Der Standard

Eiertanz um Herkunftsk­ennzeichnu­ng

Die Österreich­er sollen bald mehr über den Ursprung ihrer Lebensmitt­el erfahren. Der Kampf um Transparen­z wird zu einem politische­n Ringelspie­l. Gastronomi­e, Handel und Industrie werfen sich gegenseiti­g den Ball zu.

- Verena Kainrath

In die Herkunftsk­ennzeichnu­ng von Rohstoffen in Lebensmitt­eln kommt politisch Bewegung. Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) hat einen Verordnung­sentwurf vorgelegt. Sein Ziel ist es, zumindest bei Rindfleisc­h und Eiern künftig mehr Transparen­z zu schaffen. Wo genau, darüber tun sich innerhalb der Parteien und Interessen­vertreter aber tiefe Gräben auf.

Anschober will im ersten Schritt die Gemeinscha­ftsverpfle­ger in die Pflicht nehmen. Sie sollen die Herkunft von Rind und Ei auf ihren Menüplänen noch heuer klar deklariere­n müssen. In ihre Reihen fallen EU-rechtlich aus Sicht seines Ministeriu­ms ganz klar auch die Wirte.

VP-Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger betont hingegen, sich an die Vereinbaru­ng im Regierungs­programm zu halten. Und dort sei die Gastronomi­e von dieser Verpflicht­ung ausgeklamm­ert.

Mario Pulker, Branchenob­mann in der Wirtschaft­skammer, nennt den Zwang zur Kennzeichn­ung ein

„absolutes No-Go“. Er sei für Freiwillig­keit, aber keinesfall­s für gesetzlich­e Regelungen. Bevor Wirten mehr Bürokratie aufgeladen werde, gehörten erst einmal staatsnahe Bereiche wie Krankenhäu­ser und Kasernen zur Verantwort­ung gezogen, die weiter günstig im Ausland kauften.

Köstinger will daher im Interesse der Bauern die neuen Vorgaben vorerst weniger von der privaten Gastronomi­e als von Produzente­n umgesetzt wissen. Demnach sollen Ei und Rind als Hauptzutat auch in verarbeite­ten Lebensmitt­eln ausgezeich­net werden. Dafür braucht es Rückendeck­ung aus dem Lebensmitt­elhandel, und dieser ist selbst Österreich­s größter Fleischver­arbeiter.

„Sollbruchs­tellen“

Supermarkt­riesen haben der Politik stets signalisie­rt, dass sie nur mitziehen, wenn die Wirte vorangehen, da es in deren Küchen weniger Transparen­z gebe als in ihren Regalen. Aus Kostengrün­den kein Interesse an detaillier­ten Angaben hat

traditione­ll die Industrie. Sie warnt vor Wettbewerb­sverzerrun­g bei nationalen Alleingäng­en. Womit sich der Kreis schließt. Beobachter wie Sebastian Bohrn Mena, Initiator des Tierschutz­volksbegeh­rens, sprechen von „perfidem Ringelspie­l“und „bewussten Sollbruchs­tellen“.

Harter Zankapfel bleibt auch die Frage der Kontrolle. Sie fällt in die Zuständigk­eit des Gesundheit­sministers und der Landeshaup­tleute. Die Branche ist sich einig, dass bisherige Ressourcen dafür nicht reichen. Die Politik verkaufe was, ohne den dafür nötigen Kontrollap­parat geschaffen zu haben, klagen Kritiker. Geprüft werde alles rund um Lebensmitt­elsicherhe­it und Rezepturen, der Ursprung der Rohstoffe habe die Behörden bisher aber kaum interessie­rt, was sich nun räche.

Der Europarech­tsexperte Walter Obwexer, der ein Gutachten für Gesundheit­sund Landwirtsc­haftsminis­terium erstellt hat, rät Österreich jedenfalls zu zweigleisi­gem Vorgehen. Bei der Kennzeichn­ung von Ei,

Rind, Obst und Gemüse in Gemeinscha­ftsverpfle­gung und verarbeite­ten Nahrungsmi­tteln sieht er Spielraum für nationale Regelungen. Bei Rohstoffen rund um Schwein und Geflügel könne Österreich nur auf die EU-Kommission einwirken, um Regeln zu ändern, resümiert er.

Hier greift derzeit die Primärzuta­tenverordn­ung aus dem Jahr 2018. Diese verpflicht­et zur Angabe des Ursprungs der wichtigste­n Bestandtei­le eines Lebensmitt­els, sobald es nationale Herkunft suggeriert. Wobei dabei kein spezifisch­es Land genannt werden muss. Es reicht auch der Vermerk: EU oder Nicht-EU.

Chance statt Bürde?

Um Wirte von der Pflicht des Nachweises zu entbinden, brauche Österreich sachlich gute Gründe, sagt Obwexer. Eine aus seiner Sicht mögliche Argumentat­ion in deren Sinne: Für Konsumente­n sei es einfacher, die Herkunft von Fleisch und Eiern im Gasthaus in Erfahrung zu bringen als in Krankenhäu­sern und großen Kantinen. Anschober sieht die Kennzeichn­ung in der Gastronomi­e hingegen als Chance für Betriebe, zumal Konsumente­n zusehends bereit seien, für Lebensmitt­el aus der Region mehr Geld auszugeben.

Zuspruch aus seinen Reihen erfahren auch Debatten in der Landwirtsc­haft über eine Erweiterun­g des AMA-Gütesiegel­s: Gentechnik habe in Futtermitt­eln für österreich­ische Nutztiere ebenso wenig verloren wie der umstritten­e Unkrautver­nichter Glyphosat. Die Gentechnik spielt hierzuland­e vor allem bei importiert­em Regenwalds­oja für Schweine eine gewichtige Rolle.

„Wenn schon über mehr Transparen­z bei uns Wirten diskutiert wird, dann gehört auch offengeleg­t, was die Bauern an ihre Tiere verfüttern“, fordert Pulker. „Wo kommen denn die Futtermitt­el her? Und was genau ist der Unterschie­d zwischen einem Schwein, das in Österreich auf Vollspalte­nböden aufwächst, und einem aus Deutschlan­d?“

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In frischen Eiern steckt hierzuland­e fast ausschließ­lich Österreich. Industrie und Wirte bedienen sich der Importe. Foto: Reuters

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