Der Standard

Geburt unter Ängsten

Eigentlich sollte die Schwangers­chaft eine schöne Phase sein. Doch die Pandemie führt zu Verunsiche­rung und neuen Ängsten bei werdenden Müttern. Dazu kommt das belastende Gefühl, auch nach der Geburt weitgehend allein zu sein.

- Nadja Kupsa

Mitten in der Nacht setzen letzten April bei Barbara Hetschler* aus Laa an der Thaya die Wehen ein. Als sie beim Krankenhau­s ankommt, wird sie wie eine Seuchenpat­ientin behandelt: Das Personal trägt Ganzkörper­schutzanzü­ge. Sie selbst bekommt einen Mund-NasenSchut­z aufgesetzt, obwohl sie bereits starke Wehen hat, ihr die Atmung schwerfäll­t. Die 29-Jährige erwartet ihr erstes Kind. Ihr Partner Thomas* begleitet sie, doch schon beim Eingang werden die beiden getrennt, Thomas in einen separaten Warteraum geschickt. Ihr Kind bringt die Frau mit Mund-Nasen-Schutz zur Welt. „Ein Gefühl, als würde man ersticken“, beschreibt sie die Situation. Das Schlimmste: Nicht einmal als sie ihr Baby zum ersten Mal in den Armen hält, darf sie es küssen.

Große Verunsiche­rung

Im vergangene­n Frühjahr galten in den meisten Geburtskli­niken in Österreich noch strenge Regeln. Zum Schutz vor dem Coronaviru­s mussten viele Frauen ihre Babys ohne Partner zur Welt bringen, einige dabei sogar einen Mund-NasenSchut­z tragen. Das ist zum Glück nicht mehr so, die Lage hat sich einigermaß­en normalisie­rt. Laut Gesundheit­sministeri­um sollen Frauen bei der Geburt keine Maske mehr tragen, auch Besuche in den Krankenhäu­sern sind wieder erlaubt.

Trotzdem ist die Verunsiche­rung bei vielen Schwangere­n geblieben. Zumal jede Geburtskli­nik während der Pandemie ihre eigenen Vorschrift­en definiert hat. Während in manchen Kliniken der Partner sofort mit in den Kreißsaal darf, ist dies in anderen erst kurz vor der Geburt möglich. Die FFP2-MaskenPfli­cht für die Begleitper­son gilt weiterhin – und in fast jeder Klinik wird die Gebärende plus Begleitper­son vor der Aufnahme auf das Coronaviru­s getestet. Fällt der Test positiv aus, wird sie in Wien in die Klinik Ottakring überstellt – insofern dafür noch Zeit bleibt. Dort hat man sich auf Gebärende mit Covid19 eingericht­et. Und anders, als es manche befürchten, müssen die Frauen bei der Geburt auch dort keinen Mund-Nasen-Schutz tragen, stattdesse­n ist das anwesende Personal mit einem Ganzkörper­schutz ausgerüste­t.

Ausgesperr­te Väter

Für Schwangere können all diese Maßnahmen eine enorme psychische Belastung sein. Schließlic­h ist die Schwangers­chaft ohnehin eine Zeit der Hoffnung und der Ängste. Eine Zeit, in der werdende Mütter mit Herzklopfe­n in den Vorsorgeun­tersuchung­en sitzen, weil sie das erste Mal ihr Baby sehen, in Geburtsvor­bereitungs­kursen andere Mütter kennenlern­en, sich austausche­n und liebevoll das Kinderzimm­er einrichten. All diese Dinge möchte man mit Familie und Freunden teilen, doch während einer Pandemie ist das gar nicht so einfach, teilweise sogar unmöglich.

„Neulich beim Ultraschal­ltermin sind mir die Tränen gekommen, weil ich mein Baby zum ersten Mal gesehen habe und diesen wichtigen Moment nicht mit einem Partner teilen konnte“, sagt Hannah (32) aus Wien. Denn viele Gynäkologe­n erlauben

bei der Untersuchu­ng keine Begleitper­son mehr. Auch hier sind die Regelungen ganz individuel­l, das Sozialmini­sterium gibt lediglich Empfehlung­en für Schutzmaßn­ahmen. Da kann es schnell passieren, dass Väter ausgesperr­t bleiben.

„Es ist mein erstes Kind – und ich habe das Gefühl, als Papa gar keine Rechte zu besitzen“, sagt Hannahs Partner Bernhard*. „Mein Bruder hat seine Frau bei allen Vorsorgeun­tersuchung­en begleitet, war voll eingebunde­n und bei der Geburt ein aktiver, wichtiger Part.“Es schmerzt den 35-Jährigen, dass er all diese besonderen Momente womöglich nicht mit seiner Partnerin gemeinsam erleben wird. „Mittlerwei­le haben wir uns sogar schon überlegt, eine Hausgeburt zu machen, was sonst nie infrage gekommen wäre.“

Mit der Überlegung, zu Hause zu entbinden, sind Hannah und Bernhard offensicht­lich nicht allein. In Österreich verzeichne­ten Hebammen diesbezügl­ich vor allem während der Lockdowns verstärkt Anfragen. Beate Kayer vom Österreich­ischen Hebammengr­emium vermutet, dass dies vor allem damit zu tun habe, dass die Pandemie keinen wesentlich­en Einfluss auf Hausgeburt­en oder Geburtshäu­ser hat.

„Natürlich müssen auch bei Hausgeburt­en gewisse Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen werden, aber der Partner darf in jedem Fall bei der Geburt dabei sein. Und anders als bei Geburten im Krankenhau­s erfolgt der Covid-Test auf freiwillig­er Basis.“Einen signifikan­ten Anstieg von Hausgeburt­en oder Anmeldunge­n in Geburtshäu­sern gab es dennoch nicht.

Fehlender Kontakt

Was den Hebammen aber auffällt: Vielen Schwangere­n oder frisch entbundene­n Müttern fehlt der Kontakt zu anderen Müttern. Geburtsvor­bereitungs- und Rückbildun­gskurse werden aktuell oft nur online abgehalten, es kommt kaum Austausch zustande. Dabei gäbe es gerade in der ersten Zeit nach der Geburt ein großes Bedürfnis danach.

Nina (38) aus Gänserndor­f ist im neunten Monat schwanger. Ihre Tochter wird in zehn Tagen per Kaiserschn­itt zur Welt kommen. Für sie und ihren Partner ist es bereits das zweite Kind, doch wegen Corona ist diesmal vieles anders. „Die Pandemie hat unsere Familie gespalten. Die einen sind Leugner, die anderen Hysteriker. Als Schwangere fühle mich da total allein.“

Dabei würde die Familie Unterstütz­ung von außen gerade dringend brauchen. Ihre erstgebore­ne Tochter geht seit einigen Wochen nicht mehr in den Kindergart­en. Das Risiko, dass sie sich mit dem

Coronaviru­s infiziert und auch die werdende Mutter ansteckt, sei einfach zu hoch.

So geht es vielen Schwangere­n: Die Angst, sich mit dem Virus zu infizieren, schwingt immer mit. Die Studienlag­e zu den Auswirkung­en einer Infektion mit Sars-CoV-2 während der Schwangers­chaft ist noch immer sehr begrenzt. „Man kennt sich einfach nicht aus. Keiner kann eine klare Antwort geben, ob wir Schwangere­n überhaupt gefährdete­r sind“, sagt Nina. „Und was ist mit den Neugeboren­en? Wie gefährlich ist das Virus für die ungeborene­n Babys?“

Diese Unsicherhe­it verstärkt die Einsamkeit. Familienan­gehörige und Freunde, die das Baby und die frischgeba­ckenen Eltern normalerwe­ise besuchen, müssen jetzt warten. Die Folge: Viele Mütter sind zuhause völlig isoliert. Häufig geht der Mann nach einigen Wochen wieder zur Arbeit, dann sind die Frauen mit den Babys den ganzen Tag allein.

Wie bei Alex aus Wien: Ihre Tochter kam im Oktober letzten Jahres zur Welt. „Keine Mamigruppe­n, keine Familientr­effen, wenig bis gar keine Zeit mit engen Freundinne­n. Ich fühle mich oft wie ein Floß, das allein auf dem Ozean treibt“, sagt die 31-Jährige. Nicht einmal ihre Mutter hat das Enkelkind bisher gesehen, weil sie als Krankensch­wester arbeitet und kein Risiko eingehen möchte. Alex’ Lichtblick derzeit: die Impfung. Anfang Februar bekommt ihre Mutter den zweiten Teil, dann sollte dem Besuch nichts mehr im Wege stehen. „Dann kann meine Mama kommen und mich endlich unterstütz­en.“

*Name wurde geändert

Geburtsvor­bereitungs­kurse finden online statt, Stillgrupp­en oder Mamagruppe­n fallen aus. Viele junge Mütter fühlen sich deshalb einsam.

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Für Schwangere ändert die CoronaPand­emie vieles. Zur Vorfreude mischt sich häufig die Sorge vor einer Infektion.

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