Weltweiter Aufschrei gegen Putsch in Myanmar
Am Montag übernahm in Myanmar das Militär die Macht – wieder einmal. Nach einer Phase der Demokratisierung hatten sich schon seit Monaten Anzeichen, dass sich alte Muster wiederholen, verdichtet.
Während es in Myanmars Straßen teilweise gespenstisch still war, fanden sich in Bangkok am Montag viele Menschen zusammen, die gegen den im Nachbarland stattfindenden Putsch demonstrierten. Auch in anderen Städten formierte sich Protest gegen die Festnahme von Aung San Suu Kyi und Führungsfiguren der Regierungspartei NLD. Dienstag will der UN-Sicherheitsrat die Krise behandeln.
Fast ein halbes Jahrhundert hatte das Militär Myanmar fest im Griff. Ende der Nullerjahre begann eine Phase der Öffnung, mit dem Putsch scheint diese beendet.
Frage: Was ist am Montagmorgen in Myanmar passiert?
Antwort: Am frühen Morgen (Ortszeit) ergriff das Militär die Macht in dem Land und rief einen einjährigen Ausnahmezustand aus. Die Führung der demokratisch gewählten Regierungspartei NLD der De-factoRegierungschefin Aung San Suu Kyi wurde festgesetzt – so wie einige Parlamentsabgeordnete und eine große Zahl an Aktivisten der „1988Generation“. Damals gab es einen Aufstand, bei dem sich Suu Kyi als Demokratie-Ikone profilierte.
Frage: Gab es Proteste?
Antwort: Einige Befürworter des Coups zogen am Montag fahnenschwenkend durch Rangun. Proteste gegen den Putsch gibt es bisher nicht im Land. Anonym äußerten sich Gegner aber in der Agentur Reuters kritisch. Die NLD veröffentlichte auf Facebook ein Schriftstück, in dem Suu Kyi zu Widerstand aufruft: „Die Öffentlichkeit ist dazu aufgerufen, sich dem Militärputsch voll und ganz zu widersetzen und sich entschieden dagegen zu wehren.“
Frage: Warum putscht das Militär? Antwort: Der Grund ist laut Militär vermeintlicher Betrug bei der Parlamentswahl im November. Am Montag wäre das neue Parlament erstmals zusammengekommen. Schon zuvor hatten Gerüchte über einen Putsch die Runde gemacht. Tatsächlich kritisierten im Vorfeld der Wahlen auch internationale Beobachter, dass viele Menschen nicht zum Votum zugelassen wurden. Vor allem in den Regionen mit mehrheitlich ethnischen Minderheiten wurden wegen Sicherheitsbedenken die Wahlen abgesagt. Das ist aber nicht, was das Militär anprangert.
Der Vorwurf des Militärs lautet,
dass Wählerlisten in großem Stil gefälscht worden seien – Beweise legte es aber bisher nicht vor. Bei den Wahlen musste die vom Militär unterstützte Partei USDP eine herbe Niederlage einstecken, bereits die zweite seit der demokratischen Öffnung des Landes ab 2008.
Frage: Die Armee sitzt doch fest im Sattel. Warum putscht sie? Antwort: Das Militär hält zwar laut Verfassung automatisch 25 Prozent der Sitze. Mit dem schlechten Abschneiden der USDP sei es aber weit davon entfernt, eine Regierung bilden zu können, erklärt Georg Bauer von der Universität Wien. Er sieht eine mögliche Erklärung darin, dass die Emotionen in den vergangenen Tagen hochgingen, weil die NLD nicht bereit war, Kompromisse bezüglich der Vorwürfe einzugehen – die er für gehaltlos hält.
Frage: Wie viel Rückhalt hat Aung San Suu Kyi in Myanmar? Antwort: Wie die Wahlergebnisse zeigen, ist die Unterstützung für Suu Kyi vor allem unter der Mehrheitsbevölkerung der Bamar ungebrochen. In den vergangenen Jahren wurde aber Kritik laut, dass sie einen autoritären Stil übernehme. Unter ihrer Führung wurden politische Aktivisten festgenommen, Minderheiten in dem Vielvölkerstaat fühlten sich ausgegrenzt. Vor allem die Situation der Rohingya hat international für Kritik gesorgt, weil sich Suu Kyi nicht für die verfolgten Muslime einsetzte, sondern deren Unterdrückung verteidigte.
Frage: Was bedeutet der Putsch für die Rohingya?
Antwort: Ein Vertreter der Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch verurteilte den Putsch am Montag.
„Wir drängen die internationale Gemeinschaft dazu, hervorzutreten und die Demokratie wiederherzustellen“, sagte Dil Mohammed. Bangladesch hofft weiter darauf, dass die Zurückbringung der Flüchtlinge – wie ausgemacht – weitergehen kann, wie das Außenministerium am Montag bekanntgab.
Frage: Wie kann es weitergehen? Antwort: Das Militär versprach, im Laufe des nächsten Jahres „freie und faire Wahlen“abzuhalten. Ob es tatsächlich dazu kommt, ist nicht absehbar. Der Putsch hat außerdem das Vertrauen in die fragilen demokratischen Institutionen schwer gedämpft. Bauer sieht weiters die Waffenstillstandsabkommen mit den vielen ethnischen Rebellengruppen im Land in Gefahr. Der Bürgerkrieg, der seit über 70 Jahren andauert, könnte wieder voll aufflammen. Bauer hofft aber, dass sich das Militär bei etwaigen Protesten zurückhält. Anders als bei früheren Militärcoups seien die Menschen nun mit ihren Smartphones gut vernetzt. Die Welt kann also genauer hin- und zuschauen.