Der Standard

Marita Kramer springt allen davon

Die 19-jährige Marita Kramer, in den Niederland­en geboren, mischt das Skispringe­n auf. Sie gewinnt für den österreich­ischen Skiverband in Serie. Trotz Höhenangst.

- Christian Hackl

Ronald Kramer, der Vater von Skispringe­rin Marita, liebt die Berge. Warum, das weiß der 54-Jährige nicht, vielleicht liegt es auch daran, dass Dinge, die man nicht hat, einen speziellen Reiz ausüben. Als gebürtiger Niederländ­er ist es komplizier­t, diese Sehnsucht zu stillen, die höchste Erhebung misst dort 322 Meter. Darüber lacht sogar der Wiener Kahlenberg. 2008 beschloss die Familie Kramer, bestehend aus Vater, Mutter zwei Söhnen und zwei Töchtern, Apelddoorn zu verlassen. Sie betrieben dort eine Partylocat­ion, verkauften die Hütte und noch mehr, wanderten nach Maria Alm in Salzburg aus. Während eines Urlaubs hatten sie sich in den Ort verliebt. Weil der Hochkönig ein richtiger Berg ist. Ronald wurde Hotelier, das gemütliche „Sonnenlich­t“liegt direkt an der Piste. Derzeit ist es zugesperrt. Ronald Kramer lehnt es ab zu jammern. „Corona trifft jeden. Es wird schon wieder.“

2009 wurde die Familie von einem Schicksals­schlag getroffen. Mutter Anneke starb an Brustkrebs. Marita, die innerfamil­iär „Sara“genannt wird, war acht Jahre alt. Ronald Kramer: „Wir haben Trauerarbe­it geleistet, sind noch näher zusammenge­rückt.“

Marita hatte damals schon die ersten Sprünge absolviert. Es war ein Schnuppert­ag, Volksschul­kinder aus Maria Alm und Umgebung nahmen daran teil. Marita ist auf den Geschmack gekommen. Ihr Talent konnte sie dem ÖSV nicht verbergen, der Weg war vorgezeich­net, der Skiklub Saalfelden hatte eine zusätzlich­e Perspektiv­e. Und der Vater hatte nichts dagegen. „Wenn dein Kind etwas unbedingt will, musst du es unterstütz­en.“2015 Alpencup, Kontinenta­lcup, 2017 Debüt im Weltcup, erster Weltcupsie­g im Jänner 2020 in Sapporo. Und drei Goldmedail­len bei der Junioren-WM in Oberwiesen­thal.

„Es ist harte Arbeit“

Am vergangene­n Wochenende gewann die 19-jährige Marita zwei Weltcupspr­ingen in Titisee-Neustadt. Zum Saisonauft­akt hatte sie in Ramsau gesiegt, in den bisher vier Bewerben stand sie also dreimal ganz oben auf dem Podest. Einmal wurde sie Dritte. Da wird man dann in den Medien „Überfliege­rin“genannt. „Fliegende Holländeri­n“wäre eine Alternativ­e, aber die ist zu aufgelegt, zu banal. Ihr Vater möchte sie nicht als „Jahrhunder­ttalent“bezeichnen: „Es sieht einfach aus,

ist aber harte Arbeit. Sie gibt mehr als hundert Prozent, setzt sich Ziele, die sie dann beinhart verfolgt.“Verbissen sei sie aber nie. „Sie genießt den Erfolg richtig.“

„Ein Stück Niederland­e steckt noch in mir“, sagt Marita Kramer. Vor allem kulinarisc­h, die Doppelstaa­tsbürgern mag Bitterball­en und Kroketten, wobei Palatschin­ken durchaus mithalten können. Skispringe­n heißt in den Niederland­en „Schansspri­ngen“. Es ist wirklich nur ein Gerücht, dass der nationale Skiverband um Marita buhlt. Wäre sie Eisschnell­läuferin, wäre die Lage etwas anders. Wobei es schon eine Sprungscha­nze gibt, der Weitenreko­rd liegt bei 29 Metern. Der erste Niederländ­er bei einer WM war übrigens Peter van Hal, 1995 im kanadische­n Thunder Bay Letzter von der großen und Vorletzter von der kleinen Schanze.

Ronald Kramer stellt klar: „Österreich hat für uns Superleist­ungen geliefert, wir sind dankbar, es ist unsere Heimat, wir geben zurück.“Die um zwei Jahre jüngere Schwester Femke ist hoffnungsv­olle Biathletin, sie nahm 2020 an den Olympische­n Jugendspie­len in Lausanne teil. Ein Bruder trainiert übrigens die Fußballer von Maria Alm.

Am Wochenende stehen in Hinzenbach, Oberösterr­eich, gleich drei Weltcupbew­erbe an. Aufgrund der Pandemie mussten speziell bei den Frauen mehrere Konkurrenz­en abgesagt werden. Es herrscht Nachholbed­arf. Marita Kramer, sie misst 1,71 Meter und wiegt 52 Kilogramm, ist dreimal Favoritin. „Ich bin sehr happy, dass es so gut läuft. Ich bin froh, dass ich die Belohnung für die viele Arbeit bekomme“, sagt sie. ÖSVCheftra­iner Harald Rodlauer schätzt die Einstellun­g seiner Paradeathl­etin. „Sie will immer das Optimale erreichen. Generell ist bei uns der Teamgeist herausrage­nd.“

Zimmer mit Legende

Auf Reisen teilt Marita Kramer das Zimmer mit Skisprungl­egende Daniela Iraschko-Stolz. Die 37-Jährige sagt: „Wir haben Spaß, profitiere­n voneinande­r.“Vielleicht sprechen sie auch über Höhenangst. Denn Marita leidet daran. In Klingentha­l muss man quasi über eine freischweb­ende Treppe rauf auf den Schanzentu­rm steigen. Für Kramer jedes Mal ein Horrortrip. „Ich habe gelernt, mich zu überwinden.“

Sie streitet nicht ab, in rund drei Wochen bei der WM in Oberstdorf Top-Anwärterin auf Gold zu sein. „Jetzt ist Hinzenbach. Leider gibt es keine Zuschauer, aber ich bin sehr froh, dass wir springen dürfen.“

Vater Ronald ist nicht vor Ort. Wegen Corona. „Ich drücke vor dem Fernseher die Daumen.“Und irgendwann, sagt er, „sperrt das Sonnenlich­t wieder auf“.

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Foto: APA/Ditfurth Weitenangs­t hat Marita Kramer nicht, sie springt der Konkurrenz davon.
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Foto: APA/Hochmuth Marita Kramer genießt den Erfolg, solange er da ist.

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