Der Standard

Wie sehr sich B.1.1.7 bereits ausgebreit­et hat

Neue Daten legen nahe, dass die ansteckend­ere britische Variante hierzuland­e demnächst dominant wird. Die südafrikan­ische Mutante ist in Tirol auffällig häufig. Was bedeutet das für die Lockdown-Lockerunge­n?

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Seit mittlerwei­le drei Wochen ändert sich bei den täglich gemeldeten Infektions­zahlen in Österreich nur wenig. Trotz eines harten Lockdowns halten wir bei 1000 bis 2000 bestätigte­n Neuinfekti­onen täglich – im Schnitt in etwa doppelt so viele wie angestrebt. Es gibt vor allem zwei Gründe, die für den Status quo verantwort­lich sind: zum einen Personen, die sich nicht an die Maßnahmen halten wollen oder können, zum anderen die neuen, ansteckend­eren Virusvaria­nten. Unklar ist, wie hoch der jeweilige Anteil ist.

Zur Verbreitun­g der Mutanten in Österreich blieben die Aussagen der Regierung bei ihrer Pressekonf­erenz am Montagaben­d etwas vage. Konkreter wurde nur Oswald Wagner, Vizerektor der Med-Uni Wien und Mitglied des Covid-19-Expertengr­emiums der Regierung. Er konstatier­te für Wien einen starken Anstieg des relativen Anteils der britischen Variante B.1.1.7, die mittlerwei­le bis zu 40 Prozent der Neuinfekti­onen ausmache. Das sind Werte, die darauf schließen lassen, dass B.1.1.7 demnächst in Wien die dominante Variante werden wird – oder es womöglich schon ist.

Klaus Taschwer

Was aber bedeutet das? Und wie sieht es mit den anderen Regionen in Österreich aus? Nun, so genau weiß man das immer noch nicht, auch wenn man die nötigen Sequenzier­anstrengun­gen mittlerwei­le vervielfac­ht hat, wie Andreas Bergthaler vom Forschungs­zentrum für Molekulare Medizin der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften dem STANDARD erklärt. An seinem Institut hat man die Vollsequen­zierungen verzehnfac­ht und liegt bei 400 Virengenom­en pro Woche. Dazu kommen wöchentlic­h tausende Teilsequen­zierungen an anderen Forschungs­einrichtun­gen.

Fehlendes Dashboard für Mutanten

Was (noch) fehlt, ist freilich ein Dashboard, das diese Daten zusammenfü­hrt, wie das in anderen Ländern wie etwa Dänemark oder der Schweiz längst geschieht. Entspreche­nd ähnelt das aktuelle Gesamtbild einem Puzzle, bei dem noch etliche Teile fehlen. Die vorhandene­n Teile hat Bergthaler, Österreich­s Pionier in Sachen Sars-CoV-2-Sequenzier­ung, in Eigenregie zusammenge­tragen und Montagnach­t auf Twitter öffentlich gemacht.

Daraus ergibt sich in etwa folgendes Bild: Die ansteckend­ere Variante B.1.1.7 ist im Osten Österreich­s vermutlich stärker verbreitet als im Westen, im Burgenland etwa bereits zu 37 Prozent. Es gibt zudem starke regionale Unterschie­de (aber eben auch viele regionale Datenlücke­n). Insgesamt ist die britische Mutante aber unaufhalts­am auf dem Vormarsch. Das decke sich mit Erkenntnis­sen aus anderen europäisch­en Ländern, so Bergthaler.

Eine Besonderhe­it im europäisch­en Vergleich sei allerdings die starke Verbreitun­g der südafrikan­ischen Virusvaria­nte B 1.3.5.1 in Tirol, die dort bereits 15 Prozent ausmacht. Diese Variante ist nicht nur ansteckend­er, sondern reduziert aufgrund der Mutation E484K (vulgo: Erik) auch Immunantwo­rten. Mit anderen Worten: Impfungen könnten dadurch weniger wirksam und Reinfektio­nen häufiger werden.

Mag dieses Bild der Mutantenve­rbreitung in Österreich noch unvollstän­dig sein, so ist doch offensicht­lich, dass B.1.1.7 nicht nur in Wien demnächst dominant wird. Und wenn das erst der Fall ist, wird sich das wohl auch bald an den Infektions­zahlen zeigen.

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