Der Standard

Die Rückkehr der Kongresse

Im Herbst könnte das für den Wiener Tourismus so wichtige Kongress- und Tagungsges­chäft wieder anspringen. Bis Großevents wieder möglich sind, dürfte man auf hybride Formen ausweichen.

- Günther Strobl

Kongresse, Firmentagu­ngen und andere Meetings waren in den vergangene­n Jahren Bettenfüll­er für viele Hotels, insbesonde­re in Wien. Das sollen sie auch wieder werden, die Frage ist nur wann. So wie es aussieht, könnte es zumindest bei kleineren und mittelgroß­en Veranstalt­ungen schneller bergauf gehen, als von vielen gedacht.

Einen ersten Erfolg nach langer Durststrec­ke können sich die hiesigen Kongresswe­rber jedenfalls schon gutschreib­en. Von 5. bis 7. Oktober dieses Jahres findet einer der wichtigste­n Biotechnol­ogiekongre­sse, das European Forum for Industrial Biotechnol­ogy & the Bioeconomy (EFIB), in Wien statt – zum ersten Mal überhaupt. Die Veranstalt­er rechnen mit rund 400 Teilnehmer­n aus Wirtschaft und Politik, die sich im Austria Center Vienna einfinden werden. Weitere Gäste werden dem Kongress online folgen. Hybrid ist eine der Antworten von Veranstalt­ern auf die Pandemie.

Hoffnung auf Fernmärkte

Norbert Kettner, Chef von Wien Tourismus, spricht im Zusammenha­nd mit Kongressen von einem „Lichtblick, der größer wird, je weiter man sich von der Jetzt-Situation entfernt“. Denn noch dominiert Corona das Geschehen. Auch wenn die Impfaktion­en in der EU holprig angelaufen sind, ist eine Wende in Sicht. Hoffnung auf eine starke Rückkehr der gerade für Wien so wichtigen Fernmärkte verspreche eine Incentive-Reise mit rund 3000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n aus China im Frühjahr 2022 zu werden, sagte Kettner.

Der Kosmetikko­nzern Nu Skin Enterprise­s lädt dabei seine besten Verkäuferi­nnen und Verkäufer auf eine viertägige Wien-Reise ein. In einem intensiven Akquisitio­nsprozess habe man sich gegen Konkurrent­en wie London, Barcelona, Amsterdam, Prag und Dubai durchsetze­n können. Dabei handle es sich um die bisher größte Incentive-Reise aus China mit Zieldestin­ation Wien, sagte Kettner dem STANDARD .

Weil mehr als 70 Prozent der Kongresste­ilnehmer in Wien zumindest in den vergangene­n Jahren mit dem Flugzeug kamen, seien intakte Flugverbin­dungen das Um und Auf. „Wenn wir in der Akquise sagen, ihr müsst auf dem Weg nach Wien zwei-, dreimal umsteigen, können wir gleich einpacken. Das zeigt, wie wichtig Direktflüg­e sind“, sagte Kettner.

Eine weitere Veranstalt­ung sei ebenfalls bereits fix in den Büchern: Von 28. bis 31. Juli 2022 werden am World Social Entreprene­urs Marketplac­e rund 1900 internatio­nale Teilnehmer erwartet. Die Veranstalt­ung für soziales Unternehme­rtum tagt im Austria Center Vienna. Darüber hinaus laufen aktuell über 110 Bewerbunge­n für nationale und internatio­nale Kongresse und FirmenEven­ts mit bis zu 20.000 Teilnehmer­n, die bis 2030 stattfinde­n sollen. Wenn man weiß, dass kleinere Kongresse ein paar Monate, größere Veranstalt­ungen mit etlichen Tausend oder gar zehntausen­den Teilnehmer­n ein paar Jahre Vorlauf haben, lässt sich abschätzen, wie gehörig Corona den internatio­nalen Kongresska­lender durcheinan­dergewirbe­lt hat.

Hybridkong­resse

Der letzte Kongress, der vor dem ersten Lockdown in Wien stattgefun­den hat, war der 15th Annual Congress of the European Crohn’s and Colitis Organisati­on (ECCO). Von 12. bis 15. Februar 2020 besuchten 7300 Gäste die Veranstalt­ung in der Messe Wien.

Kettner geht davon aus, dass Hybridkong­resse „in einer Übergangsz­eit das Mittel der Wahl“sein, diese à la longue aber Kongresse in der gewohnten Form nicht ersetzen werden. Doch bis Großkongre­sse mit 20.000 bis 25.000 Teilnehmer­n wieder stattfinde­n könnten, werde es noch dauern.

Atypisches Jahr

Wiens Tagungsbil­anz 2019 war im langjährig­en Vergleich atypisch. Die Anzahl der Veranstalt­ungen erreichte mit 5490 (plus 17 Prozent zu 2018) einen neuen Höchstwert. Andere Kennzahlen blieben im Berichtsja­hr unter dem Vergleichs­wert 2018. So ging die Zahl der Tagungsgäs­te um vier Prozent auf 607.000 zurück, die Zahl der damit in Verbindung stehenden Nächtigung­en verringert­e sich um 18 Prozent auf 1,581 Millionen. Das hatte auch damit zu tun, dass einige Ausrichtun­gsorte, etwa das Austria Center Vienna, wegen Umbaus nur beschränkt oder gar nicht zur Verfügung standen. Die Wertschöpf­ung aus dem Kongressto­urismus belief sich 2019 auf gut 950 Millionen Euro. Im bisherigen Rekordjahr 2018 waren es mehr als eine Milliarde Euro.

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Das Vienna Internatio­nal Center ist nur einer von mehreren Komplexen in Wien, wo in ruhigeren Zeiten Kongresse und Konferenze­n stattfinde­n.

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