Erschwindelter Titel kann ein Entlassungsgrund sein
In schweren Fällen ist ein Arbeitnehmer mit falschem akademischem Grad nicht mehr vertrauenswürdig
Im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit umfangreiche Texte ohne Quellenangabe abzuschreiben ist keine Kleinigkeit. Neben der Aberkennung des akademischen Titels kann es Forderungen des Urhebers nach sich ziehen oder gar eine Freiheitsstrafe nach Urheberrechtsgesetz oder wegen Betrugs. Auch das Vertrauen des Arbeitgebers kann stark erschüttert sein, wenn er von einem solchen Plagiatsvorfall in seinem Unternehmen erfährt.
Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob eine Entlassung gerechtfertigt ist. Von den Entlassungstatbeständen des § 27 Angestelltengesetz (AngG) kommt die Vertrauensunwürdigkeit infrage. Aus diesem Grund darf ein Angestellter entlassen werden, der etwas getan oder unterlassen hat, das ihn des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers „unwürdig“erscheinen lässt, sodass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zumutbar ist.
Es reicht, dass der Angestellte fahrlässig gehandelt hat. Vorsatz ist ebenso wenig notwendig wie ein Schadenseintritt oder die Absicht, den Arbeitgeber zu schädigen. Ob der Vertrauensbruch derart schwerwiegend ist, dass er eine Entlassung zulässt, wird nicht nach den Erwartungen des konkreten Arbeitgebers, sondern nach objektiven Grundsätzen beurteilt.
Zeit kann Wunden heilen
Zwar kommt auch außerdienstliches Verhalten – soweit es für die Arbeit relevant ist – infrage. Allerdings muss sich ein Entlassungstatbestand grundsätzlich während der Dauer des Dienstverhältnisses ereignet haben. Nur im Einzelfall können Straftaten, die ein Arbeitnehmer vor der Anstellung begangen hat, zur Entlassung berechtigen. Dafür muss ein Zusammenhang mit der seinerzeitigen strafbaren Handlung und dem nunmehrigen Arbeitsbereich gegeben sein. Jugendsünden schaden nicht, wenn sich der Mitarbeiter über lange Zeit durch Wohlverhalten ausgezeichnet hat.
Daraus folgt für den Mitarbeiter, der plagiiert hat: Je länger der Schwindel zurückliegt, je korrekter er sich seither verhalten hat und je weniger Titel und wissenschaftliche Standards für seine Arbeit relevant sind, desto weniger wird die Entlassung
zulässig sein – vorausgesetzt natürlich, dass der Mitarbeiter sich keine finanziellen Vorteile (höheres Gehalt) verschafft hat. Je höher seine oder ihre Position im Unternehmen ist, je mehr der Betroffene Vorbildfunktion für sein Team hat und je weniger seine finanziellen Gebarungen im Unternehmen kontrolliert werden können, desto strenger ist das frühere Fehlverhalten zu werten.
Wiederholte Vorfälle
Besonders schädlich kann für ihn sein, wenn sein damaliger Schwindel zwar einmalig war, sich aber in wiederholten Unehrlichkeiten oder Unregelmäßigkeiten während seiner Anstellung eine Neigung zu vertrauensunwürdigem Verhalten verwirklicht hat. Das wissenschaftliche Plagiat kann dann in Zusammenschau mit späteren – wenn auch nur kleineren Vorfällen – sehr wohl die Entlassung rechtfertigen.
Falls die Entlassung ausscheidet, steht die Kündigung zur Verfügung, die das Dienstverhältnis allerdings erst nach Ablauf von Kündigungsfrist und -termin beendet. Im Fall einer gerichtlichen Anfechtung kann der Titelschwindel als personenbezogener Kündigungsgrund dienen.
Unabhängig von der Entlassung sind Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers vorstellbar. Voraussetzung ist, dass ihn die Täuschung über das Vorliegen der akademischen Qualifikation geschädigt hat. Ein solcher Schaden wird häufig fehlen, wenn nämlich – Titel hin oder her – gute Arbeit geleistet wurde.
Allerdings kann der zu Unrecht erlangte Titel finanzielle Auswirkungen gehabt haben. Die bisherige Bezahlung kann wegen des akademischen Grads höher gewesen sein; die Ausbildungszeiten können für Betriebspensionen anerkannt worden sein; die sechste Urlaubswoche kann wegen der Anrechnung der Studienzeit zu früh gewährt worden sein. Hier wird eine Rückabwicklung des Vertrags – ein im Arbeitsrecht allerdings äußerst seltener und in der Lehre umstrittener Vorgang – nötig sein, um das Entgelt auf das angemessene Niveau zu reduzieren. Der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs wird dem täuschenden Arbeitnehmer hier nicht helfen.
KRISTINA SILBERBAUER ist Rechtsanwältin und Arbeitsrechtsexpertin in Wien.