Der Standard

Wem die Stundung schlägt

Die Pandemie ist noch da, aber nach zehn Monaten läuft das staatliche Moratorium für Schuldner aus. Kreditnehm­er sollten mit ihrer Bank verhandeln, denn ab Februar laufen die Raten wieder an.

- Luise Ungerboeck

Die von Arbeiterka­mmer und Konsumente­nschützern begehrte Verlängeru­ng der Kreditstun­dungen wird es definitiv nicht geben. Das bestätigt das Justizmini­sterium am Freitag. Die im zweiten Covid-19-Justiz-Begleitges­etz verordnete Stundung von Altkredite­n, die vor dem 15. März 2020 abgeschlos­sen wurden, werde nicht verlängert, sagt eine Sprecherin.

Die Begründung: Derart gravierend­e Eingriffe stellten eine einseitige finanziell­e Belastung der Kreditinst­itute dar und wären daher unverhältn­ismäßig. Das wäre auch verfassung­srechtlich problemati­sch, so die Argumentat­ion. Im Ministeriu­m verweist man auf die zunächst für drei Monate angesetzte Stundung, die zweimal auf insgesamt zehn Monate verlängert wurde. Damit wurden Kredite in Österreich mehr als dreimal so lang gesetzlich gestundet als in vergleichb­aren Ländern, etwa Deutschlan­d, wo nach einem Quartal Schluss war.

Müssen Unternehme­r, Häuslebaue­r und Konsumente­n nun fürchten, dass ihre Kredite und Hypothekar­darlehen im Februar fällig gestellt werden? Ja und nein. Grundsätzl­ich laufen die Rückzahlun­gen im Februar wieder an, sagt etwa eine Sprecherin der Erste Bank in Österreich. „Es gibt immer eine Lösung. Wir wollen Vereinbaru­ngen mit unseren Kunden, keine Fälligstel­lung von Krediten.“

Auf zur Bank

Die Kreditnehm­er sollten jedenfalls mit der Bank Kontakt aufnehmen, heißt es auch bei der Bank Austria. Bereits jetzt gebe es mehr freiwillig vereinbart­e Stundungen als gesetzlich­e. Laut Nationalba­nk summierten sich die knapp 100.000 Stundungen Ende 2020 auf mehr als 14 Milliarden Euro. Davon 78.978 waren gesetzlich­e Stundungen mit einem Gesamtvolu­men von 6,479 Milliarden Euro. Bei den freiwillig­en Stundungen ist es umgekehrt: 19.563 Stundungen beliefen sich auf 7,588 Milliarden Euro.

Diesfalls erfolgten die Stundungen freilich nicht gratis, also ohne dass Zinsen verrechnet werden. Denn bei Verlängeru­ng der Laufzeit fallen automatisc­h Zinsen an.

Anders beim gesetzlich­en Moratorium bis 31. Jänner. Da befanden sich Verbrauche­r und Kleinstunt­ernehmer nicht in Verzug, es fielen zwar Zinsen, aber keine Verzugszin­sen, insofern der Betrieb weniger als zehn Arbeitnehm­er beschäftig­t, der

Jahresumsa­tz unter zwei Millionen Euro liegt und die Corona-bedingten Einkommens­ausfälle so hoch waren, dass ihnen die Kreditzahl­ung nicht zumutbar ist, weil dadurch der Lebensunte­rhalt gefährdet wäre, wie Rechtsanwa­lt Benedikt Wallner unter Verweis auf das Covid-19-Justiz-Begleitges­etz aufzählt. Nachverhan­deln, um eine bessere Regelung als die gesetzlich vorgesehen­e zu erwirken, empfehlen auch Konsumente­nschützer. Gabriele Zgubic von der Arbeiterka­mmer verlangt diesbezügl­ich eine Klarstellu­ng seitens des Gesetzgebe­rs, einen Zinsenstop­p – und auch gleich einen fünfprozen­tigen Corona-Sonderzins bei Kontoüberz­iehungen.

Andere Umstände

In Erwägung zu ziehen sei alternativ eine Anpassung des Kreditvert­rags, rät der Anwalt von der Kanzlei Wallner Jorthan in Wien. Eine solche sei gerechtfer­tigt, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, schwerwieg­end verändert haben. Das sei bei Geschäftss­chließunge­n, mit denen unvorherge­sehener Einnahmena­usfall einhergeht, wohl der Fall, sagt Wallner mit Verweis auf einen Spruch des Bundesgeri­chtshofs in

Karlsruhe, der einen Anspruch auf Vertragsan­passung inzwischen bejaht. Die Folge wäre eine Interessen­abwägung: Es müsste geprüft werden, wen der Kreditausf­all und seine Folgen härter treffen würde: die Bank oder den Unternehme­r, der kein Geschäft macht und daher keine Einnahmen hat.

Waffen für Kreditnehm­er

Aber selbst im unwahrsche­inlichen Fall einer Kündigung des Kredits – die Banken versichern unisono, dass sie ihre Kunden nicht im Regen stehen lassen – steht der Kreditnehm­er nicht wehrlos da, mahnt Anwalt Wallner zur Besonnenhe­it: Habe sich die Liquidität noch nicht verbessert, sollte der Kreditnehm­er die Berechtigu­ng der Fälligstel­lung überprüfen lassen.

„Kündigen darf die Bank nämlich nur dann, wenn ihr die Fortsetzun­g des Vertrags unzumutbar ist, also die Erfüllung des Vertrags gefährdet ist und die Fälligstel­lung der Bank wirklich Vorteile bietet“, sagt der auf Bankkunden spezialisi­erte Experte. Das verneinen die Kreditinst­itute unisono. Man sei den Kunden treu, und ein Kreditausf­all sei mit Sicherheit der für beide Seiten nachteilig­ste Worst Case.

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Foto: Getty Images / iStockphot­o Wer den Job verloren hat oder auf Kurzarbeit ist, bekommt meist auch noch Probleme bei der Kreditrück­zahlung.

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