Seegerichtshof spricht Chagos-Inseln Mauritius zu
Großbritannien will British Indian Ocean Territory mit der Militärbasis Diego Garcia nicht übergeben
Großbritannien muss im Fall des umstrittenen Chagos-Archipels im Indischen Ozean eine weitere juristische Niederlage hinnehmen. Der Internationale Seegerichtshof der Vereinten Nationen (ITLOS) in Hamburg entschied am Donnerstag, dass Großbritannien keine Souveränität über die Inselgruppe zusteht. Damit wird eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs (International Court of Justice, ICJ) in Den Haag von Februar 2019 bestätigt.
Diesem Urteil folgend kritisierten die ITLOS-Richter London für das beharrliche Ignorieren des Spruchs, der eine Übergabe bis Ende 2019 verlangte. Auch die UN-Generalversammlung hatte sich bereits im Mai 2019 mit 116 zu sechs Stimmen für eine Rückgabe der Inseln an Mauritius ausgesprochen.
Londons Außenministerium erklärte als Reaktion auf das Urteil, den Anspruch Mauritius’ nicht anzuerkennen. Das von Großbritannien
als British Indian Ocean Territory (BIOT) verwaltete Gebiet unterstehe seit 1814 der britischen Souveränität. Erst 1965 wurde das BIOT aus der Kolonialverwaltung von Mauritius herausgelöst, das bald darauf im Jahr 1968 in die Unabhängigkeit entlassen wurde.
USA unter Druck
Der mauritische Premierminister Pravind Kumar Jugnauth begrüßte das ITLOS- Urteil, das die Inseln klar und eindeutig Mauritius zuspreche. London müsse die „rechtswidrige Besetzung“beenden. Mauritius hatte sich an das Seegericht gewandt, um den Verlauf der Seegrenzen zum nördlichen Nachbarn, den Malediven, zu klären. Diese hatten vorgebracht, dass die Frage nicht zu lösen sei, solange der Status der ChagosInseln umstritten ist. Schon im ICJSpruch wurde festgehalten, dass London gegen das Völkerrecht verstoße und den Prozess der Entkolonialisierung abschließen müsse.
Mit dem neuerlichen Urteil wird auch der Druck auf die neue US-Regierung
in Washington erhöht, für die strategisch wichtige Militärbasis Diego Garcia auf der gleichnamigen Hauptinsel des Archipels eine rechtlich haltbare Grundlage zu schaffen. Mauritius hat bereits signalisiert, dass die Bereitschaft zu einem langfristigen Pachtvertrag mit den USA bestehe. Man sei zur Aufrechterhaltung der Basis verpflichtet, erklärte Jugnauth nach dem ITLOS-Urteil.
Für die Errichtung der Basis waren die Îlois genannten Einwohner der Atolle zwischen 1967 und 1973 vertrieben und schließlich nach Mauritius und auf die Seychellen deportiert worden. Die Chagossianer stammen von madagassischen und mosambikanischen Plantagenarbeitern ab, die Ende des 18. Jahrhunderts von der französischen Kolonialmacht auf den zuvor unbesiedelten, abgelegenen Inseln angesiedelt wurden. Seit Generationen kämpfen die Îlois um die Rückkehr und Entschädigungszahlungen.
Auf Mauritius leben heute rund 8000 Chagossianer, auch in Großbritannien und auf den Seychellen gibt es größere Gemeinschaften. Erst in der jüngeren Vergangenheit wurden einigen kurze Besuche auf der Chagos-Insel Peros Banhos ermöglicht.
Die Îlois hoffen insbesondere auf die neue US-Regierung unter Joe Biden. Im Oktober waren sie noch abgeblitzt: Das Eingehen auf ihre Forderungen sei nicht im Interesse der US-Regierung, wurde ihnen beschieden. Der Anwalt Jonathan Levy, der in den USA die Interessen der Vertriebenen vertritt, plant einen neuen Vorstoß, um für seine Mandanten eine Entschädigung für das über fünfzig Jahre erlittene Unrecht zu erreichen. „Die neue Biden-Regierung will die US-Außenpolitik ändern, und der Chagos-Archipel ist ein guter Anfangspunkt, indem die Ansprüche der Chagossianer auf ihr Eigentum und ihr Land anerkannt werden und sie in Anbetracht des enormen Werts, den die mietfreie Nutzung Diego Garcias den USA für die vergangenen fünf Jahrzehnte gebracht hat, eine kleine finanzielle Entschädigung erhalten“, erklärte Levy Ende Dezember.