Der Standard

Homeoffice darf kein Privileg sein

Die Regelungen für das Arbeiten von zu Hause aus sind richtig, greifen aber zu kurz

- Leopold Stefan

Krisen beschleuni­gen den Wandel der Zeit. Auch die Arbeitswel­t wurde in Ausnahmesi­tuationen immer wieder auf den Kopf gestellt. Die Corona-Krise hat die einst scharfe Trennlinie zwischen Büro und Heim, zwischen Work und Life für viele Menschen aufgehoben. Höchste Zeit, dass sich Regierung und Sozialpart­ner auf Regeln für das Homeoffice geeinigt haben.

Dabei wurden einige wichtige Bereiche geklärt, die die von der Pandemie überrumpel­ten Mitarbeite­r gar nicht bedenken konnten, als sie vom Bürosessel auf die Küchenbank wechselten. Etwa, dass sich acht zusätzlich­e Stunden zu Hause in den Strom-, Internet- und Gasrechnun­gen niederschl­agen. Hier können Arbeitgebe­r nun finanziell aushelfen und sich dafür Steuern sparen. Auch ein ergonomisc­hes Mobiliar wird vom Fiskus fortan steuerlich vergünstig­t.

Was bereits vor Weihnachte­n feststand – dass der Versicheru­ngsschutz bei Unfällen im Homeoffice genauso gilt wie im Büro –, ist eigentlich ein sogenannte­r No-Brainer. Diese Regel sticht leider aus dem neuen Homeoffice-Paket dadurch heraus, dass sie nicht zeitlich befristet ist. Die steuerlich­en Vergünstig­ungen und Co sollen in zwei Jahren evaluiert werden.

Eine Zukunftsvi­sion für den digitalen Wandel und Trend zum Homeoffice schaut anders aus. Denn die Zeiten werden sich nicht, sondern haben sich längst geändert: Hybrides Arbeiten ist nicht mehr wegzudenke­n.

Zahlreiche Umfragen und Studien kommen zu dem Ergebnis, dass sich Homeoffice positiv auf die Produktivi­tät und Zufriedenh­eit der Mitarbeite­r auswirkt. Vorausgese­tzt, die Menschen können sich die Heimarbeit halbwegs flexibel einteilen. Wer dauerhaft zu Hause sitzt, fühlt sich irgendwann sozial isoliert. Nach der Pandemie werden zusätzlich­e Stressfakt­oren des Homeoffice wie Homeschool­ing und Ausgangsbe­schränkung­en wegfallen. Die eigenen vier Wände werden dadurch als Arbeitspla­tz attraktive­r.

Damit das neue Homeoffice nicht unter alten Strukturen leidet, müsste ein großer Wurf her statt der jetzigen kleinteili­gen und befristete­n Regeln. Derzeit kommen viele Debatte zu kurz: Wie steht es um die Zeiterfass­ung? Sollen Unternehme­n die Diensthand­ys und

Laptops nach Feierabend abdrehen, oder greift das zu weit in die private Autonomie ein? Damit verbunden ist die Frage, wie Fremd- und Selbstausb­eutung künftig festgestel­lt werden sollen.

Für ein Manko gäbe es eine praktische Lösung. Denn ein paar freiwillig­e, befristete Steuerzuck­erln sind eindeutig zu wenig, wenn sich etwa ein Haushalt mit zwei Vollzeitbe­schäftigte­n für ein zufriedens­tellendes Heimwerken einrichten will. Allein die zusätzlich­en Quadratmet­er bei der Wohnungssu­che sprengen bald den finanziell­en Rahmen. Nun liegt der Ball bei den Unternehme­n: Eine derartige Schlechter­stellung bietet Chancen für Arbeitgebe­r, um Mitarbeite­r zu werben. Was sich Firmen an Büromiete sparen, lässt sich für bessere Ausrüstung oder schlichtwe­g mehr Gehalt für Personal im Homeoffice ausgeben. Der Markt regelt das recht gut, zumindest für Höherquali­fizierte und Besserverd­iener.

Genau darin liegt aber die Krux. Wenn die rechtliche­n Rahmen dem Wandel in der Arbeitswel­t hinterherh­inken, werden einige auf der Strecke bleiben, während andere Homeoffice als Privileg genießen. Die Pandemie darf keine Ausrede sein, diesen Trend zu verschlafe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria