Der Standard

Heftige Dispute beim Lockdown-Treffen mit Kurz: „Ideenlos und ein Holler“

-

Walter Müller Wolfgang Weisgram

Mit Fortdauer der Pandemie beginnen auch in den Parteien die Linien und Positionen, wie diese Krise zu bewältigen ist, zu verschwimm­en. Wie in allen Teilen der Gesellscha­ft.

In der FPÖ etwa stehen sich jetzt zwei Lager gegenüber: Parteichef Norbert Hofer („Ich lasse mich impfen“) und die Gruppe um den radikalen LockdownGe­gner Herbert Kickl.

Wie sehr auch die SPÖ um eine einheitlic­he Haltung ringt, war am Tag der Verkündigu­ng der Lockdown-Öffnungen deutlich ablesbar. Der Wiener Parteichef und Bürgermeis­ter Michael Ludwig trat als Landeshaup­tmann

mit Kanzler Sebastian Kurz an die Öffentlich­keit, um die Regierungs­maßnahmen zu verteidige­n, jene Maßnahmen, die Bundespart­eichefin Pamela Rendi-Wagner wiederum viel zu weit gehen.

Sie machte tags darauf, am Dienstag, erneut deutlich, dass die Regierung ein viel zu großes Risiko eingehe, wenn jetzt geöffnet werde, nachdem keines der Ziele – 700 Fallzahlen täglich, Inzidenz von 50 – erreicht worden sei.

Rendi-Wagner erinnerte an die Befürchtun­g von Kurz, der gar ein exponentie­lles Wachstum für ein realistisc­hes Szenario hält. Österreich hätte noch zumindest die nächsten 14 Tage durchhalte­n müssen, damit die Zahlen weiter sinken, sagte Rendi-Wagner.

Dessen ungeachtet drückte das rote Burgenland – gewohnt gegenreden­d – aufs Öffnungste­mpo.

Ab März, so Gesundheit­slandesrat Leonhard Schneemann, solle man Gastronomi­e und Tourismus wieder hochfahren. SPLandesge­schäftsfüh­rer Roland Fürst legte nach: „Die Menschen haben mittlerwei­le die Schnauze voll.“Nachweisli­ch habe es „gerade in der Gastronomi­e nahezu keine Ansteckung­en gegeben“.

„Die Schnauze voll“

Das Burgenland könnte im Fall des Falles touristisc­h einen Turbostart hinlegen. Durch den langen Lockdown im Winter ist Geld liegengebl­ieben, das für Hotelgutsc­heine und Stornovers­icherung reserviert wurde. Max

Köllner, der Sportsprec­her der SPÖ im Nationalra­t, verlangte „Regeln mit Hausversta­nd. Niemand versteht, wenn sich Menschenme­ngen an Skiliften drängen, aber ein eins gegen eins in der Tennishall­e verboten ist.“

Für den immer um Vermittlun­g bemühten Kärntner SPÖLandesh­auptmann Peter Kaiser, der wie Rendi-Wagner Vorsicht einmahnt, verfüge die Partei durchaus über eine „PandemieSt­rategie“. Sie sei „in diesem Fall nur breiter gefasst. Unser gemeinsame­s Ziel ist es, gut durch diese Pandemie zukommen.“

Das ist auch in der ÖVP Common Sense, wird aber eben auch je nach Standort unterschie­dlich interpreti­ert. Der Wirtschaft­sflügel will breit aufmachen, die Besonnenen mahnen zur Vorsicht.

Und die Länder denken regional. Dabei kann es – so beim Treffen mit der Regierung am Montag geschehen – heiß hergehen in der ÖVP, vor allem beim Kurz-Vorschlag eines LockdownAu­tomatismus in den Ländern bei einer Inzidenz von 250.

Das sei nach einem Jahr Pandemie einigermaß­en „ideenlos“, merkte Vorarlberg­s Landeshaup­tmann Markus Wallner an, wie ein Ohrenzeuge hörte.

Der Steirer Hermann Schützenhö­fer wähnte gar ein Messer im Rücken. Und Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer soll im Laufe der Sitzung ein resümieren­des „Holler“entfahren sein. Was Bundeskanz­ler Sebastian Kurz schließlic­h zum Einlenken brachte: „Okay, dann lassen wir’s.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria