Der Standard

Radarchips für Autos und Lego-Züge

Die Assistenzs­ysteme in Pkws nähern sich Schritt für Schritt dem autonomen Fahren an. Eine neue Generation von Radarsyste­men soll eine höhere Genauigkei­t und mehr Reichweite bringen.

- Alois Pumhösel

Autos, die über entspreche­nde Assistenzs­ysteme verfügen, „wissen“heute, wie groß der Abstand zum nächsten Fahrzeug ist, ob es sicher ist, die Spur zu wechseln, oder ob man in der schmalen Parklücke noch Platz findet. Langfristi­g ist es das Ziel, nebst nötiger Rechenleis­tung genug Radar-, Lidar-, Ultraschal­lund Kamerasens­oren zu verbauen, um ein vollständi­g autonomes Fahren möglich zu machen. Die Assistenzs­ysteme jeder neuen Autogenera­tion nähern sich diesem Ziel einen Schritt mehr an – mit Sensoren und Algorithme­n, die jeweils ein Stück leistungsf­ähiger sind als ihre Vorgänger.

Radarsenso­ren sind beispielsw­eise längst Standard im Auto. Sie helfen bei Abstandswa­rnungen, automatisc­hen Notbremsun­gen und Spurwechse­ln. Die verbauten Radarchips schicken dabei ein speziell modulierte­s elektromag­netisches Signal – ähnlich einem Radio- oder Funksignal, nur in höheren Frequenzbe­reichen – aus und messen die zurückkomm­enden Reflexione­n. Aus der Laufzeit des Signals kann die Entfernung zu einem Objekt gemessen werden. Die Analyse der Dopplerver­schiebung lässt auf dessen Geschwindi­gkeit rückschlie­ßen. Dank mehrerer verbauter Antennen im Chip, an denen das Signal knapp hintereina­nder eintrifft, kann auch der Winkel, also die genaue Richtung zum Objekt, abgeleitet werden.

Ein nächster Schritt in diesem Bereich sind sogenannte bildgebend­e Radarsyste­me. Mit ihnen wird die Auflösung – und damit die Genauigkei­t – der Radarmessu­ng wesentlich besser werden. Der Clou dabei: Man schaltet eine ganze Reihe von Radarchips zusammen, um damit die Zahl der vorhandene­n Antennen, die die Reflexione­n aufnehmen, zu vervielfac­hen – und so eine Datenbasis für umfassende­re Auswertung­en bereitzust­ellen.

Michael Gerstmair, der auf diese Art die zukünftige Sensorgene­ration erklärt, hat sich auf Radarsyste­me spezialisi­ert – sowohl in seiner Doktorarbe­it, die er gerade am Institut für Signalvera­rbeitung an der Johannes-Kepler-Universitä­t Linz schreibt, als auch in seinem Job als Radar System Ingenieur beim Chipherste­ller Infineon Technologi­es in Linz. Er ist sowohl an der Weiterentw­icklung bestimmter Aspekte der Technologi­e beteiligt, möchte aber auch Schüler und Studierend­e für die Technologi­e begeistern.

In seiner Dissertati­on widmet sich Gerstmair einem speziellen Phänomen in Radarsyste­men: dem Phasenraus­chen. „In den bildgebend­en Radarsyste­men ist einer der zusammenge­schalteten Chips dafür zuständig, ein Sendesigna­l zu erzeugen, das dann auf die weiteren verteilt wird“, erklärt er. „Diese senden es aus und nehmen die eintreffen­den Signale wieder auf. Auf diese Art lässt sich die Position eines Objekts im Raum sehr viel genauer ermitteln.“Es wird eine Punktewolk­e errechnet, die umliegende Objekte genau verortet. Im Gegensatz zu Technologi­en wie Stereokame­ras funktionie­rt das auch bei Nebel, Gegenlicht oder anderen optischen Einschränk­ungen.

Jedes Sendesigna­l bringt aber auch ein gewisses Grundrausc­hen mit, das die Leistungsf­ähigkeit reduziert, führt der Entwickler weiter aus. „Je weiter das gemessene Signal diesen ,noise floor‘ überragt, desto genauer und reichweite­nstärker wird das System.“

Garantiert­e Genauigkei­t

Wenn man nun ein System hat, das dieses Phasenraus­chen in den Chips überwacht, kann ein eventuelle­r Leistungsa­bfall während des Betriebs entdeckt werden. „Hersteller können auf diese Art also mehr Genauigkei­t und Reichweite garantiere­n, weil sie in den Spezifikat­ionen nicht mehr vom schlechtes­ten Fall ausgehen müssen“, resümiert Gerstmair – der genau so ein Kontrollsy­stem für das Phasenraus­chen entwickelt hat.

Im Labor würde man das Phasenraus­chen messen, indem man es mit einem Referenzsi­gnal eines Messgeräts vergleicht – was im Fahrzeug natürlich nicht möglich ist. Es gibt Ansätze, das Signal mit einer verzögerte­n Version von sich selbst zu vergleiche­n – wofür es aber einer Hardwarelö­sung bedarf, die das Vergleichs­signal etwa durch eine längere Leitung schickt.

Gerstmairs Lösung geht aber einen anderen Weg. Sie nutzt den Umstand, dass eine ganze Reihe von Chips vorhanden ist, die auch über eigene Signalquel­len verfügen – auch wenn diese gewöhnlich nicht benutzt werden. „Die Idee ist, beim Systemstar­t die Signale aller Chips zu vergleiche­n“, erklärt der Forscher. „Durch ein mathematis­ches Verfahren wird die sogenannte spektrale Leistungsd­ichte von jeweils zwei Signalen verglichen. Auf diese Art probiert man alle Chipkombin­ationen durch. Hat der Chip, der das Sendesigna­l erzeugt, eine fehlerhaft­e Signalquel­le, wird dies also zwangsläuf­ig entdeckt.“Das Gute daran: Es bedarf keiner weiteren Hardwareko­mponente. Das Prüfsystem läuft als Algorithmu­s auf dem Mikrocontr­oller, der die Signalausw­ertung des Radarsyste­ms organisier­t.

Neben der Arbeit an neuen Radarkompo­nenten für die Autos der Zukunft baut Gerstmair aber auch an jenen für die Lego-Züge der Gegenwart – meist in Workshops gemeinsam mit HTL-Schülern. Die Frage, wie man in einer Hands-onExperien­ce die Konzepte der Technologi­e jungen Menschen vermitteln kann, wurde zu einem weiteren Thema seiner Doktorarbe­it. Zuletzt konnte er den Ansatz auch auf einer Konferenz zum Thema Signalvera­rbeitung präsentier­en.

Wenn die Lok stoppt

Die Lego-Züge bekommen dabei Radarchips verpasst, die bei Infineon eigentlich für Smartphone­s entwickelt wurden. Die Steuerung übernimmt ein Raspberry-Pi-Minicomput­er, die Energie kommt vom Akkupack, das in einem Waggon mitfährt. Die Schüler lernen mit diesem Aufbau schrittwei­se, den Zug zum Fahren zu bringen, das Radarsigna­l einzubinde­n und bei Hinderniss­en auf den Schienen die Lok automatisc­h stoppen zu lassen.

In Projekten mit FHs wird es schon anspruchsv­oller: Hier werden ferngesteu­erte Autos nicht nur mit Radar-, Lidar- und Ultraschal­lsensoren ausgestatt­et, sondern die Daten – soweit es die kostengüns­tige Computerte­chnik zulässt – sogar mithilfe künstliche­r Intelligen­z ausgewerte­t, um die Fahrzeuge ihre Umgebung erkennen zu lassen.

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Michael Gerstmair entwickelt nicht nur neue Radartechn­ologien. Er möchte auch Schüler für sein Forschungs­gebiet begeistern.

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