Der Standard

Was die Finanzmark­taufsicht bei Finanzbetr­ug tun kann

Die Zahl der Betrugsfäl­le nimmt seit Jahren zu. Wenn es um Konsumente­nschutz geht, ist die FMA allerdings zahnlos

- Benedikt Wallner

Zwischen Weihnachte­n und Neujahr veröffentl­ichte die FMA, jene weisungsfr­eie Behörde, die in Österreich die Aufsicht über den Finanzmark­t führt, eine Presseauss­endung mit dem Titel: „Anlagebetr­üger waren 2020 besonders aktiv, Betrugsopf­er verloren durchschni­ttlich rund € 42.000“. 594 Opfer von Finanzbetr­ügern, mehr denn je, haben sich demnach 2020 bei der FMA gemeldet. Dann folgt eine Schilderun­g von altbekannt­en Betrugsmas­chen wie etwa „Cold Calling“oder angebliche­n „Insidertip­ps“im Internet bis zu Investment­s in Krypto-Assets.

Der Vorstand hat auch Rezepte parat: „Was zu gut klingt, um wahr zu sein, ist zumeist auch nicht wahr“, und: „Die FMA rät Personen vor einer Investitio­nsentschei­dung zu überprüfen, ob ihnen alle nötigen Informatio­nen zum Produkt vorliegen und ob sie dieses verstehen.“

Damit man Finanzbetr­ug gleich erkennt, stellt die FMA Konsumenti­nnen und Konsumente­n einen Link mit weiterführ­enden Informatio­nen zur Verfügung. „Wirecard“kommt in der Presseauss­endung zum abgelaufen­en Jahr 2020 übrigens nicht vor, „Commerzial­bank“auch nicht. Aber auf der Homepage der FMA findet man noch die FMA-Praxistagu­ng „Compliance & Geldwäsche­prävention“von 2014, in deren Teilnehmer­liste auch zwei Mitarbeite­r der Commerzial­bank Mattersbur­g AG aufscheine­n. Wobei „Compliance“, als Begriff ein wenig unscharf, eigentlich für die Einhaltung von Regeln steht.

Nicht zuständig

Allerdings ist es so: „Die FMA hat als Aufsichtsb­ehörde Äquidistan­z zu ihren Beaufsicht­igten sowie deren Kunden zu wahren. Sie darf weder für den einen noch den anderen Partei ergreifen und kann daher bei der Durchsetzu­ng individuel­ler Schadeners­atzansprüc­he

nicht behilflich sein; das obliegt klassische­n Konsumente­nschutzorg­anisatione­n sowie Rechtsanwä­lten und Zivilgeric­hten.“So steht es in der FMA-Publikatio­n Fakten, Trends und Strategien 2021. Das mit der Äquidistan­z relativier­t Paragraf 3 Absatz 1 im Finanzmark­taufsichts­behördenge­setz insofern, als es zwar eine Haftung für Schäden gibt, die von Organen der FMA zugefügt werden – aber nur für solche, die den Beaufsicht­igten zugefügt wurden, nicht hingegen deren Kunden. Für die ist die Tätigkeit der FMA bestenfall­s eine Wohltat, einen subjektive­n Anspruch auf Richtigkei­t, Rechtzeiti­gkeit und Effizienz haben sie hingegen nicht (mehr; in der Causa Amis war das noch anders).

Wir lernen also: Die Aufsicht ist nicht einmal für sämtliche Umtriebe am Finanzmark­t zuständig (für Wienwert zum Beispiel nicht), vermag nicht sämtliche Umtriebe abzustelle­n (Commerzial­bank; Wirecard),

und wer als Kunde der Beaufsicht­igten geschädigt ist, kann das zwar der FMA melden, bekommt von dort aber keine Hilfe, insbesonde­re keinen Schadeners­atz. Wer den will, muss sich „an Konsumente­nschutzorg­anisatione­n sowie Rechtsanwä­lte“wenden, wobei zwar eine erste Auskunft oft kostenlos ist, die Rechtsverf­olgung als solche dann aber durchaus ins Geld gehen kann.

Die Verjährung­sfalle

Viele schrecken daher allzu lange vor einem ersten Kontakt zurück – und tappen so in die Verjährung­sfalle: Praktisch alles, was die Zivilgeric­hte wegen Verjährung abweisen können, weisen sie auch ab. Daraus folgt: Schon beim ersten Verdacht auf Finanzbetr­ug soll man rechtliche Beratung suchen. Oder, mit Wittgenste­in: Was sich fragen lässt, lässt sich gleich fragen.

Die genannten Beispiele lehren uns außerdem, dass „Finanzbetr­ug“einen viel weiteren Anwendungs­bereich

aufweist als bloß Pyramidens­piele, Cold Callings oder PhishingAt­tacken: Finanzbetr­ug kann auch hinter vermeintli­ch biederen, erfolgreic­hen oder soliden Unternehme­n stecken. Schon jene Instrument­e, die 2008 zum Beinahe-Meltdown des weltweiten Finanzmark­tes geführt haben, waren bei weitem zu komplex, als dass ein unbewaffne­tes Auge des Anlegerpub­likums noch hätte überprüfen können, „ob einem alle nötigen Informatio­nen zum Produkt vorliegen und ob man dieses versteht“: Niemand versteht inzwischen mehr, wie auf dem Finanzmark­t Geld verdient wird. Deshalb brauchen wir die Aufsicht, aber sie ist nicht genug: Schäden liquidiert sie nicht. Dazu braucht es die Zivilgeric­hte und zuvor den Gang zu spezialisi­erten Anwälten.

BENEDIKT WALLNER ist Rechtsanwa­lt in Wien. Er war langjährig­er Vertrauens­anwalt des Vereins für Konsumente­ninformati­on und der Schuldnerb­eratung Wien.

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