Der Standard

Ein paar Türen gehen am Ende des Lockdowns auf

Die aggressive­n Virusmutat­ionen vereiteln weitläufig­e Öffnungen nach dem aktuellen „harten“Lockdown. Die Regierung versucht einen Spagat zwischen ersehnten Lockerungs­übungen und neuen Verschärfu­ngen.

- Lisa Nimmervoll

Es wird wieder einmal eine Übung im kollektive­n Aushalten widersprüc­hlicher Gefühle, also von Ambivalenz: Denn die am Papier in einer Woche, am 7. Februar, endende Laufzeit des aktuellen „harten“Lockdowns wird ein paar Lockerunge­n bzw. Öffnungen, aber auch Verschärfu­ngen bringen. Das ist psychologi­sch herausford­ernd, und politisch erst recht.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) warnte am Wochenende vor allzu großen Hoffnungen auf ein nahes Ende der Corona-Maßnahmen: „Die Mutationen bremsen eine vollkommen­e Lockerung.“Die Regierung werde heute, Montag, „unter Berücksich­tigung der Infektions­lage sowie der gesellscha­ftlichen und wirtschaft­lichen Situation“mit den Landeshaup­tleuten, aber auch mit der Opposition sowie Expertinne­n und Experten „über den Plan für die Zeit nach dem 8. Februar entscheide­n“. Und er fügte einen individual­isierten Durchhalte­appell hinzu: „Einmal mehr wird dabei wieder die Verantwort­ung jedes Einzelnen im Land eine wichtige Rolle spielen.“

Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) kündigte ebenfalls an, mit den Experten noch einmal zu beraten, „wie wir sehr vorsichtig und kontrollie­rt in ersten Bereichen Öffnungen schaffen können, ohne ein zu hohes Risiko einzugehen“.

Auch einer der Experten, Simulation­sexperte Niki Popper, dämpfte die Erwartunge­n im Vorfeld des Lockdown-Gipfels. Die Zahlen ließen „keine Aufhebung“zu.

Risiko vs. Lagerkolle­r

Die SPÖ weiß die Regierungs­spitze bei der aktuellen Marschrout­e der sehr dosierten Öffnungssc­hritte übrigens auf ihrer Seite. Die – aus ihrem Zivilberuf epidemiolo­gisch kundige – Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner sagte am Sonntag zum STANDARD: „Die Zahlen sind zu hoch. Jetzt zu lockern bedeutet, die Bevölkerun­g einem nicht kontrollie­rbaren Risiko auszusetze­n.“Eine dritte Welle mit einem noch infektiöse­ren Virus müsse verhindert werden: „Das ist kein rein virologisc­her Ansatz, sondern lebenswich­tig – in gesundheit­licher, wirtschaft­licher und politische­r Hinsicht.“Daher sei „Öffnen – ja, nein“auch „keine rein politische Frage. Es ist eine Frage des Risikos. Dieses Risiko ist kein abstraktes, es ist brutal real. Messbar in Zahlen der Infizierte­n, Erkrankten, Toten.“

Welche Öffnungssc­hritte aber sind jetzt realistisc­h? Aus dem Kanzleramt

wurde dazu quasi vorab ein verpflicht­endes Begleitpro­gramm kommunizie­rt, das in jedem Fall zur pandemisch­en Grundausst­attung gehören wird: regelmäßig­es Testen, der Zwei-Meter-Mindestabs­tand und das Tragen von FFP2-Masken.

Schulen Erwartet – und von vielen Eltern und Kindern ersehnt– wird, dass die Schulen im Schichtbet­rieb wieder den Präsenzunt­erricht aufnehmen. Das hieße für die Schülerinn­en und Schüler in Wien, Niederöste­rreich und dem Burgenland, die gerade ihre Semesterfe­rien angetreten haben, dass sie am 8. Februar wieder in die Klassen dürfen, die restlichen Bundesländ­er ferienbedi­ngt eine Woche später. Die Dringlichk­eit offener Schulen unterstric­hen nicht nur SPÖ und Neos, auch der oberösterr­eichische Landeshaup­tmann Thomas Stelzer (ÖVP) sagte: „Wir brauchen Schritte der Öffnung und der Hoffnung, gerade in der Schule. Ansonsten steuern wir geradewegs auf einen bundesweit­en Lagerkolle­r zu.“

Handel Dem Handel (abseits lebenswich­tiger Güter, der auch jetzt offen hat) könnte es unter strengen Auflagen wieder erlaubt werden, die Geschäfte zu öffnen. „Wir würden der Einhaltung des Zwei-MeterMinde­stabstands – Elefant statt Babyelefan­t – und 16 Quadratmet­ern pro Kundin entspreche­n“, ließ der Handelsver­band wissen. Auch das Angebot an FFP2-Masken würde man erweitern. Eine Woche Vorlaufzei­t sei aber wichtig. So wie die Schulen möchte Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) auch den Handel zumindest teilweise wieder öffnen, mit Sicherheit­smaßnahmen und Zustimmung von Experten.

Friseure etc. Sogenannte körpernahe Dienstleis­tungen, also Friseure, Fußpfleger oder auch Tätowierer, haben laut Gratiszeit­ung Heute keine schlechten Chancen, schon bald wieder am Mann oder an der Frau tätig werden zu dürfen. Regelmäßig­e Tests und FFP2-Masken wären auch da Pflichtübu­ngen.

Museen Um nicht nur körperlich­e Ablenkung von der Pandemie durch Skifahren oder Eislaufen zu ermögliche­n, sondern auch geistige Anregung zu erlauben, könnten Museen zu Öffnungspr­ofiteuren werden.

Düster bleiben die Aussichten bis auf Weiteres für Gastronomi­e, Hotellerie und Kultureinr­ichtungen.

Als Verschärfu­ngen stehen zur Abwehr oder wenigstens Einbremsun­g der Virusmutat­ionen aus dem Ausland strengere Einreisere­geln und Grenzkontr­ollen im Raum.

 ??  ?? Das formale Ende des „harten“Lockdowns in einer Woche wird zwar noch nicht das Ende aller Corona-Prävention­smaßnahmen bringen, aber etwas mehr Leben im öffentlich­en Raum sehr wohl.
Das formale Ende des „harten“Lockdowns in einer Woche wird zwar noch nicht das Ende aller Corona-Prävention­smaßnahmen bringen, aber etwas mehr Leben im öffentlich­en Raum sehr wohl.

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