„Die Bombe platzt“
Stückchenweise wird immer mehr darüber bekannt, wie die Hofburg vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos reagierte. Ein merkwürdiger Kalendereintrag soll erst nachträglich erstellt worden sein.
Ein merkwürdiger Eintrag im Kalender von Präsident Van der Bellen rund um die Ibiza-Causa soll nachträglich erstellt worden sein.
Man nennt es Salamitaktik: Statt umfassend zu informieren, wird jeweils nur bestätigt, was sich ohnehin nicht mehr dementieren lässt. Ein bisschen hatte man in den vergangenen Tagen das Gefühl, dass Salamis in der Präsidentschaftskanzlei hoch im Kurs stehen – vor allem, was die Rekonstruktion jener Woche betrifft, die mit der Veröffentlichung des Ibiza-Videos einen spektakulären Abschluss fand.
Vergangenen Mittwoch erzählte Julian H., der Drahtzieher des berühmten Clips, im Gespräch mit dem STANDARD, dass er vor dessen Veröffentlichung die Staatsspitze vorwarnen wollte. Deshalb traf er sich wenige Tage vor der Videopublikation durch SZ und Spiegel mit einem Grünen, der einst im Wahlkampfteam des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen gearbeitet hatte. In einem Wiener Hotel erläuterte H. dem damals bei einer Bank tätigen Grünen die Hintergründe der Ibiza-Aktion, außerdem spielte H. ihm mehrere Sequenzen davon vor. Er wollte eine Art Bekenntnis an den Präsidenten übermitteln, der Grüne nannte ihm den Namen von Van der Bellens Büroleiter, eines weiteren Grünen-Politikers.
„Nichts bekannt“
Vom STANDARD zu dieser Aktion befragt, hieß es zunächst, „der Präsidentschaftskanzlei“sei von einem Treffen „nichts bekannt“. Ein E-Mail von Julian H. sei eingelangt, aber „ad acta“gelegt worden. Im Umfeld des Ibiza-Urhebers rechnete man mit dieser Aktion, die einem glatten Dementi glich, nicht.
Weitere Recherchen zeigten, dass mehrere andere Beschuldigte die Aussagen des Ibiza-Drahtziehers H. bestätigten. Außerdem fiel bald ein Name: Der Kampagnenprofi Joseph Mussil, heute im Kabinett von Vizekanzler Werner Kogler, soll das Video gesehen haben. Ein erster Anruf bei Mussil endete damit, dass dieser „keinen Kommentar“abgeben wollte und auflegte.
Erst auf eine Anfrage an die Pressestelle des Vizekanzlers und Mussil antwortete Letzterer ausführlich: Der Kontakt zu H. sei über eine Kindergartenfreundin zustande gekommen; er habe die Videosequenzen
nur schwer verstanden und nicht einordnen können und nur seiner Lebensgefährtin davon erzählt. Und das, obwohl Mussil beruflich damals mit den grünen Schwergewichten Lothar Lockl und Martin Radjaby zusammenarbeitete, man sich also im Büro sah.
Dazu kam ein weiterer Erzählstrang: Offenbar hatte jemand den Kalender des Bundespräsidenten abfotografiert und an Heinz-Christian Strache weitergeschickt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt dazu wegen Amtsmissbrauchs.
„Infos von Journalisten“
Dieser Kalendereintrag sollte beweisen, dass Van der Bellen vorab über das Ibiza-Video Bescheid wusste. Christian Hafenecker, freiheitlicher Fraktionsführer im U-Ausschuss, will das Kalenderblatt gesehen haben, sagt er dem STANDARD.
Darauf sei vermerkt gewesen, dass der Personenschutz für Van der Bellen erhöht worden sei, außerdem wäre ein Treffen mit Lockl und Radjaby, den Kollegen des Ibiza-Videosehers, ein Telefonat mit dem damaligen Innenminister Herbert Kickl sowie ein Gespräch mit Sebastian Kurz vermerkt gewesen, sagt Hafenecker, der das auch eidesstattlich bezeugen würde. Und am Schluss, am Tag der Ibiza-Publikation: „Die Bombe platzt.“
Aus der Präsidentschaftskanzlei heißt es dazu, dass fast alles an dieser Aufzählung falsch sei. Mit Kickl (der das wiederum behauptet) habe man nicht gesprochen, Kanzler Sebastian Kurz nicht getroffen (der den Termin ebenfalls dementiert).
Der exakte Termin, an dem Van der Bellen mit Radjaby und Lockl gesprochen habe, sei außerdem nicht der Mittwoch gewesen, wie von Hafenecker behauptet, sondern der Donnerstag. Worum ging es? „Aktuelle politische Fragen“, sagt Lockl. Es habe „Informationen von Journalisten“gegeben, dass „etwas zu Strache und Korruption“veröffentlicht wird.
Und „Die Bombe platzt“? Das habe der Bundespräsident nachträglich eingetragen, um sich an das exakte Datum der Videoveröffentlichung zu erinnern, behauptet die Präsidentschaftskanzlei. Ein weiteres Stück Salami zum Thema IbizaVideo.