Der Standard

Aufweichun­g trotz verfehlter Ziele

Die Infektions­zahlen sind durch den harten Lockdown weit weniger gesunken als erhofft. Dennoch setzte die Bundesregi­erung erste Lockerungs­schritte. Strafen für Maskenverw­eigerer sollen hingegen verschärft werden.

- Theo Anders, Oona Kroisleitn­er, Wolfgang Weisgram

Am Montag durchlief die Bundesregi­erung wieder einmal ihren Corona-Informatio­nsreigen. Das Programm von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzle­r Werner Kogler und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) war man bereits gewohnt: Zuerst stand am Vormittag ein Treffen mit der Opposition im Terminkale­nder, danach wurden die Landeshaup­tleute geladen. Gemeinsam sollte über die Situation nach dem 7. Februar diskutiert werden – jenem Tag, für den Mitte Jänner das Ende des harten Lockdowns angepeilt wurde.

Doch ein Erreichen des im Jänner ausgegeben­en Lockdown-Zielwerts ist weiterhin nicht in Sicht. Eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50 – also im Wochenschn­itt 50 Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner – war die erklärte Maßzahl von Experten, der sich die Regierung angeschlos­sen hatte. Der aktuelle Wert der Inzidenz liegt allerdings bei 110, also mehr als doppelt so hoch – ein rasches Absinken im Laufe der Woche zeichnet sich momentan nicht ab. Denn auch zu Wochenbegi­nn wurden in Österreich 1124 Neuinfekti­onen innerhalb von 24 Stunden gemeldet.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erklärte denn auch nach dem Treffen der Opposition mit der Koalition: „Die Infektions­zahlen sind derzeit zu hoch, die Impfzahlen zu gering. Breit zu öffnen wäre jetzt der falsche Weg.“Bloß den Präsenzunt­erricht an den Schulen solle man kommende Woche wieder ermögliche­n, forderte Rendi-Wagner. Umfassende Lockerunge­n würden hingegen eine dritte Welle im März heraufbesc­hwören.

Ruf nach Lockerunge­n

Für weitergehe­nde „kontrollie­rte Lockerunge­n mit Hirn“plädierte hingegen Neos-Chefin Beate MeinlReisi­nger, zumal eine Überlastun­g der Intensivst­ationen derzeit nicht drohe, was aber die rechtliche Grundlage eines verlängert­en Lockdowns sein müsste. Teile des Kulturbetr­iebs solle man etwa mit Eintrittst­estungen wieder aufsperren, forderten die Neos. Auch den Handel solle man unter FFP2-MaskenPfli­cht öffnen. Meinl-Reisinger monierte allerdings, dass seitens der Regierung keine Prognosere­chnungen für die epidemiolo­gische Entwicklun­g vorgelegt worden seien.

Aus den Reihen der Landeshaup­tleute wurden vor den Beratungen mit der Regierung immer mehr Stimmen laut, die auf größere Öffnungssc­hritte – neben der Schule vor allem im Handel – drängten. Mit teils dramatisch­en Worten wurde die steigende psychische Belastung der Menschen nach den wochenlang­en Lockdowns ins Treffen geführt: Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer (ÖVP) warnte etwa vor einem „bundesweit­en LagerManch­en koller“, sein Tiroler Parteikoll­ege Günther Platter (ÖVP) fürchtete gar eine „kippende“Stimmung in der Bevölkerun­g.

Auch das rot geführte Burgenland wartete am Montag mit Lockerungs­wünschen auf, die die vorsichtig­e Linie der Bundes-SPÖ überflügel­ten. So solle man die Gastronomi­e sowie die Tourismusb­etriebe jedenfalls ab 1. März unter strengen Sicherheit­sauflagen „wiederaufl­eben“lassen. Die Infektions­gefahr in diesen Betrieben sei gering, und es brauche „endlich eine Perspektiv­e“, sagte Landesrat Leonhard Schneemann, der den Landeschef Hans Peter Doskozil (beide SPÖ) bei der Konferenz mit der Regierungs­spitze vertrat.

aber nicht allen Öffnungswü­nschen der Landeschef­s ist die Regierung nach mehrstündi­ger Debatte letztlich gefolgt. Länger als geplant, bis in den Abend hinein, diskutiert­e die Regierungs­spitze mit den Ländern.

Härtere Strafen

Der Handel darf unter strengen Auflagen am 8. Februar wieder öffnen – dazu gehört die FFP2-MaskenPfli­cht und eine niedrigere Kundenanza­hl. So müssen pro Kunde 20 Quadratmet­er zur Verfügung stehen. Museen, Galerien, Tiergärten öffnen mit den gleichen Einschränk­ungen wie der Handel.

Dienstleis­ter dürfen ab kommender Woche wieder Kunden empfangen, allerdings nur mit Eintrittst­ests, die nicht länger als 48 Stunden zurücklieg­en. Die Gastro darf hingegen weiterhin keine Gäste im Lokal bewirten dürfen.

Die Ausgangsbe­schränkung­en werden gelockert und auf die Zeit von 20 bis sechs Uhr beschränkt. Untertags dürfen sich zwei Haushalte treffen. Mit den ersten sanften Öffnungssc­hritten werden auch neue Verschärfu­ngen einhergehe­n. So werden die Organstraf­mandate für Maskenverw­eigerer (sie liegen derzeit bei 25 bzw. 50 Euro) sowie bei Nichteinha­lten des Zwei-MeterAbsta­nds erhöht werden. Details wird Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) heute, Dienstag, präsentier­en.

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Die türkis-grüne Regierungs­spitze verhandelt­e am Montagnach­mittag mehrere Stunden mit den Landeshaup­tleuten um Lockdown-Lockerunge­n.

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