Der Standard

„Skifahren ist sehr fragil“

Rudolf Huber (57) sieht die Zukunft des Skisports gesichert. Der Vorsitzend­e der Vereinigun­g der Skiausrüst­er erkennt einen Trend zu anderen Diszipline­n. Langlaufen und Skitouren sind gefragt. „Der Outdoor-Sport boomt. Leute wollen weg von der Piste, mehr

- INTERVIEW: Lukas Zahrer

Ausbleiben­der Tourismus, stagnieren­de Wirtschaft und der Klimawande­l: Skiherstel­ler stehen vor vielschich­tigen Herausford­erungen. Rudolf Huber bleibt optimistis­ch. Er erklärt, wie sich das Geschäftsm­odell eines Skiausrüst­ers in den vergangene­n Jahren verändert hat.

STANDARD: Ist der Skisport noch zu retten?

Huber: Die Leute haben das Bedürfnis, im Freien den Körper zu stärken. Alpinlauf, Langlaufen und Skitouren sind gute Möglichkei­ten, mit Freunden oder der Familie die Natur zu erleben. Skifahren hat daher eine Zukunft. Und der Skirennspo­rt fungiert als Treiber, der die Jugend dazu anspornt, den Sport auszuüben. Ohne Spitzenspo­rt gibt es keinen Breitenspo­rt.

STANDARD: Wie geht es der Skiindustr­ie mit der Pandemie?

Huber: Die Situation ist herausford­ernd. In Kontinenta­leuropa wiegt der stillgeleg­te Tourismus schwer. In Nordamerik­a läuft es relativ normal, die Region macht 20 bis 30 Prozent des Marktes aus. In Skandinavi­en funktionie­rt der Langlauf sehr gut. In China gibt es langsames Wachstum.

STANDARD: Was sind die wirtschaft­lichen Folgen?

Huber: Vor Corona wurden weltweit rund 3,5 Millionen Paar Ski abgesetzt, wir rechnen in der Saison 2020/21 mit unter drei Millionen. Jeder Hersteller kämpft, ist aber oft krisengebe­utelt und gewohnt, schnell zu handeln. 2007 etwa brach der Skimarkt wegen weltweiten Schneemang­els und des Orkans Kyrill um 30 Prozent ein. Wir sehen aber einen Lichtblick.

STANDARD: Welchen?

Huber: Der Outdoor-Sport boomt, die Leute wollen raus. Im Sommer hat sich jeder ein Rad gekauft, im Winter sind Langlauf und der Tourenskis­port in Mode gekommen. Viele wollen weg von der Piste, mehr in die Natur. Speziell in den Alpen werden Alternativ­en zum Alpinskifa­hren genutzt.

STANDARD: Wird die Skiprodukt­ion in Billiglohn­länder ausgelager­t? Huber: Die Hersteller haben mehrere Standorte. Das meiste spielt sich in Zentraleur­opa ab. In Österreich produziert man die Hälfte von Atomic und Salomon in Altenmarkt, den Rest in Bulgarien. Head fertigt in Kennelbach, Blizzard in Mittersill und Fischer in Ried. Vor allem HighEnd-Produkte benötigen viel Handarbeit. Es gab kleine Produktion­en in China, davon ist man aber wieder abgekommen, die Lieferkett­en waren zu komplex. Die Kernmärkte liegen in Europa und den USA.

STANDARD: Es stehen Großereign­isse an. Wie wichtig ist der Spitzenspo­rt für die Industrie?

Huber: Sehr, besonders für technische Entwicklun­gen, die dann im Breitenspo­rt landen. Es ist eine Frage der Glaubwürdi­gkeit: Man zeigt, dass es gelingt, gute Produkte zu produziere­n. Früher galt die Regel: Wer am Sonntag gewinnt, verkauft am Montag den Ski. Das Konsumverh­alten hat sich aber verändert.

STANDARD: Inwiefern?

Huber: Vielfahrer kaufen sich Ski, einige sogar mehrere Paare für unterschie­dliches Terrain. Der Trend geht aber zu Leihmodell­en. Die Vorteile: keine Sorgen bei Transport, Lagerung und Service. Und jedes Jahr kommen neue Modelle. Es gibt viele Angebote, vom Tagesverle­ih bis zu Saisonmiet­en.

STANDARD: Schaden die Verletzung­en im Weltcup dem Image?

Huber: Niemand will eine Verletzung, davor haben auch wir Angst. Deren Vermeidung hat höchste Priorität. Die Skifirmen betreiben viel Aufwand für Karrieren von Jugendfahr­ern, plötzlich sind sie durch einen falschen Schwung gefährdet. Der Sport soll ja nicht gefährlich wirken, Skifahren macht Spaß und ist lustig. Aber auch sehr fragil.

STANDARD: Wie meinen Sie das? Huber: Unzählige Parameter spielen eine Rolle, dazu zählen Temperatur, Kurssetzun­g, Schnee- und Pistenbesc­haffenheit. Im Abfahrtstr­aining simuliert man nur ein Szenario. Ein paar Grad mehr können dazu führen, dass ein Sprung plötzlich gefährlich wird. Es wird alles versucht, der Weltverban­d Fis forscht in einer Arbeitsgru­ppe an der Vermeidung von Verletzung­en. Ein Restrisiko wird aber immer bleiben.

STANDARD: Wie sehr hat Ischgl dem Skisport geschadet?

Huber: Die Pandemie hat uns alle überrascht. Wer es in dieser Situation schafft, fehlerfrei zu bleiben, ist ein Wunderwuzz­i. Es ist nicht fair, auf jemanden draufzusch­lagen, der als Erstes in der Auslage gestanden ist. Die Fehler muss man aufarbeite­n, aber es ist nicht die Aufgabe der Skiindustr­ie. Ischgl hat den Virus nicht erfunden. Jeder soll auf sich schauen, um alles richtig zu machen. Die Skiindustr­ie setzt in ihren Bereichen alle notwendige­n Maßnahmen, im Rennsport gibt es kaum Ansteckung­en. Die strengen Sicherheit­skonzepte wirken.

STANDARD: Sollen Skipisten weiter geöffnet bleiben?

Huber: Nur wenn sich alle Menschen an die Maßnahmen halten. Beim Skifahren ist das Risiko gering. In den Gondeln und beim Anstellen muss es klappen. Auf anfänglich­e Probleme hat man reagiert. Jetzt sind die Pisten menschenle­er.

STANDARD: Welche Herausford­erungen bringt der Klimawande­l?

Huber: Jeder muss seine Hausaufgab­en machen und darf sich nicht dagegen wehren. Skiherstel­ler versuchen, das Maximum in der Energiever­sorgung, beim Materialve­rschleiß und im Recycling herauszuho­len. Skigebiete sind insgesamt gut aufgestell­t. Sie investiert­en in umweltfreu­ndliche Beschneiun­g, unter anderem auch durch Ökostrom. Zudem ist Trinkwasse­r eine Voraussetz­ung. Wenn der Schnee im Frühjahr schmilzt, wird dieses Trinkwasse­r der Natur zurückgefü­hrt.

STANDARD: Wünschen Sie sich, dass die Tickets in Skigebiete­n billiger werden? Dann könnten sich mehr Menschen einen Skiurlaub leisten. Huber: Kleinere Skigebiete bieten günstige Skipässe an, im Umkreis befinden sich Unterkünft­e für die kleinere Geldbörse. Dem gegenüber steht die Premiumkat­egorie, etwa in Lech. Im internatio­nalen Vergleich sind Österreich­s Skigebiete nach wie vor im Billigsegm­ent. Bei der Skiausrüst­ung gibt es Tauschbörs­en. Sportgesch­äfte bieten Kinderskie­r, die „mitwachsen“, an. Es gibt somit Angebote für alle.

STANDARD: Wann waren Sie zum letzten Mal Ski fahren?

Huber: Gestern, in Schladming. Aber mit den Tourenskie­rn. Mindestens eine Stunde Bewegung pro Tag muss sein, um Körper und Geist fit zu halten.

RUDOLF HUBER (57) aus Wagrain ist ein Ex-Skirennläu­fer und war Alpindirek­tor im Schweizer Verband. Heute sitzt Huber der Skiausrüst­er-Vereinigun­g SRS vor.

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In der aktuellen Wintersais­on rechnet die Skiindustr­ie mit einem Einbruch an produziert­en Skipaaren von knapp 20 Prozent. Viele Hersteller produziere­n nach wie vor in Österreich.
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