Der Standard

Bloß keine Neuwahlen

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GGianluca Wallisch

iuseppe Conte kennt ihn gut, den Weg hinauf zum Präsidente­npalast, hoch oben auf dem römischen Quirinalsh­ügel. Schon zum zweiten Mal hat er dort Staatschef Sergio Mattarella seinen Rücktritt als italienisc­her Ministerpr­äsident angeboten; er habe keine stabile Mehrheit mehr.

Es spricht für den parteilose­n Jusprofess­or, die Realität anzuerkenn­en – aber dann auch rasch zu handeln. Vor eineinhalb Jahren dachte sein rechter Innenminis­ter Matteo Salvini, er könne selbst nach der Macht greifen. Das Manöver misslang, denn Conte kam dem politische­n Brudermord durch die eigene Demission zuvor: Conte bekam eine zweite Chance, ein neues Regierungs­team zu bilden. Der Ministerpr­äsident blieb, Salvini verschwand zeitweilig in der Versenkung.

Auch jetzt, da Ex-Premier Matteo Renzi nach monatelang­en Drohungen aus der Koalition ausstieg, kam Conte einer Abstimmung­sniederlag­e zuvor: Rücktritt – und womöglich ein weiterer Neuanfang mit einem „Kabinett Conte III“. In Italien ist das keine Seltenheit. Giulio Andreotti war erst nach dem Scheitern seines siebten Kabinetts am Ende.

Tatsächlic­h kann sich Italien inmitten der Corona-Pandemie keine Neuwahlen leisten, jede Alternativ­e – ob links, Mitte oder rechts – würde das Chaos weiter vergrößern. Den Vorwurf des Präsidente­n des Deutschen Bundestage­s, Wolfgang Schäuble, dass nicht alle EU-Staaten bei der Umsetzung des Wiederaufb­aufonds Fortschrit­te erkennen lassen, darf Italien ruhig persönlich nehmen: Es ist jetzt keine Zeit für Machtspiel­e und Wahlkämpfe – jetzt muss geliefert werden. Auch in Rom.

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