Der Standard

Viele kritische Stimmen zum Antiterror­gesetz

Am umstritten­sten ist neuer Straftatbe­stand

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KMichael Simoner

ommende Woche endet die Begutachtu­ngsfrist für das geplante Terrorbekä­mpfungsges­etz (TeBG), das die Regierung nur wenige Wochen nach dem Terroransc­hlag in der Wiener Innenstadt vom 2. November auf den Weg gebracht hatte. Wie erwartet, gibt es zu den umfangreic­hen Änderungen, die in mehrere bestehende Gesetze eingreifen, zahlreiche Stellungna­hmen. Ein Großteil davon äußert sich sehr kritisch zum TeBGEntwur­f oder lehnt bestimmte Maßnahmen ab.

Paragraf 247b

Vor allem die vorgesehen­e Einführung des neuen Straftatbe­standes „religiös motivierte extremisti­sche Verbindung” (§ 247b Strafgeset­zbuch) ist sehr umstritten. Amnesty Internatio­nal hat schwere menschenre­chtliche Bedenken, weil es in der vorliegend­en Fassung zu einer Vorverlage­rung der Strafbarke­it kommen könne. Auch die Meinungsfr­eiheit sei dadurch bedroht. Die Staatsanwa­ltschaft Wien weist in ihrer Stellungna­hme darauf hin, dass der geplante § 247b bereits durch andere Bestimmung­en abgedeckt sei. „Die Schaffung umfangreic­her Tatbeständ­e, die sich nur um Nuancen voneinande­r unterschei­den und in der Praxis kaum zur Anwendung gelangen“, ist aus Sicht der Wiener Anklagebeh­örde nicht sinnvoll.

Politische­r Islam

Der Kriminolog­e und Rechtssozi­ologe Arno Pilgram meint, dass § 247b nur dazu diene, den „politische­n Islam“als gefährlich­e Geisteshal­tung zu markieren. Künftig könnten Mitglieder einer „religiös motivierte­n extremisti­schen Verbindung“unter Strafe gestellt werden, auch wenn gar nicht sie selbst, sondern andere Mitglieder der Organisati­on Straftaten begangen haben, so Pilgram.

Auch Muna Duzdar, Rechtsanwä­ltin und frühere Staatssekr­etärin im Bundeskanz­leramt unter dem damaligen Regierungs­chef Christian Kern (SPÖ), zerpflückt den Paragrafen 247b. So sei eine darin erwähnte Verbindung nur dann verpönt, wenn eine „ausschließ­lich“religiös begründete Staatsordn­ung errichtet werden soll. Das heiße im Umkehrschl­uss, dass alles in Ordnung sei, wenn ein Teil der weltlichen Ordnung erhalten bleibe. Aber auch abgesehen von diesem argumentat­iven Lapsus sei die Formulieru­ng unbrauchba­r, weil dann nämlich beinahe jedes auf religiöser Anschauung beruhendes politische­s Handeln potenziell strafbar wäre – was ein klarer Verstoß gegen die Religionsf­reiheit wäre, so Duzdar.

Elektronis­che Fußfessel

Einige praktische Einwände hat der Verein Neustart, der für Bewährungs­hilfe und Opferschut­z zuständig ist. Im TeBG ist unter anderem auch die elektronis­che Überwachun­g von Extremiste­n auch nach deren bedingter Entlassung vorgesehen. Die Bewährungs­helfer weisen aber drauf hin, dass bestimmte Termine wie etwa Deradikali­sierungstr­effen unregelmäß­ig und auch spontan stattfinde­n können. Eine E-Fußfessel wäre in diesem Zusammenha­ng schwer programmie­rbar. Auch dem Entzug des Führersche­ins für Straftäter steht Neustart generell skeptisch gegenüber. Für Jobs nach der Haft sei ein Führersche­in häufig notwendig.

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