Der Standard

Test und Impfung können verlangt werden

In der Coronaviru­s-Krise haben Arbeitgebe­r die Pflicht, ihre Belegschaf­t vor Ansteckung zu schützen. Sie dürfen Arbeitnehm­er zu Covid-Tests verpflicht­en und später nur jene beschäftig­en, die sich haben impfen lassen.

- Christoph Wolf, Andrea Potz

Seit fast einem Jahr legt SarsCov-2 weltweit das gesellscha­ftliche, berufliche und wirtschaft­liche Leben lahm. Das Virus ist hoch ansteckend, es verursacht in vielen Fällen schwerwieg­ende gesundheit­liche Beeinträch­tigungen und kann zum Tod führen. Das durchschni­ttliche Lebensalte­r in Österreich ist erstmals seit 70 Jahren wieder gesunken. Die Pandemie konnte durch Abstandhal­ten, Hygienemaß­nahmen und das Tragen von Schutzmask­en weder aufgehalte­n noch beendet werden.

Die Auswirkung­en auf die Arbeitswel­t sind beträchtli­ch. Selbst Abstandhal­ten und das Tragen von FFP2-Masken am Arbeitspla­tz können eine Infektion nicht immer verhindern. Isoliertes Arbeiten ohne persönlich­en Kontakt zu anderen ist aufgrund arbeitstei­liger Arbeitspro­zesse in aller Regel kaum umsetzbar. Homeoffice ist für viele Arbeitnehm­er nur eine Notlösung, weil sie ihren privaten Lebensbere­ich nicht ausreichen­d abgrenzen können. Bis zur Zulassung wirksamer Medikament­e bietet daher ausschließ­lich eine Impfung bzw. bei Personen, die noch nicht geimpft werden können, die Testung aller Kollegen einen ausreichen­den Schutz vor Sars-Cov-2.

Testpflich­t zumutbar

Der Arbeitsver­trag zeichnet sich durch enge personelle Verflechtu­ng zwischen Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r, aber auch zwischen den Arbeitnehm­ern untereinan­der aus. Die gesetzlich­en wechselsei­tigen Schutz-, Sorgfalts- und Interessen­wahrungspf­lichten sind daher besonders stark ausgeprägt. Im Kernbereic­h dieser Schutzpfli­chten stehen Leben und Gesundheit der Arbeitnehm­er, die der Arbeitgebe­r proaktiv zu schützen hat.

Irritieren­d ist daher die jüngst vertretene Auffassung, dass sich aus dem Arbeitsver­trag keine Verpflicht­ung zur Testung ergeben soll. Völlig klar ist davon auszugehen, dass die Persönlich­keitsrecht­e der

Arbeitnehm­er zu wahren sind, jedoch ergibt eine Interessen­abwägung eindeutig, dass eine Verpflicht­ung zum Testen diese nicht unzumutbar beeinträch­tigt: Neben den wirtschaft­lichen Interessen des Arbeitgebe­rs steht der wirksame Schutz vor Ansteckung und damit die Erfüllung der Schutz- und Fürsorgepf­licht auch gegenüber den (anderen) Arbeitnehm­ern dem Recht auf Geheimhalt­ung des Gesundheit­sstatus gegenüber.

Es ist völlig unstrittig (und nicht neu), dass Fragen nach jenen Krankheite­n zu beantworte­n sind, für die spezielle Meldepflic­hten (auch gegenüber dem Arbeitgebe­r) bestehen und die die Erbringung der

Arbeitslei­stung ausschließ­en, wie etwa Hepatitis-C bei einem Chirurgen. Dies ist bei einer Ansteckung mit Sars-Cov-2 jedenfalls der Fall.

Für die Interessen­abwägung ist auch wesentlich, dass arbeitsrec­htliche Bestimmung­en den Schutz vor übermäßige­r Verhaltens­kontrolle im Fokus haben. Durch Tests wird aber nicht das arbeitspla­tzbezogene oder das Freizeitve­rhalten von Arbeitnehm­ern kontrollie­rt, sondern das Ausbreiten einer allgemeine­n Gesundheit­sgefahr vermieden. Die Ansteckung­sgefahr besteht nämlich generell und unabhängig davon, ob sich der Arbeitnehm­er rechtskonf­orm verhält. Es geht also um einen allgemeine­n Gefahrenun­d Gesundheit­sschutz in einer Pandemie. In Erfüllung der wechselsei­tigen gesetzlich­en Schutzpfli­chten muss der Arbeitgebe­r daher Testungen im Bedarfsfal­l anordnen und der Arbeitnehm­er sie akzeptiere­n. Da die wechselsei­tigen Schutzpfli­chten nicht disponibel sind, können weder Kollektivv­ertrag noch Betriebsve­reinbarung das Gegenteil anordnen.

Dem steht auch der neue Generalkol­lektivvert­rag Corona-Test nicht entgegen. Dieser regelt nicht die Frage, ob ein Arbeitnehm­er einem Test zustimmen muss oder nicht, sondern den Anspruch auf Freistellu­ng und Entgeltfor­tzahlung für Testungen. Arbeitnehm­er, die zur Testung gesetzlich nicht verpflicht­et sind, sollen einen Test tunlichst außerhalb der Arbeitszei­t absolviere­n. Die anderen Arbeitnehm­er sind dagegen für die Teilnahme an einem Test unter Fortzahlun­g des Entgelts von der Arbeit freizustel­len.

Nur mit Impfung

Ähnliche Überlegung­en gelten auch für Impfungen. Unstrittig ist, dass ohne ausdrückli­che gesetzlich­e Basis eine tatsächlic­he „Impfpflich­t“im Arbeitsver­hältnis nicht begründet werden kann. Dem Arbeitgebe­r bleibt es aber unbenommen, sich dafür zu entscheide­n, Arbeitnehm­er ohne Schutzimpf­ung nicht mehr zu beschäftig­en. Dies wäre nicht sittenwidr­ig, denn nach der Judikatur wäre dafür eine gravierend unsachlich­e oder willkürlic­he Entscheidu­ng des Arbeitgebe­rs erforderli­ch. Dies ist hier aber offensicht­lich nicht der Fall. Sind nämlich sämtliche Arbeitnehm­er eines Betriebs geimpft, dann kann das Risiko einer Erkrankung am Arbeitspla­tz ausgeschlo­ssen werden; die Gefahr wäre gebannt. Daher sollte die fehlende Impfung auch im Rahmen des allgemeine­n Kündigungs­schutzes (§ 105 ArbVG) einen sachlichen Rechtferti­gungsgrund für eine Kündigung darstellen.

Es gibt aber auch hier Ausnahmen: Das betrifft insbesonde­re jene Arbeitnehm­er, für die der Impfstoff nicht zugelassen ist oder bei denen aus medizinisc­her Sicht von der Verabreich­ung abgeraten wird (z. B. bei Schwangers­chaft). Abgesehen von diesen Sonderfäll­en wird aber das Interesse der Arbeitgebe­r an Testungen und Impfungen zum Schutz der Arbeitnehm­er am Arbeitspla­tz das Interesse der Arbeitnehm­er, sich nicht testen oder impfen zu lassen, überwiegen.

CHRISTOPH WOLF ist Honorarpro­fessor für Arbeitsrec­ht an der Universitä­t Wien und Partner bei CMS in Wien. ANDREA POTZ ist Arbeitsrec­htsexperti­n und Partnerin bei CMS in Wien.

 ??  ?? Wirtschaft­liche Interessen und Fürsorgepf­licht rechtferti­gen in einem Betrieb eine allgemeine Testverpfl­ichtung.
Wirtschaft­liche Interessen und Fürsorgepf­licht rechtferti­gen in einem Betrieb eine allgemeine Testverpfl­ichtung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria