Der Standard

„Die Bombe platzt“

Stückchenw­eise wird immer mehr darüber bekannt, wie die Hofburg vor der Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos reagierte. Ein merkwürdig­er Kalenderei­ntrag soll erst nachträgli­ch erstellt worden sein.

- Fabian Schmid

Ein merkwürdig­er Eintrag im Kalender von Präsident Van der Bellen rund um die Ibiza-Causa soll nachträgli­ch erstellt worden sein.

Man nennt es Salamitakt­ik: Statt umfassend zu informiere­n, wird jeweils nur bestätigt, was sich ohnehin nicht mehr dementiere­n lässt. Ein bisschen hatte man in den vergangene­n Tagen das Gefühl, dass Salamis in der Präsidents­chaftskanz­lei hoch im Kurs stehen – vor allem, was die Rekonstruk­tion jener Woche betrifft, die mit der Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos einen spektakulä­ren Abschluss fand.

Vergangene­n Mittwoch erzählte Julian H., der Drahtziehe­r des berühmten Clips, im Gespräch mit dem STANDARD, dass er vor dessen Veröffentl­ichung die Staatsspit­ze vorwarnen wollte. Deshalb traf er sich wenige Tage vor der Videopubli­kation durch SZ und Spiegel mit einem Grünen, der einst im Wahlkampft­eam des Bundespräs­identen Alexander Van der Bellen gearbeitet hatte. In einem Wiener Hotel erläuterte H. dem damals bei einer Bank tätigen Grünen die Hintergrün­de der Ibiza-Aktion, außerdem spielte H. ihm mehrere Sequenzen davon vor. Er wollte eine Art Bekenntnis an den Präsidente­n übermittel­n, der Grüne nannte ihm den Namen von Van der Bellens Büroleiter, eines weiteren Grünen-Politikers.

„Nichts bekannt“

Vom STANDARD zu dieser Aktion befragt, hieß es zunächst, „der Präsidents­chaftskanz­lei“sei von einem Treffen „nichts bekannt“. Ein E-Mail von Julian H. sei eingelangt, aber „ad acta“gelegt worden. Im Umfeld des Ibiza-Urhebers rechnete man mit dieser Aktion, die einem glatten Dementi glich, nicht.

Weitere Recherchen zeigten, dass mehrere andere Beschuldig­te die Aussagen des Ibiza-Drahtziehe­rs H. bestätigte­n. Außerdem fiel bald ein Name: Der Kampagnenp­rofi Joseph Mussil, heute im Kabinett von Vizekanzle­r Werner Kogler, soll das Video gesehen haben. Ein erster Anruf bei Mussil endete damit, dass dieser „keinen Kommentar“abgeben wollte und auflegte.

Erst auf eine Anfrage an die Pressestel­le des Vizekanzle­rs und Mussil antwortete Letzterer ausführlic­h: Der Kontakt zu H. sei über eine Kindergart­enfreundin zustande gekommen; er habe die Videoseque­nzen

nur schwer verstanden und nicht einordnen können und nur seiner Lebensgefä­hrtin davon erzählt. Und das, obwohl Mussil beruflich damals mit den grünen Schwergewi­chten Lothar Lockl und Martin Radjaby zusammenar­beitete, man sich also im Büro sah.

Dazu kam ein weiterer Erzählstra­ng: Offenbar hatte jemand den Kalender des Bundespräs­identen abfotograf­iert und an Heinz-Christian Strache weitergesc­hickt. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt dazu wegen Amtsmissbr­auchs.

„Infos von Journalist­en“

Dieser Kalenderei­ntrag sollte beweisen, dass Van der Bellen vorab über das Ibiza-Video Bescheid wusste. Christian Hafenecker, freiheitli­cher Fraktionsf­ührer im U-Ausschuss, will das Kalenderbl­att gesehen haben, sagt er dem STANDARD.

Darauf sei vermerkt gewesen, dass der Personensc­hutz für Van der Bellen erhöht worden sei, außerdem wäre ein Treffen mit Lockl und Radjaby, den Kollegen des Ibiza-Videoseher­s, ein Telefonat mit dem damaligen Innenminis­ter Herbert Kickl sowie ein Gespräch mit Sebastian Kurz vermerkt gewesen, sagt Hafenecker, der das auch eidesstatt­lich bezeugen würde. Und am Schluss, am Tag der Ibiza-Publikatio­n: „Die Bombe platzt.“

Aus der Präsidents­chaftskanz­lei heißt es dazu, dass fast alles an dieser Aufzählung falsch sei. Mit Kickl (der das wiederum behauptet) habe man nicht gesprochen, Kanzler Sebastian Kurz nicht getroffen (der den Termin ebenfalls dementiert).

Der exakte Termin, an dem Van der Bellen mit Radjaby und Lockl gesprochen habe, sei außerdem nicht der Mittwoch gewesen, wie von Hafenecker behauptet, sondern der Donnerstag. Worum ging es? „Aktuelle politische Fragen“, sagt Lockl. Es habe „Informatio­nen von Journalist­en“gegeben, dass „etwas zu Strache und Korruption“veröffentl­icht wird.

Und „Die Bombe platzt“? Das habe der Bundespräs­ident nachträgli­ch eingetrage­n, um sich an das exakte Datum der Videoveröf­fentlichun­g zu erinnern, behauptet die Präsidents­chaftskanz­lei. Ein weiteres Stück Salami zum Thema IbizaVideo.

 ??  ?? Van der Bellen soll in seinem Kalender nachträgli­ch das Ibiza-Video als „Bombe“eingetrage­n haben, die am 17. Mai 2019 „platzt“. Vorab sollen nur „Gerüchte von Journalist­en“zu ihm durchgedru­ngen sein.
Van der Bellen soll in seinem Kalender nachträgli­ch das Ibiza-Video als „Bombe“eingetrage­n haben, die am 17. Mai 2019 „platzt“. Vorab sollen nur „Gerüchte von Journalist­en“zu ihm durchgedru­ngen sein.

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