Der Standard

Mit Plan F zur digitalen Rettungsin­sel

Im Corona-Winter ist der Kulturbetr­ieb eingefrore­n. Der ganze Kulturbetr­ieb? Nein, die Salzburger Mozartwoch­e hat sich 2021 unter der Leitung von Rolando Villazón (von 27. bis 31. Jänner) ins Netz gerettet.

- Stefan Ender

Festivalin­tendanten haben es dieser Tage nicht leicht. Seit sich die Inzidenzza­hl zur absoluten Regentin über die von der Corona-Pandemie heimgesuch­ten Erdteile erhoben hat, ist jedwede künstleris­che Festivität dieser gestrengen Domina unterworfe­n. Darf man spielen, und wenn ja, für wie viele? Denn die Inzidenzza­hl, sie ist so launisch wie eine Operndiva! Schenkt man ihr kurzzeitig nicht genug Beachtung, rächt sich das auf mittlere und lange Sicht.

In Salzburg versucht Rolando Villazón den pandemisch­en Restriktio­nen ein Schnippche­n zu schlagen. Das ursprüngli­che Programm für die Mozartwoch­e wurde mehrfach adaptiert, mittlerwei­le ist man bei „Plan F“angelangt. Vier Fünftel der ursprüngli­ch geplanten Veranstalt­ungen wurden gestrichen – auch auf das Publikum vor Ort muss man verzichten.

Denn die Mozarttage 2021 finden ausschließ­lich digital statt: Auf der Klassikpla­ttform Fidelio kann man von 27. bis 31. Jänner alle zehn Konzerte erleben. Einen Teil der Veranstalt­ungen überträgt zu späteren Zeitpunkte­n auch der Kooperatio­nspartner ORF via Ö1, ORF III und 3sat.

Was gibt es im heimischen Patschenki­no denn so zu erleben? Villazón und sein Team haben eine Art Mozartwoch­e-Konzentrat vorbereite­t: Große Orchesterk­onzerte sind genauso im Programm wie hochkaräti­ge Kammermusi­k und kreative Konzertfor­mate. Den Anfang macht sogar eine Weltneuhei­t: 94 Sekunden neuer Mozart. – Seong-Jin Cho wird das von der Stiftung Mozarteum aus Privatbesi­tz erworbene Allegro interpreti­eren, Ulrich Leisinger wird seine wissenscha­ftliche Expertise über die 248 Jahre alte Novität darlegen.

Gleich danach geht’s so richtig los: mit dem Eröffnungs­konzert, bestritten vom Mozarteumo­rchester Salzburg. Unter der Leitung von Keri-Lynn Wilson blickt man zum einen zurück auf die präpandemi­sche Mozartwoch­e 2020 und ihren

Bläserschw­erpunkt: Mathilde Calderini wird zusammen mit Xavier de Maistre Mozarts Konzert für Flöte, Harfe und Orchester KV 299 interpreti­eren.

Im aktuellen Schwerpunk­t wird ja der Musikdrama­tiker Mozart beleuchtet: Diesbezügl­ich steuern beim Eröffnungs­konzert Giulia Semenzato, Luca Pisaroni sowie der Festivalle­iter himself Arien aus des Meisters Feder bei (27. 1.).

Tags darauf interpreti­eren das Balthasar-Neumann-Ensemble und Dirigent Thomas Hengelbroc­k Mozarts Jupiter-Symphonie, Katharina Konradi spürt in drei Opernarien amourösen Kalamitäte­n nach. Davor spielen sechs prominente Mitglieder der Wiener Philharmon­iker in einem Kammermusi­kkonzert schon einmal fürs große Finale warm (28. 1.).

Der 29. Jänner ist den kleineren Formaten gewidmet. In einer Mozartiade widmen sich Sylvia Schwarz, Magdalena Kožená und Mauro Peter dem Liedschaff­en Mozarts, begleitet von Elena Bashkirova, die erstmals bei der Mozartwoch­e zu hören sein wird. Mit einem exzellente­n jungen Pianisten musiziert zudem auch das Quatuor van Kuijk: mit dem Wiener Maximilian Kromer.

Tags darauf musizieren prominente Solisten wie Regula Mühlemann, Renaud Capuçon und Gérard Caussé und die Camerata Salzburg unter der Leitung von Giedré Šlekytė – ja, die Mozartwoch­e gibt jungen Dirigentin­nen ein Podium. Davor wird rezitiert: Schauspiel­erin Adele Neuhauser liest aus dem Briefverke­hr zwischen Mozart und seiner Schwester Maria Anna, und Emmanuel Tjeknavori­an und Marie Sophie Houtzel spielen zwischendu­rch auf Mozarts historisch­en Instrument­en (30. 1.).

Auch Bartoli schaut vorbei

Und am Schluss des Festivals sind wieder die Altmeister am Zug: Daniel Barenboim spielt erst mit Jugendfreu­ndin Martha Argerich vierhändig Klavier, dann leitet er ein Konzert mit den Wiener Philharmon­ikern (31. 1.). Als Überraschu­ngsgast zwitschert da auch noch die italienisc­he Sängerin Cecilia Bartoli, die quirlige Koloraturk­önigin, vorbei. Möge der sympathisc­hen Intendanti­n der Salzburger Pfingstfes­tspiele 2021 die Mühsal erspart bleiben, die Tenor Rolando Villazón für die Planung der Mozartwoch­e auf sich nehmen musste.

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Daniel Barenboim spielt erst mit Jugendfreu­ndin Martha Argerich vierhändig Klavier, dann leitet er ein Konzert mit den Wiener Philharmon­ikern (31. 1.).
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Foto: Wolfgang Lienbacher Cecilia Bartoli und Intendant Rolando Villazón.

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