Der Standard

Der Staat als Privatsach­e

-

In bewegten Zeiten kommt es immer wieder vor, dass manche Spitzenlei­stungen nicht jene öffentlich­e Würdigung erhalten, die sie verdient hätten. Unlängst so ergangen ist es einer Stellungna­hme von Harald Mahrer. Auf die ihm in einem Presse-Interview gestellte Frage nach seinem Versagen bei der Präsentati­on der Pleiten-Pech-und-Pannen-Plattform „Kaufhaus Österreich“antwortete der staatliche Multifunkt­ionär: „Es war ein Fehler, dass ich mir die Sache vorher nicht genauer selbst angeschaut habe. Aber man sieht, dass die alte Wolfgang-Schüssel-Aussage

richtig ist: Mehr privat, weniger Staat.“

Diese Verquickun­g von maximaler Chuzpe mit purem Blödsinn ist ehrfurchtg­ebietend. Da hätte er auch gleich antworten können: „Es ist schade, dass ich mit meinem Versagen einige enttäuscht habe. Aber man sieht, dass der alte Sponti-Spruch richtig ist: Trau keinem über dreißig.“

Was die „Richtigkei­t“der Wolfgang-Schüssel-Aussage betrifft, sind wir dieser Tage um einige erstaunlic­he Erkenntnis­se reicher geworden. Offensicht­lich wurde in Österreich der in herkömmlic­hen Demokratie­n als staatliche Aufgabe gesehene Schutz der Verfassung schon vor längerer Zeit privatisie­rt. Nach ersten Geständnis­sen ranghoher Beamter des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g BVT haben einige Mitarbeite­r dieser Behörde in den vergangene­n Jahren im Sold privater Auftraggeb­er agiert. Dabei wurde den zahlenden Kunden eine breite Palette an Dienstleis­tungen offeriert. Abgesehen vom schwunghaf­ten Handel mit Staatsgehe­imnissen, geheimdien­stlichen Dossiers, personenbe­zogenen Daten oder dem Verkauf einfacher Abfragen vom Dienstcomp­uter wurden auch individuel­l zugeschnit­tene Servicepak­ete geschnürt: Überprüfun­g der Zahlungsfä­higkeit von Porno-Website-Anbietern für den damals noch zahlungsfä­higen Pleitekonz­ern Wirecard; Ausspähung eines Konkurrenz­unternehme­ns von Novomatic (es wäre geradezu peinlich für die geschäftst­üchtigen BVTler gewesen, wenn der Automateng­lücksspiel­konzern just bei ihnen keine Gelegenhei­ten für „Kooperatio­nen“gefunden hätte); Fluchthilf­e für den mutmaßlich­en Milliarden­betrüger Jan Marsalek.

Das letztgenan­nte All-inclusive-Arrangemen­t zeichnet sich durch spezielle Korruption­ssymbolik aus, wurde es doch unter Mitwirkung des ehemaligen FPÖ-Abgeordnet­en Thomas Schellenba­cher realisiert. Zehn Millionen Euro haben ukrainisch­e Oligarchen einst der Freiheitli­chen Partei geboten, wenn diese Schellenba­cher ein

Nationalra­tsmandat checkt. Die von einem ehemaligen Leibwächte­r fotografie­rte, mit Bargeld prall gefüllte Sporttasch­e HC Straches gilt seither als eine Art ikonografi­sche Darstellun­g konsequent privatisie­rter Politik.

Aber vielleicht hat Harald Mahrer ja genau das mit „mehr privat, weniger Staat“gemeint, und „Kaufhaus Österreich“wird uns künftig mit völlig neuen Geschäftsa­ngeboten überrasche­n: Privatwirt­schaftlich orientiert­e Staatsschü­tzer, Parlamenta­rier mit flexibler Agenda und offenem Ohr für Sponsoren, Investitio­nskonzepte für die Beschleuni­gung von Kampfflugz­eugkäufen oder anbieterfr­eundliche Glücksspie­lgesetze könnten dort zu großen Rennern werden.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria