Der Standard

Republikan­ische Kongressab­geordnete auf Verschwöru­ngskurs

Die Aussagen von Marjorie Taylor Greene sorgen für Entrüstung und zeigen, wie weit die Republikan­er ins Rechtsextr­eme abdriften

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Frank Herrmann aus Washington

Es hat absoluten Seltenheit­swert, dass der Kongress beschließt, Volksvertr­etern das Mandat zu entziehen. Genau das aber will Jimmy Gomez, ein Demokrat aus Los Angeles, in den nächsten Tagen beantragen. Marjorie Taylor Greene, eine Republikan­erin vom rechten Rand ihrer Partei, soll ihren Sitz im Repräsenta­ntenhaus verlieren. Ob es so weit kommt, ist ungewiss, denn um es zu beschließe­n, bedarf es einer Zweidritte­lmehrheit. Gomez jedenfalls will signalisie­ren, dass für ihn das Fass längst übergelauf­en ist. Die Abgeordnet­e aus Georgia, begründet er seinen Vorstoß, habe wiederholt inländisch­em Terrorismu­s und politische­r Gewalt das Wort geredet.

Damit ist knapp beschriebe­n, was US-Medien in den vergangene­n Tagen in allen schockiere­nden Einzelheit­en dokumentie­rten. Demnach hat Greene spätestens seit 2018 in sozialen Medien nicht nur den politische­n Gegner verteufelt, sondern auch einige der abstrusest­en Verschwöru­ngstheorie­n verbreitet. Als im Norden Kalifornie­ns das Camp Fire wütete, einer der verheerend­sten Waldbrände in der Geschichte des Pazifiksta­ates, behauptete sie, Laserstrah­len aus dem All hätten die Flammen entzündet. Jerry Brown, damals kalifornis­cher Gouverneur, und die jüdische Bankiersfa­milie Rothschild, suggeriert­e Greene, seien in die Sache verwickelt.

Inszeniert­es Blutbad

Nach dem Massaker an einer Highschool in Parkland, Florida streute sie die These, das Blutbad sei in Wahrheit ein Schauspiel gewesen, inszeniert von Leuten, die rechtschaf­fenen Bürgern die Gewehre wegnehmen wollten. Als David Hogg, einer der Parkland-Schüler, die sich für strengere Schusswaff­engesetze ins Zeug legten, zum Kapitol in Washington lief, wo er mit Politikern verabredet war, passte sie ihn ab, um ihn zu beschimpfe­n. Warum er ihr Recht auf Waffenbesi­tz attackiere, warum er Kinder vor seinen Karren spanne, rief sie ihm nach. Hogg ertrug es mit würdevolle­m Schweigen, worauf ihn Greene als Feigling in Diensten des Milliardär­s George Soros bezeichnet­e. „Er hat nichts zu sagen, weil er nur bezahlt wird für das, was er tut.“

Sie selbst hat Szenen wie diese gefilmt und die Videos ins Netz gestellt, doch in Washington nahm man allenfalls am Rande davon Notiz. Das hat sich geändert, da sich nach dem Sturm aufs Kapitol die Frage stellt, wie viele rechte Republikan­er den Mob anfeuerten. Auch Greene sprach, Wochen vor dem 6. Jänner, im Duktus radikaler Milizen davon, dass man seine Freiheit nur zurückgewi­nne, wenn man dafür den „Preis des Blutes“zahle. Nun, da Sender wie CNN ihre Beiträge bei Facebook unter die Lupe nehmen, wird klar, dass dies nur die Spitze des Eisbergs war.

Einst signalisie­rte sie ein „Like“für Wortmeldun­gen, nach denen eine Kugel in den Kopf schneller wirke als eine Wahl, um Nancy Pelosi, die Vorsitzend­e des Parlaments, loszuwerde­n. Auf die Frage, ob man Pelosi und den Ex-Präsidente­n Barack Obama aufhängen solle, antwortete sie: „Die Bühne wird vorbereite­t, die Akteure nehmen ihre Plätze ein.“Man solle sich in Geduld üben, das müsse perfekt gemacht werden.

Dann wieder applaudier­te sie der in rechtsextr­emen Kreisen verbreitet­en Wahnvorste­llung, wonach es ein Video gebe, das Hillary Clinton dabei zeige, wie sie ein getötetes Mädchen verstümmel­e. Schon 2017 bekannte sich Greene zu QAnon, jener Komplott-Theorie, nach der die USA von einem Netzwerk von Satanisten und Pädophilen regiert würden, dem Trump den Kampf angesagt hatte. Im Wahlkampf dann warb sie mit einem Bild, das sie mit einem Sturmgeweh­r neben den Fotos von drei Demokratin­nen zeigte: neben Alexandria Ocasio-Cortez, Ilhan Omar und Rashida Tlaib, die Trump sowohl zu Fremden als auch zu Anführerin­nen einer sozialisti­schen Revolution erklärt hatte.

Klare Vorwahlsie­gerin

Greene war Unternehme­rin, bevor sie in die Politik ging. Sie betrieb ein Fitnessstu­dio und, mit ihrem Mann, ein Bauunterne­hmen, das sie von ihrem Vater geerbt hatte. Der Wahlkreis im Nordwesten Georgias, in dem sie ihren Sitz gewann, zählt zu den konservati­vsten des Landes.

Kandidaten der Demokratis­chen Partei sind dort chancenlos, sodass der Sieg der 47-Jährigen im Grunde vor der Wahl am 3. November feststand. Was allerdings überrascht­e, war, wie klar sie zuvor die Vorwahlen der Republikan­er gewonnen hatte. Auch ihr Gegner, der Neurochiru­rg John Cowan, strich seine Treue zu Trump heraus, machte aber auch deutlich, dass er mit QAnon nichts am Hut hatte. „Sie ist nicht konservati­v, sie ist verrückt“, sagte Cowan über seine Kontrahent­in. „Sie hat einen Youtube-Kanal verdient, aber keinen Sitz im Kongress. Sie ist eine Zirkusnumm­er.“

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Foto: AFP / Saul Loeb Marjorie Taylor Greene verbreitet Verschwöru­ngsmythen.

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