Der Standard

Schwere Vorwürfe gegen die Justiz in Agentencau­sa

Bedrohte Politiker verlangen, dass der Fall um Grünen-Politikeri­n Aslan im Parlament aufgeklärt wird

- Jan Michael Marchart

Zum Jahreswech­sel kam in der Agentencau­sa rund um die kurdischst­ämmige GrünenPoli­tikerin Berîvan Aslan einiges in Bewegung. Jedoch nichts, was Aslan Gewissheit bringen könnte.

Ein angebliche Ex-Agent des türkischen Geheimdien­stes MIT gab der österreich­ischen Polizei vergangene­n September zu Protokoll, dass er den Auftrag habe, Aslan zu töten oder zumindest zu verletzen. Der Mann wurde zum Jahreswech­sel aus der Untersuchu­ngshaft in Österreich entlassen. Kurz darauf schob man den italienisc­hen Staatsbürg­er mit türkischen Wurzeln nach Italien ab. Laut der britischen Tageszeitu­ng Telegraph soll er sich inzwischen in Nordafrika aufhalten.

Am Mittwochvo­rmittag trat Aslan gemeinsam mit dem Ex-Grünen Peter Pilz und dem roten EU-Abgeordnet­en Andreas Schieder an die Öffentlich­keit. Die Namen der beiden sollen bei der Einvernahm­e des Verdächtig­en ebenso gefallen sein.

Aslan zeigte sich „schockiert“über die Art und Weise, wie die Causa

behördlich behandelt wird. Bis vor kurzem war selbst für sie der Akt unter Verschluss. Sie hätte den Attentäter also gar nicht erkannt, da sie bis vor kurzem gar kein Foto von ihm gesehen habe, erzählte sie.

Der Spion hebt nicht ab

Aus Aslans Sicht sei der Geständige kein großer Lügner, alle Kontaktper­sonen, die er angegeben habe, seien auch verifizier­t worden. Das Umfeld des angebliche­n Spions weise teils eine Nähe zu den rechtsextr­emen Grauen Wölfen auf. Unverständ­lich ist für Aslan daher, dass der Geständige kurz vor seinem Strafverfa­hren ins Ausland abgeschobe­n und ihm damit die Möglichkei­t gegeben wurde abzutauche­n.

Aus der U-Haft entlassen wurde er, weil auch nach Meinung der Staatsanwa­ltschaft nicht mehr die Verhältnis­mäßigkeit gegeben war. Es hätte aus Aslans Sicht aber zig gelindere Mittel gegeben, um den Mann in Österreich zu halten. Aslan verlangt eine parlamenta­rische Untersuchu­ng dieser Causa. Die Bundesgrün­en wollen eine parlamenta­rische Anfrage einbringen.

Hier schloss Zackzack-Gründer Pilz an. Er wollte den mutmaßlich­en Agenten am Mittwoch erreichen, was aber scheiterte. Pilz geht davon aus, dass er sich auf der Flucht befindet und gegen seinen Willen abgeschobe­n wurde. „Wer dermaßen gegen den Erdoğan-Geheimdien­st aussagt, ist gefährdet“, meinte der Ex-Politiker.

Für Pilz stellt sich angesichts dessen, wie die Causa verlaufen ist, die Frage, ob das Justizmini­sterium mit den Ressorts Inneres und Äußeres als Komplize eines „ausländisc­hen terroristi­schen Regimes“agiert hat – er ortet einen Justizskan­dal.

Für Kopfschütt­eln sorgt bei Pilz auch, dass dem angebliche­n ExAgenten nur noch der Nachrichte­ndienst für einen fremden Staat zur Last gelegt wird und die Vorbereitu­ng zum Mord praktisch verschwund­en ist, obwohl der Verdächtig­e das gestanden hat. Wenn diese Causa nicht parlamenta­risch untersucht werde, sei das eine Einladung an potenziell­e Attentäter solcher Regime, weil sie „im schlimmste­n Fall, wenn sie es nicht schaffen, abgeschobe­n werden“, poltert Pilz.

Erste Signale

Schieder erfuhr im Spätherbst von Pilz, dass auch sein Name in der Causa gefallen ist. Aus seiner Sicht hätten die Behörden schon viel früher hinsehen müssen. Denn Aslan, Pilz und er selbst tauchten bereits in einem Bericht der Erdoğan-nahen Seta-Stiftung auf, deren Hauptsitz sich in Ankara befindet. Darin wird den Politikern eine Nähe zur Arbeiterpa­rtei Kurdistans (PKK) attestiert, die in der Türkei als Terrororga­nisation angesehen wird. In Österreich sind zumindest die Symbole der PKK verboten.

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Foto: APA / Barbara Gindl Verlangt volle Aufklärung: Grünen-Politikeri­n Aslan.

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