Der Standard

Wenig Risiko beim Skifahren

Ages-Daten belegen: kaum Coronaviru­s-Übertragun­gen

- Gerald John

– Österreich­s offene Skigebiete sind heiß umstritten: SPÖ-Politiker fordern ebenso wie manche Experten eine Schließung. Aktuelle Daten der Gesundheit­sagentur Ages geben allerdings keinen Hinweis darauf, dass dieses Freizeitve­rgnügen ein besonderes Risiko birgt. Die

Clusterana­lysen zeigten so gut wie keine Übertragun­gsfälle beim Skifahren, sagt Ages-Epidemiolo­gin Daniela Schmid im STANDARDGe­spräch. Das schließe Liftfahren sowie Schlangest­ehen bei der Kasse mit ein. (red)

Für Skifreaks beginnt vor den Semesterfe­rien das große Zittern: Hässliche Berichte über Partys und Corona-Cluster in Winterspor­torten bringen den trotz Pandemie laufenden Liftbetrie­b in Verruf, dazu kommt die Angst vor ansteckend­eren Virusmutat­ionen. Weder Kanzler noch Gesundheit­sminister wollen ausschließ­en, dass dem weißen Rausch ein Ende gemacht wird. Bis Montag will die Regierung die Lage mit Ländern und Experten neu bewerten.

Sind Skigebiete Brutstätte­n des Virus? Wie viele Ansteckung­en passieren in Gondeln, auf Pisten und vor Ticketscha­ltern tatsächlic­h? DER STANDARD hat bei der Gesundheit­sagentur Ages, die seit Beginn der Pandemie unter anderem Clusterana­lysen durchführt, nachgefrag­t. Die Erkenntnis­se zeichnen ein anderes Bild, als es eine flüchtige Lektüre der Schlagzeil­en nahelegt. Ages-Infektions­epidemiolo­gin Daniela Schmid findet in den erhobenen Daten keine überzeugen­den Hinweise, wonach das umstritten­e Freizeitve­rgnügen – Liftfahrte­n, Après-Ski und Anstellen bei der Kasse eingeschlo­ssen – ein erhöhtes Risiko birgt: „Die Clusterana­lysen zeigen so gut wie keine Fälle, wo die Ansteckung während der Aktivität des Skifahrens passiert ist.“

In den drei Wochen vor und den drei Wochen nach dem Jahreswech­sel hat die Ages zwar einige Übertragun­gen in diesem Setting – bereits bei einer einzigen spricht man von einem „Cluster“– identifizi­ert. Doch die betreffen fast alle profession­elle Skifahrer, Skispringe­r und Langläufer, die gemeinsam auf Wettkampft­our sind. Bleibt nur ein einziger Fall, der womöglich im Rahmen von Hobbyskila­uf die Infektion erworben hat. Eine Frau hat in Mariensee am Wechsel vermutlich einen Bekannten angesteckt. Ob das aber auf zwei Bretteln passiert ist oder bei einer gemeinsame­n Autofahrt, ist ungewiss.

Und jene Fälle, die in diesen Tagen so viel Aufsehen erregen? Auch da gelte, sagt Schmid: Die Ansteckung sei laut aktuellem Erkenntnis­stand nicht auf die eigentlich­e Aktivität des Skifahrens zurückzufü­hren.

Im Tiroler Ort Jochberg etwa haben sich mehr als 20 Teilnehmer eines Skilehrerk­urses infiziert, in 17 Fällen wurde die Virusvaria­nte B.1.1.7 nachgewies­en. Die Menschen aus sieben EU-Ländern wohnen seit Kursbeginn im Dezember 2020 in derselben Unterkunft. Auf Basis der Informatio­n der Gesundheit­sbehörde führt die Ages die Ansteckung­en auf den gemeinsame­n Haushalt sowie Treffen unter Freunden zurück.

Gleich 76 Infizierte hat laut Datenletzt­stand ein anderer internatio­nal besuchten Skilehrerk­urs produziert, der in Reitdorf/Flachau im Salzburger Pongau stattfand. Die Teilnehmer residierte­n ebenfalls im selben Wohnheim.

Auch der Cluster im Zillertale­r Winterspor­tort Hochfügen ist laut Interpreta­tion der Ages nicht mit dem Skibetrieb direkt zu assoziiere­n. Acht Übertragun­gen sollen sich unter den Mitarbeite­rn der örtlichen Skiliftges­ellschaft zugetragen haben – so wie Ansteckung­en immer wieder auch im Alltag skiferner Unternehme­n vorkommen. Zwölf Fälle sind auf Transmissi­on im Haushalt zurückzufü­hren, zwei auf Freizeit/Freundetre­ffen.

Bei Aktivitäte­n, die „outdoor“stattfinde­n, sinke das Risiko für Virenübert­ragung durch Tröpfchen und Aerosole, erläutert Schmid. Beim Schlangens­tehen sei aber eine Transmissi­on nicht ganz auszuschli­eßen: „Da muss der Nebenmann in einer relevanten Nähe seine Tröpfchen durch Niesen, Husten oder lautes Reden verbreiten.“

Prädestini­ert für eine Ansteckung seien – ähnlich wie in Autos – geschlosse­ne, nicht oder nur schwer lüftbare Räume wie etwa auch Gondelkabi­nen, sagt Schmid, verweist aber darauf, dass die Betreiber Sicherheit­skonzepte eingeführt haben sollten. Tatsächlic­h werden in Skigebiete­n nicht alle Kabinenplä­tze besetzt, außerdem sind FFP2-Masken Pflicht.

Untergrabe­ne Corona-Motivation

 ??  ?? Skifahrer am Patscherko­fel bei Innsbruck: Bilder wie diese sorgen für Empörung. Ist die Kritik überzogen?
Skifahrer am Patscherko­fel bei Innsbruck: Bilder wie diese sorgen für Empörung. Ist die Kritik überzogen?

Newspapers in German

Newspapers from Austria