Schwere Vorwürfe gegen die Justiz in Agentencausa
Bedrohte Politiker verlangen, dass der Fall um Grünen-Politikerin Aslan im Parlament aufgeklärt wird
Zum Jahreswechsel kam in der Agentencausa rund um die kurdischstämmige GrünenPolitikerin Berîvan Aslan einiges in Bewegung. Jedoch nichts, was Aslan Gewissheit bringen könnte.
Ein angebliche Ex-Agent des türkischen Geheimdienstes MIT gab der österreichischen Polizei vergangenen September zu Protokoll, dass er den Auftrag habe, Aslan zu töten oder zumindest zu verletzen. Der Mann wurde zum Jahreswechsel aus der Untersuchungshaft in Österreich entlassen. Kurz darauf schob man den italienischen Staatsbürger mit türkischen Wurzeln nach Italien ab. Laut der britischen Tageszeitung Telegraph soll er sich inzwischen in Nordafrika aufhalten.
Am Mittwochvormittag trat Aslan gemeinsam mit dem Ex-Grünen Peter Pilz und dem roten EU-Abgeordneten Andreas Schieder an die Öffentlichkeit. Die Namen der beiden sollen bei der Einvernahme des Verdächtigen ebenso gefallen sein.
Aslan zeigte sich „schockiert“über die Art und Weise, wie die Causa
behördlich behandelt wird. Bis vor kurzem war selbst für sie der Akt unter Verschluss. Sie hätte den Attentäter also gar nicht erkannt, da sie bis vor kurzem gar kein Foto von ihm gesehen habe, erzählte sie.
Der Spion hebt nicht ab
Aus Aslans Sicht sei der Geständige kein großer Lügner, alle Kontaktpersonen, die er angegeben habe, seien auch verifiziert worden. Das Umfeld des angeblichen Spions weise teils eine Nähe zu den rechtsextremen Grauen Wölfen auf. Unverständlich ist für Aslan daher, dass der Geständige kurz vor seinem Strafverfahren ins Ausland abgeschoben und ihm damit die Möglichkeit gegeben wurde abzutauchen.
Aus der U-Haft entlassen wurde er, weil auch nach Meinung der Staatsanwaltschaft nicht mehr die Verhältnismäßigkeit gegeben war. Es hätte aus Aslans Sicht aber zig gelindere Mittel gegeben, um den Mann in Österreich zu halten. Aslan verlangt eine parlamentarische Untersuchung dieser Causa. Die Bundesgrünen wollen eine parlamentarische Anfrage einbringen.
Hier schloss Zackzack-Gründer Pilz an. Er wollte den mutmaßlichen Agenten am Mittwoch erreichen, was aber scheiterte. Pilz geht davon aus, dass er sich auf der Flucht befindet und gegen seinen Willen abgeschoben wurde. „Wer dermaßen gegen den Erdoğan-Geheimdienst aussagt, ist gefährdet“, meinte der Ex-Politiker.
Für Pilz stellt sich angesichts dessen, wie die Causa verlaufen ist, die Frage, ob das Justizministerium mit den Ressorts Inneres und Äußeres als Komplize eines „ausländischen terroristischen Regimes“agiert hat – er ortet einen Justizskandal.
Für Kopfschütteln sorgt bei Pilz auch, dass dem angeblichen ExAgenten nur noch der Nachrichtendienst für einen fremden Staat zur Last gelegt wird und die Vorbereitung zum Mord praktisch verschwunden ist, obwohl der Verdächtige das gestanden hat. Wenn diese Causa nicht parlamentarisch untersucht werde, sei das eine Einladung an potenzielle Attentäter solcher Regime, weil sie „im schlimmsten Fall, wenn sie es nicht schaffen, abgeschoben werden“, poltert Pilz.
Erste Signale
Schieder erfuhr im Spätherbst von Pilz, dass auch sein Name in der Causa gefallen ist. Aus seiner Sicht hätten die Behörden schon viel früher hinsehen müssen. Denn Aslan, Pilz und er selbst tauchten bereits in einem Bericht der Erdoğan-nahen Seta-Stiftung auf, deren Hauptsitz sich in Ankara befindet. Darin wird den Politikern eine Nähe zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) attestiert, die in der Türkei als Terrororganisation angesehen wird. In Österreich sind zumindest die Symbole der PKK verboten.