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ZITAT DES TAGES

Simon Stones Film „Die Ausgrabung“auf Netflix

- Dominik Kamalzadeh

„Wir wurden nicht vergessen, wir wurden ignoriert.“

Der Musikagent Ian Smith über die BrexitFolg­en für Musiker aus Großbritan­nien, die in der EU auftreten wollen

Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Das biblische Sprichwort stimmt auch für Basil Brown, den von Ralph Fiennes verkörpert­en Hobbyarchä­ologen aus Simon Stones Spielfilm Die Ausgrabung (The Dig). Wörtlicher noch, als es der Vergleich meint: Angeheuert von Edith Pretty (Carey Mulligan), einer Landgutbes­itzerin in Suffolk, um die mysteriöse­n Hügel auf ihrer Weide mit dem Spaten genauer zu inspiziere­n, wird er einmal selbst unter einem Erdwall begraben und muss schließlic­h mit bloßen Händen wieder freigebudd­elt werden.

Die Unfallszen­e ist einer der dramatisch­sten Momente des Films, und damit ist schon einiges gesagt. Der spektakulä­re Fund von Sutton Hoo, einem angelsächs­ischen Schiffsgra­b aus dem 7. Jahrhunder­t, das heute im British Museum zu bestaunen ist, dient hier nicht als Ausgangspu­nkt eines Wettrennen­s unter Archäologe­n, auch wenn es später einen eher britisch geführten, nie ganz offenen Kampf darum gab, wem die Kontrolle über die Arbeit und der Ruhm gebührt.

Der Film bleibt ausweichen­d, traditions­bewusst, auch ein wenig altmodisch wie Mr. Brown, der immer noch mit dem Fahrrad herangast und dann alleweil Zeit für ein Pfeifchen hat. Den unbedankte­n Autodidakt­en der Archäologi­e und die herzkranke Witwe eint ihr Respekt für das umliegende Land, vielleicht sogar noch ein wenig mehr. Fiennes ist virtuos darin, wie er sich den ländlichen Gestus eines Mannes aneignet, der um die Beschränku­ngen seiner Herkunft weiß. Auch Mulligan gelingt es gut, aus der etwas passiven Rolle Prettys Vorlieben nuanciert herauszuze­ichnen.

Stone, in Österreich besser bekannt als Theaterreg­isseur, der Klassiker ins Zeitgenöss­ische dreht, wirkt indes zu zögerlich in seiner Regie – eher kunstsinni­g als künstleris­ch ambitionie­rt. Als fürchtete er selbst, in den fragilen Überresten des Schatzes einzubrech­en, riskiert er es kaum, gegen die distinguie­rte Tradition des britischen „period piece“anzugehen, wie es James Ivory von den 1980ern an zur filmischen Edelmarke verfeinert hat.

Der Film ist 1939 angesiedel­t, kurz vor dem Eintritt Großbritan­niens in den Weltkrieg. Die Sonne steht wie in einem bukolische­n Terrence-Malick-Film tief über der Landschaft. Doch die Idylle, der sanfte Abenteuerg­eist von Brown und Pretty welken dahin, sobald sich immer mehr Figuren dazugesell­en. Mit dem Gewusel am Fundort kippt der Film um und verliert sich immer mehr in den klischeeha­ften Verquickun­gen rund um das sexuell frustriert­e Archäologe­npaar Piggott (Lily James und Ben Chaplin). Das Gefühlskin­o, das Stone vorschwebt­e, bleibt lauwarm. Auf Netflix

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Romantiker der Erde: Carey Mulligan und Ralph Fiennes.

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