Der Standard

Eineinhalb Jahre Haft für brutalen „Kidnapping-Prank“

Vier Teenager haben einen Freund überfallen und bedroht – sie sahen es als misslungen­en Scherz

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FMichael Möseneder

ür die vier Angeklagte­n war es nach ihrer Aussage lustig, was am 8. Dezember in einer Wohnung in Wien-Ottakring passiert ist. Einen „Prank“, wie junge Menschen heutzutage einen Streich nennen, wollten sie ihrem 18-jährigen Opfer spielen, berichten die Teenager dem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Anna Marchart. Darum stülpten sie dem Opfer einen Müllsack über den Kopf, fesselten es mit Klebeband und drohten ihm Qualen an. Die Staatsanwa­ltschaft teilte den juvenilen „Humor“nicht und klagte die drei 19-Jährigen und einen 17-Jährigen, der die Aktion mit seinem Handy filmte, wegen Freiheitse­ntziehung und schwerer Nötigung an.

Alle vier sind unbescholt­en, drei machen eine Ausbildung, auch ihre

Familien sind so zahlreich erschienen, dass die Vorsitzend­e Marchart einige Verwandte auffordern muss, den Saal zu verlassen, um den vorgeschri­ebenen Elefantena­bstand garantiere­n zu können.

„Wir haben uns einen sehr dummen, idiotische­n Streich überlegt“, gibt Erstangekl­agter M. zu.

Und: „Wir hatten leider kein Mitgefühl.“Im Wohnzimmer des Zweitangek­lagten fielen, wie auf den Videos dokumentie­rt ist, die drei 19-Jährigen über das Opfer her. Als er gefesselt war, drohten sie ihm Folter an. Beispielsw­eise mit einem Bügeleisen. „Das ist eine Szene aus einem serbischen Film“, sagt M. dazu. „Das macht es lustiger?“, zeigt Marchart sich irritiert. „Nein, aber wir haben den Film gemeinsam gesehen“, versucht der Erstangekl­agte klarzumach­en, dass das Opfer den Scherz hätte erkennen müssen.

„Haben Sie ihn auch geknebelt?“, fragt die Vorsitzend­e und hilft nach: „Mit einer Mandarine?“Die Erinnerung findet der Erstangekl­agte offenbar lustig, wofür ihn die Vorsitzend­e rügt. „Das hat nur eine halbe, maximal eine Minute gedauert, dann hat er sie ausgespuck­t“, stellt M. dazu fest. Auch mit einem Buttermess­er habe er keine bösen Absichten gehabt. Das Messer brauchte er „für ein Triumphfot­o“neben dem Gefesselte­n, erklärt er.

Das Opfer, das damals mit M.s Cousine zusammen war, vermutet darin ein Motiv für den Angriff. „Komm, erzähl die Wahrheit, was hast du mit meiner Cousine gemacht?“, soll M. ihn gefragt haben. Außerdem soll der Erstangekl­agte dem Opfer klargemach­t haben: „Du beleidigst meine Ehre, du verunreini­gst mein Blut!“

Das bestreiten alle Angeklagte­n – ein Teil wusste ohnehin von der Beziehung, andere kannten die Cousine gar nicht. Auch die Videos zeigen nichts. Das Opfer sagt, er habe an diesem Abend Todesangst gehabt und sei noch in Behandlung.

Die drei älteren Angeklagte­n erhalten jeweils eineinhalb Jahre bedingte Haft. Der Minderjähr­ige kommt mit sechs Monaten davon. Zusätzlich erhält das Quartett Bewährungs­hilfe. Da die Staatsanwa­ltschaft Berufung einlegt, ist die Entscheidu­ng nicht rechtskräf­tig.

„Was mich ein wenig schockiert: Sie haben noch immer null Opferempat­hie. Ich setze da meine ganze Hoffnung in die Bewährungs­hilfe“, begründet Marchart das Urteil.

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