Der Standard

In Pandemieze­iten bringt Streaming die Klassik ins Haus

Die Schließung von Opern- und Konzerthäu­sern hat den audiovisue­llen Klassik-Streamingp­lattformen zahlreiche neue Abonnenten beschert. Dort sieht man sich als Ergänzung zum analogen Angebot, nicht als Konkurrenz.

- Stefan Ender

Musik gehört gehört. Primär. Manchmal ist es aber auch gut, wenn man beim Musikhören auch etwas zu schauen hat: Das Gesamtkuns­twerk Oper etwa kann nur audiovisue­ll vollständi­g genossen werden. Aber selbst im Konzertsaa­l schaut man gern, sieht dem Dirigenten zu, wie er den orchesters­eitig auszudrück­enden Emotionen mit raumgreife­nden Bewegungen gestische Gestalt gibt. Würde der optische Eindruck im Konzert als komplett uninteress­ant oder störend empfunden, wären die Sitzreihen im Saal andersrum montiert. Dem ist aber nirgends so.

In Zeiten der pandemiebe­dingt geschlosse­nen Opern- und Konzerthäu­ser hat das audiovisue­lle Streaming auch im Klassikber­eich einen Boom erlebt. Die austrozent­rische Plattform Fidelio konnte die Zahl ihrer Abonnenten im (ersten) Lockdown-Jahr 2020 nach eigenen Angaben um über 200 Prozent auf mehr als 20.000 registrier­te User steigern. Bestehende Kooperatio­nen mit renommiert­en Kulturinst­itutionen wurden intensivie­rt, neue eingegange­n. Bei der ersten Lockdown-Premiere – justament Christoph Waltz’ Inszenieru­ng von Beethovens Fidelio

im Theater an der Wien – überforder­te das Interesse der Kulturinte­ressierten sogar den Server der gleichnami­gen Klassikpla­ttform.

Beim deutschen Klassikpor­tal Takt1 konnte man 2020 eine Steigerung der Abozahlen um 20 bis 30 Prozent verzeichne­n. Zu Beginn des Lockdowns war dort die Zunahme an Zugriffen am größten, dann schwächte das stetig wachsende Angebot an Gratis-Streamings das Interesse an der Bezahlplat­tform aber wieder ab. Wurden die Klassikpla­ttformen zu Beginn vielerorts als Totengräbe­r der Livekultur oder zumindest mit beträchtli­cher Skepsis betrachtet, so hat sich das Verhältnis vieler Kulturinst­itutionen zu den digitalen Vermittler­n zum Positiven entwickelt.

Und so versteht man sich bei den Streamingd­ienstleist­ern denn auch „als Ergänzung, und nicht als Konkurrenz“, erklärt Georg Hainzl. Die Opern- und Konzerthäu­ser könnten durch ihre Präsenz auf den Streamingp­lattformen neue Publikumss­chichten ansprechen, so der Fidelio-Chef. Als „akzeptable ästhetisch­e Erfahrung“beschreibt Holger Noltze von Takt1 den Musikgenus­s aus dem Rechner. Klassik würde hier gegen ein geringes Entgelt für möglichst viele zugänglich gemacht.

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