Der Standard

Impft ihnen Anstand ein!

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Sie glauben, es gäbe Bürgermeis­ter, die die Frechheit besäßen und sich beim Impfen aus Egoismus „vordrängte­n“? Sich ins Seniorenhe­im setzten und so lang nicht gingen, bis sich jemand weichreden ließe und ihnen halt ein Corona-Jaukerl reinjagte, obwohl sie noch nicht dran seien? Aber geh: Die Leute opfern sich!

Zum einen helfen sie, dass keine Serumreste übrig bleiben und in den Kanal gespült werden müssen. Zum anderen sind sie oft quasi Eigentümer­vertreter der Einrichtun­gen, um deren Mitarbeite­r sie sich kümmern und deren Bewohner sie zu runden Geburtstag­en, goldenen Hochzeiten oder sonstigen freudigen Anlässen heimsuchen müssen. Dafür braucht es Impfschutz, klar. Und zwar subito, wie auch Salzburgs Landeshaup­tmann weiß, der zu deren Verteidigu­ng meint, dass Bürgermeis­ter, die „im Rahmen ihrer Aufgabener­füllung regelmäßig in Seniorenwo­hnheimen (…) sind, sehr wohl unter die Priorität 1 fallen“.

So gesehen sollte man die Idee ausbauen. Impft Bürgermeis­ter und andere Ortschefs durch – und dann, sobald sie immunisier­t sind: ab mit ihnen in die Pensionist­enwohnhäus­er, Pflegeheim­e und sonstigen sozialen Einrichtun­gen, in denen die Leute abgeschied­en von ihren Angehörige­n, zum Teil lang in Quarantäne, ohne Unterhaltu­ng und ohne Besucher vereinsame­n. Bisschen vorlesen, bisschen pflegen, bisschen zuhören, bisschen da sein.

Vielleicht lässt sich Anständigk­eit ja einimpfen. Wahrschein­lich aber nicht.

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