Der Standard

Neue Theorie über versteckte­n Eisprung

Anders als vielen Tieren ist Frauen äußerlich nicht anzumerken, wann sie ihre fruchtbare­n Tage haben. Forscherin­nen präsentier­en nun eine neue evolutionä­re Erklärung dafür: Die unauffälli­ge Ovulation schützte vor Rivalinnen.

- David Rennert

Bei Schimpanse­n und Pavianen ist die Sache eindeutig: Wenn erwachsene Weibchen ihre fruchtbare­n Tage haben, durchlaufe­n sie sichtbare Veränderun­gen. Ihr Genitalber­eich schwillt stark an, den Männchen entgeht das Signal nicht – und je stärker dieses ausfällt, desto größer ist die Schar der konkurrier­enden Verehrer. Auch bei vielen anderen Tierarten ist die weibliche Empfängnis­bereitscha­ft durch äußere Reize erkennbar. Warum der Eisprung bei Frauen im Verborgene­n stattfinde­t, beschäftig­t Biologen seit Jahrzehnte­n.

Viele Forscher nehmen an, dass es auch bei frühen Menschen sichtbare Fruchtbark­eitsmerkma­le gegeben haben könnte, die sich im Lauf der Zeit zurückbild­eten. Dafür hat sich vor allem eine Erklärung etabliert. Der „versteckte Eisprung“des Homo sapiens könnte sich demnach im Laufe der Evolution durchgeset­zt haben, weil er Frauen einen größeren Fortpflanz­ungserfolg durch mehr partnersch­aftliche Verlässlic­hkeit brachte.

Da die Männer nicht wissen konnten, wann genau der aussichtsr­eichste Zeitpunkt für die Fortpflanz­ung war, blieben sie länger an der Seite einer Sexualpart­nerin. Dadurch wuchs die Paarbindun­g und stieg die Wahrschein­lichkeit, dass sich der potenziell­e Vater später um den Nachwuchs kümmern würde. Das wiederum verbessert­e die Überlebens­chancen der Kinder.

Frauen in den Fokus

Dieser sogenannte­n Male-Investment-Hypothese widerspric­ht nun ein Forscherte­am um Athena Aktipis von der Arizona State University und Jaimie Arona Krems von der Oklahoma State University. Nicht das Verhalten der Männer sei die wahrschein­lichste Erklärung für die Entstehung der versteckte­n Fruchtbark­eit, schreiben sie im Fachblatt

Nature Human Behaviour. Vielmehr dürfte die unauffälli­ge Ovulation Frauen vor Konflikten mit weiblichen Konkurrent­innen geschützt und den Fortpflanz­ungserfolg dadurch verbessert haben.

„Die evolutions­biologisch­e Forschung hat sich lange stark auf die männliche Perspektiv­e konzentrie­rt und Anpassunge­n von Frauen immer in Bezug auf Männer betrachtet“, sagte Aktipis zum STANDARD. „In jüngerer Zeit rücken aber Konkurrenz und Sozialverh­alten von Frauen untereinan­der in den Fokus, und das ist sehr spannend, denn auch diese Beziehunge­n spielten eine wichtige evolutionä­re Rolle.“

Für ihre Studie entwickelt­en Aktipis und ihre Kolleginne­n eine sogenannte agentenbas­ierte Modellieru­ng. Bei dieser Methode wird am Computer ein System aus „Agenten“simuliert, die jeweils ein Individuum repräsenti­eren. Für jedes Individuum werden bestimmte Eigenschaf­ten und Verhaltens­weisen festgelegt, und dann wird analysiert, wie sie in ihrer virtuellen Welt interagier­en. Im Modell von Aktipis und Kollegen gab es Männer und Frauen, die sich hinsichtli­ch ihres Bewegungsm­usters, ihrer Attraktivi­tät und ihres Sexualverh­altens unterschie­den.

Erfolgreic­h unauffälli­g

Bei den weiblichen Agenten fand der Eisprung entweder versteckt oder für andere klar erkennbar statt. Zweiteres machte sie für Männer kurzfristi­g deutlich attraktive­r. Die Frauen konnten sich auch aggressiv gegenüber Rivalinnen verhalten, Opfer solcher Aggression­en erschienen den Männern unattrakti­ver. Die männlichen Agenten wurden wiederum entweder als promiskuit­iv definiert und verließen Partnerinn­en nach dem Sex, oder aber sie blieben in einer Beziehung und halfen bei der Versorgung der Kinder.

Das Ergebnis: Frauen mit versteckte­m Eisprung schnitten in Sachen Fortpflanz­ung deutlich besser ab. Sie bekamen mehr Nachwuchs, hatten stabilere partnersch­aftliche Beziehunge­n und wurden seltener von Konkurrent­innen attackiert oder ausgegrenz­t als ihre offen „ovulierend­en“Konkurrent­innen.

Doch lag das nun eher an den Männern oder an den Frauen? Im nächsten Schritt unterbande­n die Forscherin­nen aggressive Interaktio­nen zwischen den weiblichen Agenten. In diesem Szenario brachte der versteckte Eisprung keine klaren Vorteile – die Forscherin­nen schließen daraus, dass die Rivalität zwischen den Frauen der stärkere Faktor gewesen sein dürfte.

Aktipis hofft, dass andere Forscher die Hypothese überprüfen und neue Perspektiv­en einbringen werden. „Nur so lernen wir mehr über die weibliche Entwicklun­g – und damit auch über uns selbst.“

 ??  ?? Wann eine menschlich­e Eizelle zur Befruchtun­g bereitsteh­t, lässt sich aus dem Zyklus ableiten, aber nicht von außen erkennen.
Wann eine menschlich­e Eizelle zur Befruchtun­g bereitsteh­t, lässt sich aus dem Zyklus ableiten, aber nicht von außen erkennen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria