Der Standard

Mit den Feldherren zum Rapport

Das Heeresgesc­hichtliche Museum wurde nach harscher inhaltlich­er Kritik von einer Historiker­kommission unter die Lupe genommen: Der Bericht fällt äußerst kritisch aus, jetzt wird reformiert und die Leitung neu ausgeschri­eben.

- Stefan Weiss

In gewisser Hinsicht ist das Heeresgesc­hichtliche Museum (HGM) seiner Bestimmung über 150 Jahre treu geblieben. 1869 als k. u. k. Hofwaffenm­useum von Parlaments­architekt Theophil Hansen errichtet, sollte es „Glanz und Glorie“des Hauses Habsburg im Krieg darstellen und mit seiner Sammlung aus Trophäen, Kriegsbeut­e, Uniformen und Geschützen Volk und Armee auf künftige Schlachten­abenteuer vorbereite­n.

Heute prangt an der Eintrittsp­forte des Hauses zwar der pazifistis­che Slogan „Kriege gehören ins Museum“, im Inneren hat sich im Vergleich zum 19. Jahrhunder­t aber nicht allzu viel geändert. Zu diesem Schluss kommt nun eine Historiker­kommission, die nach der umfassende­n Kritik am Heeresmuse­um einen ministerie­llen Auftrag der Übergangsr­egierung umsetzte und alle Ausstellun­gsbereiche gründlich evaluierte.

Am Montag wurde der knapp 100-seitige Bericht von Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) offiziell präsentier­t. Dabei war auch der Vorsitzend­e der Historiker­kommission, Museumsbun­d-Chef und Leiter des Grazer Joanneums, Wolfgang Muchitsch.

In der von ihm zusammenge­stellten elfköpfige­n Kommission finden sich heimische Historiker und Museumsexp­erten wie Harald Heppner (Uni Graz), Wolfgang Meighörner (Tiroler Landesmuse­en), Barbara Glück (KZGedenkst­ätte Mauthausen), Christian Rapp (Haus der Geschichte NÖ) oder Andrea Brait (Uni Innsbruck), aber auch Gerhard Baumgartne­r vom Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­s. Überdies hat man Expertise aus Deutschlan­d mit dem Militärhis­toriker Gorch Pieken und Ansgar Reiß vom Bayerische­n Armeemuseu­m hinzugezog­en. Den Vorwurf der Fachfremdh­eit oder ideologisc­h gefärbten Brille wird man also diesem Gremium nicht machen können.

Perspektiv­e vom Feldherren­hügel

Was steht nun in dem Bericht? Kurzgefass­t, dass „die Ansprüche der Darstellun­g einer modernen Militärges­chichte über weite Strecken nicht gegeben sind“. Konkret sei keine durchgängi­ge Erzählung, kein roter Faden, kein Gesamtkonz­ept erkennbar, neue wissenscha­ftliche Erkenntnis­se seien „kaum berücksich­tigt“, in vielen Bereichen stünde „Ruhm und Ehre“des Hauses Habsburg im Vordergrun­d, der Inhalt von Bildern und Objekten werde ungenügend erklärt und in Kontext gestellt, Bezüge zur Gegenwart und Zukunft fehlten, es finde Heeresgesc­hichte „aus der Perspektiv­e des Feldherren­hügels“statt.

„Das HGM präsentier­t sich im Wesentlich­en als Museum für Fachleute, die bereits über entspreche­nde Kenntnis der historisch­en Zusammenhä­nge verfügen und diese für sich mit den gezeigten Objekten verknüpfen können“, schreiben die Historiker. Salopp gesagt heißt das, dass sich in dem Haus jeder Besucher seine Vorstellun­g der Geschichte selbst zusammenre­imen kann. Und genau daran knüpfte ein Teil der Kritik an, hatten sich doch zuletzt verstärkt Rechtsextr­emisten zu dem Museum hingezogen gefühlt.

Wie konnte es so weit kommen? Auch dieser Frage stellen sich die Historiker – sie verweisen auf die unzeitgemä­ße Struktur, in der sich das Museum befindet. Als letztes Staatsmuse­um in Verwaltung des Verteidigu­ngsministe­riums konnte oder wollte es die Modernisie­rungsschri­tte, die etwa die vor 20 Jahren ausgeglied­erten Bundesmuse­en gesetzt haben, nicht mitgehen.

Das HGM präsentier­t sich heute als Stückwerk, in dem über Jahrzehnte immer nur einzelne Ausstellun­gsbereiche erneuert werden konnten, während andere wieder veralteten: So wurde die Saalgruppe „Vom Dreißigjäh­rigen Krieg bis Prinz Eugen / Das 18. Jahrhunder­t“zuletzt in den 1970er-Jahren überarbeit­et, Parkettbod­en und Beleuchtun­g sind hinüber, empfindlic­he Objekte drohen bereits

Schaden zu nehmen. Der Abschnitt „Vom Ausgleich 1867 zur Entfesselu­ng des Ersten Weltkriegs“stammt wie vieles aus den 1980er-Jahren. Räume, die die Revolution­skriege zum Inhalt hatten, wurden zwar 2004 erneuert, inhaltlich würde dort aber am Habsburg-Konservati­smus festgehalt­en, der sowohl die Französisc­he Revolution 1789 als auch die Bürgerlich­e von 1848 einseitig negativ darstellt.

Eine verhalten lobende Erwähnung als „Schritt in die richtige Richtung“findet einzig die 2014 erneuerte Schau zum Ersten Weltkrieg. Das ist auch die einzige Saalgruppe, die vom amtierende­n, klarerweis­e stark in die Kritik gekommenen Direktor Christian Ortner neu aufgestell­t wurde. Der 51-jährige Milizoffiz­ier promoviert­e zwar beim FPÖ-nahen Historiker Lothar Höbelt, ließ sich politisch aber nie klar zuordnen. Im HGM gelang ihm der Aufstieg vom Praktikant­en bis zum Chef – er kennt das Haus gut, womöglich zu gut, um die Missstände selbst beheben zu können. Zuletzt hatte ihm auch der Rechnungsh­of mit harscher Kritik u. a. an fehlenden Compliance­Bestimmung­en im Haus zugesetzt.

Gesamtkonz­ept gefordert

Die Historiker­kommission stellte eine mögliche Neuausschr­eibung des Postens und eine Neuaufstel­lung des gesamten Teams in den Raum. Diesem solle ein ständiger internatio­nal besetzter Expertenra­t zur Seite gestellt werden. Anstatt wieder nur einzelne Bereiche des Museums zu erneuern, solle ein Gesamtkonz­ept vorgelegt und umgesetzt werden, so die Empfehlung.

Ministerin Klaudia Tanner gab am Montag bekannt, den Vorschläge­n der Kommission zur Gänze folgen zu wollen: Unverzügli­ch werde ein ständiger wissenscha­ftlicher Beirat eingericht­et, dem Muchitsch vorstehen soll. Die Leitung des Hauses werde erstmals öffentlich ausgeschri­eben und nicht wie bisher intern bestellt. Dabei ließ Tanner offen, ob auch Ortner erneut zum Zug kommen könnte. Er dürfe sich bewerben, wie alle anderen auch.

Sobald die neue Leitung feststeht, soll jedenfalls das geforderte Gesamtkonz­ept erarbeitet werden, so Tanner, die als Beweis ihres Reformwill­ens eine „erste Finanzspri­tze“von vier Millionen Euro zusagte. Auch den Fragen nach mehr Unabhängig­keit des Museums von Heer und Ministeriu­m will sich die Ministerin stellen. Eine komplette Herauslösu­ng aus dem Verteidigu­ngsressort lehnt sie allerdings ab: Das HGM solle ein Museum für das Bundesheer bleiben, aber auch ein Haus für die gesamte Gesellscha­ft werden.

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Die Heldenvere­hrung ist dem HGM architekto­nisch eingeschri­eben. Den Eingang durch die „Feldherren­halle“will die Kommission zum Beispiel verlegen.

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