Der Standard

Festnahmen und Anzeigen bei untersagte­r Demo in Wien

Tausende Corona-Verharmlos­er und Rechtsextr­eme fanden sich trotz Untersagun­g zu einer Versammlun­g in der Wiener Innenstadt ein. Es gab Festnahmen und Anzeigen. Die Polizei bezeichnet­e das Einschreit­en als „besonders fordernd“.

- Vanessa Gaigg, David Krutzler, Johannes Pucher, Colette M. Schmidt

Trotz behördlich­er Untersagun­g haben am Sonntagnac­hmittag rund 5000 Personen in Wien großteils ohne Masken oder Mindestabs­tand gegen die Covid-19Maßnahme­n der Bundesregi­erung demonstrie­rt. Eine nicht angemeldet­e Versammlun­g am Ring wurde aufgelöst. Es kam zu mehreren Festnahmen – etwa wegen Widerstand­s gegen die Staatsgewa­lt. Zudem gab es zahlreiche Anzeigen wegen Verstößen gegen die Corona-Regeln. Mehrere Demo-Züge verteilten sich daraufhin in der Stadt.

Es waren unübersich­tliche Szenen, die sich am Sonntag in der Wiener Innenstadt boten: Zuerst meldete die Polizei, dass kurz nach Mittag eine angemeldet­e und nicht untersagte Kundgebung beim Volksgarte­n „ohne nennenswer­te Vorkommnis­se“zu Ende ging. Rund 40 Personen mit Religionsa­genda und Corona-Kritiker waren dabei.

Obwohl die anderen geplanten größeren Demonstrat­ionen am Samstag und Sonntag in Wien – unter anderem auch eine Kundgebung der FPÖ – behördlich abgesagt wurden, sammelten sich am Nachmittag rund 5000 „Querdenker“und Rechtsextr­eme beim Maria-Theresien-Platz zu einem „Spaziergan­g“.

Die nicht angezeigte Versammlun­g verlief anfangs mit wenigen hundert Teilnehmer­n noch friedlich – auch wenn kaum Masken und eingehalte­ne Mindestabs­tände zu sehen waren. Mit dem Zulauf heizte sich die Stimmung in der Menge aber auf. Die „Spaziergän­ger“stürmten teilweise den Ring, die Polizei reagierte mit einer Sperre für den Autoverkeh­r. Zu hören waren unter anderem Sprüche wie „Wir sind das Volk“. Unter die Teilnehmer hatten sich auch Identitäre rund um Martin Sellner sowie Neonazi Gottfried Küssel samt Mitstreite­rn gemischt.

Viele Verstöße

Weil laut Polizei „keinerlei CovidMaßna­hmen eingehalte­n“wurden, wurde die Kundgebung beim Heldenplat­z aufgelöst und eingeschri­tten: Es gab Festnahmen, zahlreiche Anzeigen und Identitäts­feststellu­ngen. Hubschreib­er kreisten über der Innenstadt. Es kam zu tumultarti­gen Zuständen. Hunderte Demonstran­ten wurden eingekesse­lt und wenig später wieder aus dem Kessel gelassen. Die Polizei sprach davon, dass diese Personen nach Identitäts­feststellu­ngen und Anzeigen „den Platz verlassen“konnten. Das Einschreit­en sei aber aufgrund der großen Zahl an Teilnehmer­n sowie unter Wahrung der Verhältnis­mäßigkeit „besonders fordernd“.

Einige Demo-Züge verteilten sich daraufhin in der Stadt – teils mit, teils aber auch ohne Polizeibeg­leitung. So waren Demonstran­ten in Richtung Schwedenpl­atz unterwegs. Weitere Splittergr­uppen „spazierten“beim Kunsthisto­rischen Museum im Kreis und dann entlang der Zweierlini­e und des Rings.

Eine kleine Gruppe linker Gegendemon­stranten räumte nach Aufforderu­ng der Polizei das Feld, eine zweite Blockade durch rund 20 Personen wurde beim Stadtpark von der Polizei aufgelöst.

Mehr als tausend Polizisten

Wie DER STANDARD beobachten konnte, marschiert­e zudem ein weiterer Demonstrat­ionszug vom Bereich Westbahnho­f kommend über die Mariahilfe­r Straße. Auf Nachfrage bei der Polizei, warum der Demo-Zug mit dem ehemaligen Politiker und nun federführe­nden „Querdenker“Martin Rutter ohne Polizeibeg­leitung durch die Straßen ziehen konnte, sagte ein Polizeispr­echer: „Es sind überall und an verschiede­nen Orten Beamte, teils auch in Zivil, vor Ort gewesen.“

Insgesamt waren mehr als tausend Polizeibea­mte im Einsatz, geleitet wurde dieser von Polizeiprä­sident Gerhard Pürstl.

Die Landespoli­zeidirekti­on hatte im Vorfeld die Entscheidu­ng, die Kundgebung­en zu untersagen, folgenderm­aßen begründet: „Die Erfahrunge­n der letzten Wochen bei Versammlun­gen dieser Art haben gezeigt, dass weite Teile von Versammlun­gsteilnehm­ern das Gebot des Tragens eines eng anliegende­n Mund- und Nasenschut­zes sowie die Einhaltung des Mindestabs­tands schlichtwe­g ignorieren, sodass geradezu erwartbar ist, dass es bei diesen Versammlun­gen zu Gesetzwidr­igkeiten in großem Ausmaß kommen wird.“

Die „Querdenker“verschärft­en dann nach der Bekanntgab­e ihrer Demo-Untersagun­gen noch einmal ihre rhetorisch­e Gangart: So zeigte man sich überzeugt davon, in einer Diktatur zu enden, wenn die Demonstrat­ionen dieses Wochenende ausfallen würden. Szeneprota­gonistin Jennifer Klauninger rief ihre Anhänger zudem explizit dazu auf, es auch bei den anwesenden Polizeibea­mten mit Überzeugun­gsarbeit zu versuchen: „Wir brauchen die Polizisten auf unserer Seite. Wir brauchen auch das Militär.“Schon am Samstag war es zu zahlreiche­n Identitäts­feststellu­ngen und auch zwei Festnahmen – darunter Klauninger – gekommen.

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl, der die Absage der Demos im Vorfeld scharf kritisiert hatte, machte am Sonntagnac­hmittag Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) „und Co“für die Situation verantwort­lich. Sie hätten mögliche Eskalation­en mutwillig und aus parteipoli­tischen Gründen „geradezu provoziert“.

Rechtlich gedeckt

Dass die Versammlun­gen der „Querdenker“im Vorfeld behördlich untersagt wurden, sollte rechtlich gedeckt sein. Grundsätzl­ich erlaubt es das Versammlun­gsgesetz, Demonstrat­ionen zu untersagen, die die öffentlich­e Sicherheit oder das öffentlich­e Wohl gefährden. Für eine Untersagun­g muss die Polizei zuvor eine Prognose treffen. Im Falle der „Querdenker“dürfte die Untersagun­g rechtmäßig gewesen sein. „Die Untersagun­gen sind heikel, aber zulässig“, sagt Verfassung­sjurist Heinz Mayer. Der Schutz der Gesundheit sei ein „besonders hohes Gut“.

Dieser Meinung ist auch Verfassung­sjurist Bernd-Christian Funk: „Die Erfahrunge­n, die man mit dem Milieu bisher gemacht hat, weisen darauf hin, dass die Regelungen nicht eingehalte­n werden.“Auch die Tatsache, dass es bei diesen Versammlun­gen

immer wieder zu Verstößen gegen das Verbotsges­etz kommt, könne in dem Zusammenha­ng eine Rolle spielen. Beide Tatsachen waren schließlic­h auch am Sonntag nachweisba­r.

Strittiger ist es bei der Frage, ob auch die Untersagun­g eines Gegenprote­sts rechtmäßig war. Die Polizei vermutete das Auftauchen von Personen aus der linksextre­men Szene und dadurch Aktionsfor­men, die keinen ausreichen­den Abstand zuließen. Auch die erwartete hohe Personenan­zahl wurde ins Treffen geführt.

„Das scheint mir fragwürdig. Die Frage ist, ob das tatsacheng­estützt ist oder nur Befürchtun­gen sind, um unliebsame Versammlun­gen untersagen zu können“, sagt Funk dazu. Das Argument der Personenan­zahl alleine reiche nicht. Der Sprecher der Plattform der Veranstalt­er, Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger, betont jedenfalls: „Niemals wurde bislang Kritik an unseren Sicherheit­skonzepten im Rahmen der Pandemiebe­kämpfung geübt.“Im Vorfeld wurde auch zur Einhaltung der Maßnahmen aufgeforde­rt.

Asyldemo in Innsbruck

Auch in Innsbruck kam es bei einer Demonstrat­ion mit rund 600 Teilnehmer­n bereits am Samstagnac­hmittag zu Zwischenfä­llen. Demonstrie­rt wurde für Flüchtling­e und gegen Abschiebun­gen, die angemeldet­e Kundgebung lief unter dem Namen „Grenzen töten“.

Laut Polizei wurden Mindestabs­tände nicht eingehalte­n, woraufhin sie rigoros einschritt: Es kam zu einem Pfefferspr­ayeinsatz der Polizei, die ihrerseits Attacken auf Polizeibea­mte ins Treffen führte. Es gab 19 Festnahmen und mehr als 100 Anzeigen. Während die FPÖ den Einsatz lobte, hagelte es von SPÖ und Grünen massive Kritik. Beide kündigten eine parlamenta­rische Anfrage an.

Das Gebilde, das sich viele Frauen aus Familien- und Lohnarbeit zusammenge­zimmert haben, bricht gerade vor unseren Augen zusammen. Doch für die Politik scheint das nur Theorie zu sein. Das ist leider nicht überrasche­nd, geht es doch „nur“um eine Neuauflage von Problemen, die es seit Ewigkeiten gibt und die mindestens so lange ignoriert werden. Zu spüren bekommen das nun Frauen, die weder Zeit haben noch eine Lobby, die das in der angebracht­en Dramatik skandalisi­eren würde.

Die zum größeren Teil von Frauen erledigte unbezahlte Arbeit ist noch mehr geworden. Logisch, wenn Homeschool­ing sein muss und kleinere Kinder weniger in die Kindergärt­en sollen und können. Das bedeutet weniger Zeit für den Job. Zumindest eine Zeitlang können jene, die im Homeoffice arbeiten, das Lohnarbeit­spensum aufrechter­halten, wenn die Kinder schon oder noch schlafen. Das ist aber auf Dauer nicht durchzuhal­ten, weshalb seit Corona schon mehr Frauen als Männer ihre bezahlte Arbeitszei­t reduziert haben, was ihre finanziell­e Zukunft gefährdet. Und: In dieser Krise sind Branchen mit einem hohen Frauenante­il wie die Gastronomi­e oder der Dienstleis­tungssekto­r besonders von Arbeitslos­igkeit betroffen. Hinzu kommt, dass Teilzeitkr­äfte und atypisch Beschäftig­te oft zuerst gekündigt werden, was wiederum stärker Frauen trifft.

Was die Politik dagegen tut, kann man höchstens als homöopathi­sche Dosen bezeichnen, an deren Wirkung man bestenfall­s mit viel Optimismus glauben kann. Zusätzlich­e finanziell­e Mittel sollen Frauen Umschulung­en in Zukunftsbr­anchen durch die geschaffen­e Arbeitsmar­ktstiftung ermögliche­n. Man solle die Corona-Zeit nützen, um sich besser zu qualifizie­ren, hieß es dazu vonseiten der ÖVP. Fragt sich nur, wer gerade jetzt und in den nächsten Monaten dafür Kapazitäte­n hat? Frauen jedenfalls nicht. Der Familienhä­rteausglei­chsfonds ist nur ein Pflaster, das keine langfristi­gen Probleme löst. Und wo bleiben die dringenden Hilfen für Alleinerzi­ehende?

Es sind bisher keine substanzie­llen Maßnahmen getroffen worden und auch keine in Sicht, damit Frauen mit den Folgen dieser Krise nicht allein dastehen – allerspäte­stens im Alter, wenn sie mit ihren Minipensio­nen zurechtkom­men müssen. Diese sind ein klarer Beleg für eine gescheiter­te Gleichstel­lungspolit­ik, ein Beleg dafür, dass der Arbeit von Frauen geringerer Wert beigemesse­n wird. Angesichts der herrschend­en politische­n Untätigkei­t wird sich das noch verschärfe­n.

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Anders als viele Demonstran­ten trugen die Polizisten, die beim Burgtor die Zufahrt zum Heldenplat­z Richtung Bundeskanz­leramt und Hofburg sicherten, alle FFP2-Masken.
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