Doch diese Fälle sind nur schwer in den Griff zu bekommen. Ein gutes Beispiel dafür ist Apple: Der Konzern rechnet seine Geschäfte in Europa über Irland ab, zahlte dort aber auf Basis einer Steuerkonstruktion, die von der irischen Regierung abgesegnet war, kaum Steuern. 2014 musste Apple von seinen Gewinnen 0,005 Prozent abführen.
Die EU-Kommission verdonnerte Apple 2016 zu einer Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro und berief sich auf eine Verletzung des Wettbewerbsrechts. Wer keine Steuern zahle, spiele nicht fair. 2020 hob das Gericht der Europäischen Union die Entscheidung auf. Die Steuerabsprachen seien unbestritten, aber Wettbewerbsrecht sei nicht verletzt worden. Die Kommission legte Berufung ein, der Fall geht zum Europäischen Gerichtshof.
Was, wenn sich solche jahrelangen Streitereien vermeiden ließen? Die dafür nötig Zutat laut EU-Kommission ist Transparenz.
Wenn Unternehmen verpflichtet wären offenzulegen, in welchem Land sie welche Umsätze erzielen und wie viel Steuern sie dort zahlen, dann würden viele der groben Verzerrungen fast von selbst verschwinden. Ein Konzern, der im Land x Milliarden verdient, aber keine Gewinnsteuern zahlt, müsste das erst gut erklären können. Deshalb hat die EU-Kommission 2016 eine Richtlinie vorgeschlagen, wonach künftig Steuerdaten von Unternehmen mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro veröffentlicht werden sollen. Konzerne mit Sitz in der EU müssten die Kennzahlen für alle EUStaaten, in denen sie aktiv sind, publik machen. Experten sprechen vom öffentlichen „Country-by-Country-Reporting“.
Fehlinterpretationen
Das geplante EU-Regelwerk kam aber bis jetzt nicht vom Fleck. Zu den Gegnern zählten exportstarke Länder wie Deutschland und Österreich. Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) warnte 2016 davor, dass die Veröffentlichung der Steuerdaten für heimische Betriebe nachteilig wäre, weil es dadurch zu „Fehlinterpretationen“in der Öffentlichkeit kommen würde. Er fürchtete einen öffentlichen Prager.
Die Industriestaaten tauschen im Rahmen der OECD die KonzernSteuerberichte aus. Sie müssen vertraulich bleiben. Eine Veröffentlichung hätte keinen Mehrwert, so Schelling damals. Das Projekt im EU-Rat voranzutreiben scheiterte zuletzt an der Stimme eines Landes.
Doch dann kam die Wende. Im Dezember 2019, noch vor Bildung der türkis-grünen Regierung, wurde im Hauptausschuss des Nationalrates mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und FPÖ der Regierung aufgetragen, dafür zu sorgen, dass das Country-by-Country-Reporting umgesetzt wird. Eine solche Vorgabe ist bindend und hätte die nötige Stimme in der EU gebracht.
Diese Anordnung des Parlaments sah nun die SPÖ, aber auch die NGO Attac, Ende vergangener Woche verletzt. Die portugiesische Ratspräsidentschaft hatte das Country-byCountry-Reporting wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Bei einem Treffen der EU-Länder auf Beamtenebene am Freitag sollte geprüft werden, ob es genügend Zustimmung gibt. Der juristische Nachrichtendienst Law360 berichtete unter Berufung auf Diplomatenkreise, Österreich habe wieder nicht zugestimmt– also fehle die Mehrheit.
Wie Protokolle der Sitzung zeigen, hat sich Österreich enthalten und um Klärung einer juristischen Frage ersucht. Im Finanzministerium heißt es, Österreich habe prompt nach der Sitzung klargestellt, dass man den Vorstoß unterstütze. Portugal hätte damit die nötigen Stimmen, falls sich nichts mehr ändert. Die NGO Attac dazu: „Sollte die Regierung nun wirklich ihre Blockade aufgeben, wäre das ein Erfolg für alle, denen Steuergerechtigkeit ein Anliegen ist.“