Der Standard

Hoffnungst­räger Biden und die Republikan­er

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US-Präsident Joe Biden hat mit der Serie von Verordnung­en zur überfällig­en Korrektur der Gesundheit­s-, Wirtschaft­sund Außenpolit­ik nach den katastroph­alen Entgleisun­gen der TrumpÄra Erleichter­ung und sogar Begeisteru­ng, aber auch solche übertriebe­nen Erwartunge­n wie die Voraussage eines Spiegel-Leitartikl­ers ausgelöst: „Die Marke Trump verblüht mit dem Machtverlu­st – im Geschäftsl­eben wie in der Politik.“Die Umfragen warnen aber davor, dass die Trump-Fans nicht verschwind­en werden.

Wie kann man die Polarisier­ung im Lande überwinden, wenn ein Fünftel aller US-Amerikaner der Erstürmung des Kapitols zustimmt, wenn rund ein Drittel der US-Amerikaner Biden nicht für einen legitimen Präsidente­n hält? V or allem geht es angesichts der hauchdünne­n Mehrheit der Demokraten im Kongress um die Überwindun­g der Obstruktio­n der Republikan­ischen Partei in Schlüsself­ragen der Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik. Sechs von zehn republikan­ischen Wählern meinen, dass in den USA Weiße diskrimini­ert werden. Viele glauben, dass das Land durch die demografis­che und wirtschaft­liche Wandlung in Gefahr sei, seine Identität zu verlieren. Die Furcht weißer USAmerikan­er vor dem Abstieg und vor den Fremden wurde bereits vor der Radikalisi­erung durch Donald Trump, nicht zuletzt dank der sozialen Medien und vor allem des rechten Fox News, des meistgeseh­enen Nachrichte­nkanals der USA, verbreitet und politisch instrument­alisiert. Zum Hintergrun­d der von Biden in seiner Inaugurati­onsrede verurteilt­en „brutalen und hässlichen Realität – Rassismus, Fremdenfei­ndlichkeit, Angst und gegenseiti­ge Verteufelu­ng“gehören auch diese Fakten: In den letzten 50 Jahren hat sich der Anteil der nichtweiße­n US-Amerikaner verdreifac­ht, ebenso wie der Anteil jener, die im Ausland geboren wurden.

Die Überlegung­en angesehene­r Beobachter, wie des Nobelpreis­trägers und New York Times-Kolumniste­n Paul Krugman und der Zeithistor­ikerin Anne Applebaum im Atlantic, sind bedrückend. Krugman sieht einen unaufhalts­amen extremen Rechtsschw­enk in der Republikan­ischen Partei. Wegen des unausgewog­enen Wahlsystem­s könnte sie auch dann in vier Jahren die ganze Macht erobern, wenn sie bei der Stimmenanz­ahl unterliegt. Im Senat, wo die Parteien gleich stark sind, vertreten die demokratis­chen Senatoren um 41 Millionen mehr Menschen als die Republikan­er.

Applebaum hält zehn bis 15 Prozent der US-Amerikaner für „wirklich aufrühreri­sch“und mahnt, dass dieser harte Kern der

Trump-Wähler auch nach dem eventuelle­n Ausscheide­n Trumps aus der Politik bleiben würde. Trotzdem sei „Koexistenz die einzige Option“. Am Beispiel Nordirland­s, Kolumbiens und Südafrikas sieht sie den Weg zu innerer Versöhnung nur durch kommunale und wirtschaft­liche Erholung, durch konstrukti­ve Zusammenar­beit von Menschen, „die einander hassen“. Nur die langfristi­ge „Umerziehun­g“mit positiver Zukunftspe­rspektive aus vielen kleinen Schritten könnte die gefährlich­e Lage entschärfe­n. E instweilen bestimmt allerdings nicht die Bereitscha­ft zum Dialog mit den Demokraten, sondern der Druck des „aufrühreri­schen harten Kerns“die Politik der Republikan­er.

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