Wer profitiert von der Digitalförderung?
„Es geht hier um eine Förderung tradierter österreichischer Unternehmen und deren Geschäftsmodelle. “Der Wiener Digitalrechtler Nikolaus Forgó über die geplante neue Digitalförderung für Medien: „Das verzerrt den Markt zulasten der wenigen, die bisher ber
Die neue Digitalförderung zementiere die traditionellen Medien und ihre Marktverhältnisse in Österreich, sie sei als „Gegenteil einer offenen, transparenten, wissenschaftsbasierten und diskursorientierten Förderpolitik“gestaltet. Sie könne gesetzlich zu wenig bestimmt sein und EU-rechtlich fragwürdig. Das ist – sehr grob zusammengefasst – der erste, kritische Befund des renommierten Digitalrechtlers Nikolaus Forgó über den neuen Gesetzesentwurf.
Nikolaus Forgó leitet das Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht am Wiener Juridikum. DER STANDARD bat den Professor für Technologie- und Immaterialgüterrecht um eine erste Bewertung der von ÖVP und Grünen ausverhandelten Digitalförderung. Er fand gleich eine Reihe von aus seiner Sicht fragwürdigen Punkten in dem Entwurf.
Die „Erhaltung der Vielfalt an Anbietern und zur Förderung des Auf- und Ausbaus des digitalen Angebots in der Medienlandschaft“erklärt die Regierung im Entwurf zum Ziel der neuen Förderung von regulär 15 Millionen Euro pro Jahr und 34 zum Start 2021.
Beihilfenrechtlich zu prüfen
Im Gegenteil, erklärt Forgó: „Es geht hier um eine Förderung tradierter österreichischer Unternehmen und deren Geschäftsmodelle. Anders ist nicht zu erklären, dass sich die Förderung nur an private Medienunternehmen richtet und selbst unter diesem engen Begriff nur jene versammelt werden, die bereits jetzt auf dem Markt und (relativ) groß sind. Damit werden innovative Neueintritte in Märkte erschwert.“Forgó weiter: „Ob das beihilfen- und europarechtlich überhaupt zulässig ist, wäre genauer zu prüfen. Innovationsfördernd wirkt es meiner Einschätzung nach nicht.“
Die Erläuterungen zum Gesetzesentwurf bestätigten das „in aller Offenheit“(Forgó): Medienunternehmen müssten für die Digitalförderung zumindest schon ein Jahr bestehen, um „sicherzustellen, dass – im Sinne des Förderungsgegenstands – am Medienmarkt
bereits etablierte, traditionelle Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützt werden. Die Förderung soll nicht einem neu gegründeten Unternehmen als einkalkulierbare Starthilfe dienen.“Medienunternehmen, die schon als „Haupttätigkeit“eine Onlinezeitung oder einen Abrufdienst betreiben, hätten ja schon ein „ausgereiftes digitales Geschäftsmodell“, könnten „im Gegensatz zu etablierten, traditionellen Medien nicht mehr digital transformiert werden“und daher keine Förderung beantragen.
Der Digitalrechtler dazu: „Es ist meiner Einschätzung nach mindestens erklärungsbedürftig, warum öffentliches Geld dazu verwendet werden soll, etablierte, traditionelle
Unternehmen, die es bis heute, nach 25 Jahren Internet, nicht geschafft haben, ihre Geschäftsmodelle erfolgreich zu transformieren, nun darin zu unterstützen, diese Transformationsschritte (verspätet) nachzuholen.“Selbst wenn man diesen Weg einschlagen wolle, müsste man „alles tun, um zu vermeiden, dass hier erst recht Klientelpolitik gemacht wird“. Aber: „Das gelingt dem Entwurf nicht.“
Die Ansätze und Vorschläge seien „wissenschaftsund forschungsfern: „Wie soll Innovationspolitik fördern, die nicht einmal weiß, was die empirischen, technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Tuns sind?“
Der Geschäftsführer der RTR, der Geschäftsstelle der Medienbehörde, entscheidet
„Das ist das Gegenteil einer offenen, transparenten, wissenschaftsbasierten und diskursorientierten Förderungspolitik.“
wie etwa bei der Privatrundfunkförderung über die Vergabe. Ein Fachbeirat von zumindest zwei Expertinnen unter insgesamt fünf Fachleuten in Medienrecht und Publizistik kann nicht bindende Empfehlungen abgeben.
„Sehr unglücklich“erscheint Forgó, dass die fünf Mitglieder des von der Bundesregierung ernannten Fachbeirats ehrenamtlich beraten, nicht öffentlich und zur Verschwiegenheit verpflichtet: „Das ist das Gegenteil einer offenen, transparenten, wissenschaftsbasierten und diskursorientierten Förderpolitik.“
Der Entwurf überlässt die Aufteilung der Fördermittel großteils den Richtlinien der Förderstelle RTR (wie etwa bei der Privatrundfunkförderung). Es bleibe „gesetzlich unbestimmt“, wie die vom Gesetz verlangte „sachgerechte Aufteilung“aussehen könnte, moniert Forgó. Ebenso, wie die RTR (laut Gesetz) „die Entwicklung redaktionell gestalteter Inhalte vor dem Hintergrund der internationalen Wettbewerbssituation laufend beobachten und potenziell negative Auswirkungen auf die österreichische Medienlandschaft im digitalen Bereich berücksichtigen“soll.
Gesetzgebers Bestimmtheit gesucht
Nach Ansicht des Digitalrechtlers ist hier „zu fragen, ob damit dem gesetzgeberischen Bestimmtheitsgebot Genüge getan wird“.
Die Basisförderung (für Printmedien) kann im Vorhinein ausbezahlt werden. Das verstärkt Forgós „Eindruck einer realpolitisch gewollten Grundsubventionierung möglicherweise nicht immer zwingend sinnvoller Digitalisierungsprojekte für etablierte Player“.
Förderung etwa für Content-ManagementSysteme, Userdatenmanagement und VPNZugänge fügten sich „ins Gesamtbild, dass hier mit öffentlichem Geld Technologieinvestitionen, die längst zu leisten gewesen wären, ,nachgeholt‘ werden sollen. Das verzerrt den Markt zulasten der wenigen, die konzeptionell und in ihrer Infrastruktur bisher bereits (einigermaßen) ,State of the Art‘ waren.“
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