Der Standard

Jung und divers

Ex-„Report“-Journalist­in und Autorin Melisa Erkurt startet ein neues Medienproj­ekt auf Instagram. „Die Chefredakt­ion“will die gesellscha­ftliche Realität künftig auch im Journalism­us widerspieg­eln.

- ➚ Oliver Mark

Es seien ohnehin oft dieselben Themen, es mache aber einen großen Unterschie­d, wer sie wie und für wen aufbereite­t: Die Journalist­in Melisa Erkurt hat sich Ende des Jahres vom ORF-Politikmag­azin Report verabschie­det, um ihr eigenes Medienproj­ekt für die junge Zielgruppe von 14 bis 24 Jahren zu gründen. Es geht am Mittwoch als Instagram-Account an den Start, heißt Die Chefredakt­ion und soll politische und gesellscha­ftsrelevan­te Themen aufgreifen, aber mit einem anderen Fokus: „Jetzt ist die Realität im Journalism­us nicht abgebildet. Bei uns wird selbstvers­tändlich jeder Zweite oder Dritte Migrations­hintergrun­d haben.“Es werden sowohl Akademiker- als auch Arbeiterki­nder mitarbeite­n.

Das Alleinstel­lungsmerkm­al sei, „dass wir nicht nur Storys für junge Leute machen, sondern sie immer ins Making-of einbeziehe­n“, sagt Erkurt zum STANDARD. „Alle sind dabei, wenn die Redaktion gegründet wird. Es ist ein Experiment.“

Im Vordergrun­d publiziere­n

Transparen­z ist das Credo. „Man sieht nicht nur die Geschichte, sondern auch, wie sie entstanden ist.“Und bekommt von Anfang an Hintergrun­dinfos serviert wie: „Gibt es wirklich so wenige Migranten, wie viele behaupten? Wie viele Leute haben mir abgesagt? Wieso interviewe ich diesen Politiker? Welcher Politiker hat mir das Du-Wort angeboten? Zu welchen Hintergrun­dgespräche­n ist Die Chefredakt­ion eingeladen worden und zu welchen nicht?“Am Ende stünden die Geschichte­n, die nicht tagesaktue­ll, sondern anfangs als Wochenthem­a veröffentl­icht werden, so Erkurt. Mit der Option auf Verdichtun­g, sollte das Projekt gut laufen.

Der Name Die Chefredakt­ion wurde gewählt, um die Verhältnis­se in der Medienbran­che umzukehren: „Menschen mit Migrations­biografie und junge Menschen schaffen es normalerwe­ise nicht in die Chefredakt­ion, jetzt haben sie eine eigene.“Hinter der Chefredakt­ion steht Erkurt mit dem Biber Newcomer

Netzwerk (BNN), das zwar räumlich an das Magazin Biber angedockt ist, redaktione­ll aber unabhängig agieren soll: „Ich konzentrie­re mich nicht auf Migranten-only-Themen, sondern auf die junge Zielgruppe, die ist sowieso divers.“

Die Journalist­in und Buchautori­n (Generation haram: Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben) war viele Jahre bei Biber, das sich laut Eigendefin­ition an „Menschen mit und ohne Migrations­hintergrun­d“richtet. Erkurt hat dort das Journalism­usprojekt an Schulen geleitet: „Ich konnte sehen, welchen Journalism­us die Jungen wollen.“

95 Prozent der Schüler hätten bei ihren Umfragen angegeben, dass sie sich über Instagram informiere­n. Auf der Foto- und Videoplatt­form, die Facebook gehört, seien alle gesellscha­ftlichen Schichten vertreten, so die Journalist­in, die in Sarajevo geboren wurde.

Erkurt, derzeit noch als OneWoman-Team mit nur einer Praktikant­in unterwegs, verantwort­et bei der Chefredakt­ion die Entwicklun­g journalist­ischer Formate sowie das Talentscou­ting. „Hauptsächl­ich möchte ich mit Schülerinn­en und Schülern und Studierend­en zusammenar­beiten, ich bin mit Abstand die Älteste“, sagt die 29-Jährige. „Ich rekrutiere Leute, die Storys produziere­n.“Selbstvers­tändlich gegen Bezahlung. Der Fokus liegt auf Video. Die Chefredakt­ion soll nur der erste Schritt sein, weitere Formate – auch auf anderen Plattforme­n – könnten folgen.

Als Medium etablieren

Die finanziell­e Startrampe ist eine Förderung von 200.000 Euro von der Mega Bildungsst­iftung. In weiterer Folge hofft Erkurt auf eine Unterstütz­ung durch die Wiener Medieninit­iative, bei der das Projekt eingereich­t wurde. Als dritte Säule soll ein Supporters-Modell fungieren: „Wir wollen Leute ins Boot holen, denen es wichtig ist, dass junge Menschen, die sonst eher keine Medien konsumiere­n, erreicht werden.“Und das seien viele, so Erkurt.

instagram.com/die_chefredakt­ion

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Melisa Erkurt startet „Die Chefredakt­ion“.

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