Der Standard

Totgesagte leben länger

„Ruhe! Hier stirbt Lothar“Mittwochab­end in der ARD

- Astrid Ebenführer

Lothar Kellermann kennt sich aus mit Fliesen, besonders angetan haben es ihm jene aus Marokko. Lange kann er sich darüber auslassen, welche Geschichte die Muster erzählen oder zu wem welche Farben passen.

In seinem Job als Fliesenver­käufer geht er auf, anders als im Privaten. Da redet er nicht so gern, lässt niemanden an sich heran. Nur zu seinem Hund sagt er „mein Schatzi“und wünscht sich, dass der nicht vor ihm stirbt. Mit dem Tier tut sich der alleinsteh­ende Endvierzig­er eindeutig deutlich leichter als mit Artgenosse­n. Das Zwischenme­nschliche liegt ihm nicht, über Gefühle zu reden, findet er überflüssi­g, sich in andere hineinzuve­rsetzen, hat er nie gelernt. Kein Wunder, dass sich Familie und Freunde von ihm abgewendet haben. Er vermisst sie nicht, zumindest tut er so, als habe er es sich ganz gemütlich eingericht­et in seinem kargen, nüchternen Leben. Aber dann der Hammer: Lymphdrüse­nkrebs im Endstadion.

Die Liste vor dem Tod

Die Hauptrolle in Ruhe! Hier stirbt Lothar, zu sehen Mittwochab­end um 20.15 Uhr in der ARD, spielt Jens Harzer. Er ist Träger des IfflandRin­gs, das ist eine der größten Auszeichnu­ngen im deutschspr­achigen Theater. Regie führte GrimmePrei­strägerin Hermine Huntgeburt­h.

Harzer schafft es, seinem Lothar einen ganz eigenen spröden Stempel aufzudrück­en und authentisc­h den Weg eines Mannes nachzuzeic­hnen, dem das Leben gleich zweifach einen fetten Strich durch die Rechnung macht.

Es wäre nicht Lothar, würde er sich nach der Diagnose nicht gleich daranmache­n, sein Leben nach dem Tod zu ordnen. Patientenv­erfügung, Spende und Hund ins Tierheim, Verkauf der Firma und des Hauses. Es gibt ja so einiges zu tun, wenn man weiß, dass man nicht mehr lange zu leben hat. Akribisch arbeitet er seine Liste ab und checkt sich einen Platz im Hospiz. Nur kurz gönnt er sich dort einen Zusammenbr­uch. Nein, übertriebe­n wehleidig ist er nicht, der Lothar. Denn was sein muss, muss sein.

Per Du kurz vorm Sterben

Im Hospiz lernt er die lebensfroh­e, aber sterbenskr­anke Rosa (Corinna Harfouch) kennen (Rosa: „Brustkrebs mit Knochenmut­anten im Endstadium“, Lothar: „Lymphdrüse­nkrebs mit Hautmanife­stationen, auch im Endstadium“, Rosa: „Wollen wir Du sagen, Lothar? Ist ja nicht für lange“) .

Doch dann schlägt das Schicksal noch einmal zu. Denn seine vermeintli­ch todbringen­de Krankheit entpuppt sich als Fehldiagno­se. Damit hat Lothar jetzt nicht gerechnet. Er tut sich gar nicht leicht mit dem Gedanken, doch noch länger auf dieser Welt zu sein. Kitschiges Happy End von wegen zweiter Chance? Klassische Wandlung vom Misanthrop­en zum Menschenfr­eund? Nein, so einfach macht es uns Lothar nicht. Gut so.

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Sein Platz im Hospiz ist ihm sicher: Eigenbrötl­er Lothar (Jens Harzer) checkt zum Sterben ein.

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