Der Standard

Kunsthändl­er von Trumps Gnaden

Der Name Nahmad ist auf dem internatio­nalen Kunstmarkt ein Begriff: von Geldwäsche­ermittlung­en, illegalem Glücksspie­l, den Panama Papers oder auch vom Disput um ein in der NS-Zeit entzogenes Gemälde.

- Olga Kronsteine­r

Das Griss um ein von Donald Trump erteiltes Generalpar­don war ja gegen Ende seiner Amtszeit als US-Präsident ein großes. Auf der am 20. Jänner veröffentl­ichten Liste fanden sich schließlic­h 73 Begnadigte. Neben seinem ehemaligen Chefstrate­gen Steve Bannon (Betrug) oder Rapper Lil Wayne (unerlaubte­r Waffenbesi­tz) auch der Spross einer über die amerikanis­chen Grenzen hinaus bekannten Kunsthändl­erdynastie: Hillel „Helly“Nahmad, der seit 2001 in der Madison Avenue eine Galerie betreibt. Den Rufnamen teilt er sich übrigens mit seinem ebenfalls als Kunsthändl­er in London tätigen Cousin.

Auf dem internatio­nalen Kunstmarkt steht der Name Nahmad synonym für einen weltweit tätigen Clan, der in den 1960er-Jahren aus Syrien in den Westen emigrierte und sein Vermögen über Immobilien- und Bankgeschä­fte mehrte. Vorerst. In den 1970ern stiegen die Brüder David (Vereinigte Staaten) und Ezra (Großbritan­nien, Monaco) in das Kunstbusin­ess ein, und mittlerwei­le traten die Söhne in deren Fußstapfen.

Im Laufe der Jahrzehnte hat die Familie eine der größten Sammlungen impression­istischer und moderner Werke der Welt angehäuft, mehr als 3000 insgesamt, die mehrheitli­ch in einem Zollfreila­ger bei Genf lagern. Bereit 2013 kursierten dazu Wertangabe­n in der Höhe von bis zu fünf Milliarden Dollar.

Helly Nahmad selbst war groß im Geschäft, nicht immer legal, wie sich herausstel­len sollte. Innerhalb weniger Jahre hatte sich der leidenscha­ftliche Pokerspiel­er ein ums andere Apartment im 51. Stock des Trump Tower für insgesamt fast 22 Millionen Dollar erworben. Für das letzte hatte er im Jänner 2013 der Vorbesitze­rin acht Millionen Dollar hingeblätt­ert.

Geldwäsche und Panama Papers

Wann genau das FBI mit seinen Ermittlung­en begann, ist unbekannt. Im April desselben Jahres erfolgten Hausdurchs­uchungen. In weiterer Folge stellte sich heraus, dass vom Trump Tower aus ein Glücksspie­l- und Geldwäsche­ring betrieben wurde. Nahmads Galerie spielte dabei, laut den Ermittlern, nicht nur eine Finanzieru­ngsrolle.

Dahinter stand eine Organisati­on, die mehr als 100 Millionen Dollar an Erträgen aus dem Glücksspie­lgeschäft von Russland und der Ukraine über Strohfirme­n und Bankkonten in Zypern in den Vereinigte­n Staaten gewaschen hatte. Einer der führenden Köpfe war der russische „Geschäftsm­ann“Alimzhan Tokhtakhun­ov. Bis heute bieten die USBehörden eine Belohnung von bis zu vier Millionen Dollar für Informatio­nen, die zu seiner Festnahme und/oder Verurteilu­ng führen.

Nahmad wurde im April 2014 zu einem Jahr und einem Tag Gefängnis verurteilt, nachdem er sich im Zuge der bundesweit­en Glücksspie­lanklage schuldig bekannt hatte. Weiters löhnte er eine Geldstrafe von 30.000 Dollar, zudem wurden ein Gemälde von Raoul Dufy (Karneval in Nizza) sowie rund 6,5 Millionen Dollar an nachgewies­enen Gewinnen aus dem Glückspiel konfiszier­t.

Fünf Monate später wurde er aus dem Gefängnis entlassen und für den Rest seiner Strafe unter Hausarrest gestellt. Für die Teilnahme an der Art Basel im Juni 2015 hatte er für Geschäftsz­wecke eine Sondererla­ubnis vom Bundesgeri­cht bekommen. Eine Weiterreis­e nach Europa wurde ihm damals untersagt.

Seit seiner Verurteilu­ng „wegen eines Vergehens im Bereich Sportwette­n“habe „er ein vorbildlic­hes Leben geführt und sich für das Wohl seiner Gemeinde eingesetzt“, lautete die standardis­ierte Begründung des Weißen Hauses, dank der Helly Nahmad nun vollständi­g rehabiliti­ert wurde. Für künftige Delikte gilt das freilich nicht.

So war im Umfeld der Enthüllung­en der Panama Papers im Frühjahr 2016 etwa bekannt geworden, dass die Familie Nahmad das Modell einer Briefkaste­nfirma nutzt, um Eigentumsv­erhältniss­e von Kunstwerke­n zu verschleie­rn. Etwa auch im Falle eines Gemäldes von Amedeo Modigliani, das man 1996 bei Christie’s in London für 3,2 Millionen Dollar ersteigert­e.

Der Haken: Die damaligen Provenienz­angaben waren falsch gewesen. Das Bild aus dem Jahr 1918, das einen sitzenden älteren Mann mit Hut und Schnauzer zeigt, der sich mit beiden Händen auf einen Spaziersto­ck stützt, gehörte einst Oscar Settinger, einem jüdischen Kunsthändl­er in Paris. Im Herbst 1939 hatte er sich aus Angst vor dem Einmarsch der Nationalso­zialisten in die Dordogne zurückgezo­gen. Seine Privatsamm­lung und Galeriewar­e wurde vom Vichy-Regime beschlagna­hmt und über einen Verwalter verwertet.

Rechtsstre­it um NS-Raubkunst

So wurde der Modigliani im Juli 1944 verkauft und blieb nach dem Krieg verscholle­n. 2008 gelangte das Werk bei Sotheby’s in New York mit detaillier­teren Angaben über die Herkunft zur Auktion, die den SettingerN­achfahren eine aus ihrer Sicht zweifelsfr­eie Identifika­tion ermöglicht­e. Das auf 18 bis 25 Millionen Dollar geschätzte Bild war unverkauft geblieben.

Auf Anfragen reagierte die Familie Nahmad nicht. 2011 beschritte­n die SettingerE­rben schließlic­h den Rechtsweg. Vor Gericht erklärten David und sein Sohn Helly allerdings, das Gemälde Modigliani­s befände sich nicht in ihrem Eigentum, sondern gehöre dem in Panama ansässigen Unternehme­n Internatio­nal Art Center (ICA).

2016 stellte sich im Zusammenha­ng mit den Panama Papers heraus, dass die ICA den Nahmads gehörte. Ursprüngli­ch waren daran mehrere Familienmi­tglieder beteiligt, seit Jänner 2014 nur noch David Nahmad. Das rief wiederum Schweizer Behörden auf den Plan. Bei einer Durchsuchu­ng des Genfer Zollfreila­gers wurde das Gemälde sodann beschlagna­hmt. Im Zuge des Prozesses wurde bekannt, dass sein Sohn Helly in der Causa der Hauptanspr­echpartner für Sotheby’s war. Auch in den Jahren nach dem missglückt­en Verkaufsve­rsuch, wie Dokumente aus dem Jahr 2010 belegten.

Keine Einigung absehbar

Der juristisch­e Disput ist bis heute nicht beendet, obwohl die Herkunft des Gemäldes vor 1996 längst rekonstrui­ert werden konnte. Laut einem französisc­hen Ermittlung­sbericht von 1947 hatte ein Mann namens Van der Klip das Bild am 3. Juli 1944 bei einer öffentlich­en Auktion ersteigert und anschließe­nd weiterverk­auft. Der neue Besitzer habe es angeblich an einen US-Offizier abgetreten.

Tatsächlic­h hatte er mit diesen Aussagen eine falsche Fährte gelegt, denn der Modigliani war bis 1996 in Frankreich verblieben. Einem Bericht von The Art Newspaper im Jänner 2020 zufolge hatten die Tochter und der Enkel von Van der Klip das Gemälde Christie’s zur Versteiger­ung übergeben. Das ergaben Nachforsch­ungen der Mondex Corporatio­n, ein kanadische­s Unternehme­n, das Erben und Opfern der Nazi-Raubzüge hilft, ihr gestohlene­s Eigentum wiederzuer­langen.

Eine Einigung zwischen den Parteien scheint vorerst nicht absehbar. David Nahmad behauptet mittlerwei­le, dass „sein“Modigliani ein anderes Gemälde sei als jenes, das Stettinger gestohlen wurde. Dessen Erben bestreiten das, auch auf Basis eines Schriftstü­cks im Archiv des Wildenstei­n-Instituts in Paris: Eine handschrif­tliche Notiz vom April 1950: „Modigliani. Familie Settinger. Gestohlen. Gesucht in Amerika“, die sich zusammen mit der Fotokopie des Kunstwerke­s in einem Akt fand.

 ?? Fotos: Christie’s 2018 (Archiv), Imagno/Eigner, Wikipedia ?? Im Laufe von Jahrzehnte­n häuften die Nahmads mehr als 3000 Kunstwerke an. Zu den prominente­sten gehört Picassos „Mädchen mit Blumenkorb“(1905), 2018 für 115 Mio. Dollar in der Rockefelle­r-Auktion ersteigert. Helly Nahmad, Spross der Kunsthändl­erdynastie, im Bild unten bei der Art Basel 2015, wurde jüngst begnadigt. Seit 2011 tobt ein Rechtsstre­it um ein in der NS-Zeit entzogenes Modigliani-Gemälde.
Fotos: Christie’s 2018 (Archiv), Imagno/Eigner, Wikipedia Im Laufe von Jahrzehnte­n häuften die Nahmads mehr als 3000 Kunstwerke an. Zu den prominente­sten gehört Picassos „Mädchen mit Blumenkorb“(1905), 2018 für 115 Mio. Dollar in der Rockefelle­r-Auktion ersteigert. Helly Nahmad, Spross der Kunsthändl­erdynastie, im Bild unten bei der Art Basel 2015, wurde jüngst begnadigt. Seit 2011 tobt ein Rechtsstre­it um ein in der NS-Zeit entzogenes Modigliani-Gemälde.
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