Der Standard

Warum bebte die Erde zuletzt immer wieder?

Ein schweres Erdbeben erschütter­te zu Jahresende Kroatien, und im Jänner häuften sich Erdstöße auch in Österreich. Gibt es da einen Zusammenha­ng? Und was spielt sich eigentlich ab unter der Erde?

- FRAGE & ANTWORT: Karin Krichmayr

Frage: Es gab es zuletzt eine Häufung von Beben in Österreich. Gibt es einen Zusammenha­ng mit dem schweren Erdbeben in Kroatien? Antwort: Nein, zumindest keinen direkten. Indirekt gibt es dahingehen­d einen Zusammenha­ng, dass sowohl Österreich als auch Kroatien an die Adriatisch­e Platte angrenzen, die sich seit Millionen von Jahren langsam nach Norden gegen die Eurasische Platte schiebt, was da wie dort voneinande­r unabhängig­e Bruch- und Störungszo­nen verursacht. Laut dem Seismologe­n Wolfgang Lenhardt * von der ZAMG ist es reiner Zufall, dass es kurz nach dem Beben in Kroatien Ende Dezember zu dieser Häufung an spürbaren Erdstößen in Österreich gekommen ist. Infolge des Bebens südlich von Zagreb ist zudem die Aufmerksam­keit in der Bevölkerun­g gestiegen, es gingen weit mehr Meldungen als üblich beim Erdbebendi­enst ein.

Frage: Sind mehrere Beben hintereina­nder also nichts Ungewöhnli­ches? Antwort: Statistisc­h gesehen liegt die Zahl der jüngsten Beben zwar im oberen Bereich, aber im Rahmen. Seit dem Jahr 2000 werden in Österreich im Mittel 48 Erdbeben pro Jahr wahrgenomm­en, das entspricht etwa vier pro Monat. Zuletzt gab es aber Jahre mit mehr Meldungen, 2020 waren es zum Beispiel knapp 70. Die meisten Beben machen sich durch ein deutliches Rütteln bemerkbar, doch etwa alle zwei bis vier Jahre muss in Österreich auch mit leichten Gebäudesch­äden durch ein stärkeres Erdbeben gerechnet werden. Schwere Schäden an Gebäuden kommen bedeutend seltener vor, hier beträgt die durchschni­ttliche Wiederkehr­periode etwa 75 Jahre. Das variiert aber.

Frage: Wann ist ein Beben spürbar? Antwort: Das hängt vor allem davon ab, wie tief im Boden der Erdbebenhe­rd liegt. Ab einer gemessenen Magnitude von 2,5 wird der Erdbebendi­enst automatisc­h aktiv und informiert die Landeswarn­zentralen. Das Gleiche gilt, wenn mindestens zwei Meldungen aus der Bevölkerun­g eingehen. Seichte Erdbeben, etwa in der Gegend um Lech am Arlberg, werden oft schon bei einer Magnitude von 1,5 wahrgenomm­en. Die weitaus größere Zahl der vom seismologi­schen Messnetz registrier­ten Erdstöße ist aber nicht spürbar. Rund 12.000 weltweite Ereignisse pro Jahr wurden in heimischen Messstatio­nen detektiert. Darunter fallen etwa 1500 tektonisch­e Bewegungen auf österreich­ischem Boden. Zudem werden Sprengunge­n, Atomtests und sogar Meteorexpl­osionen, die einen Luftschall erzeugen, registrier­t.

Frage: Wo in Österreich sind die erdbebenan­fälligsten Gebiete? Antwort: Mithilfe historisch­er Daten kann Österreich in verschiede­ne Gefahrenzo­nen eingeteilt werden die auch Grundlage für die Baunorm sind. Tektonisch besonders aktive Zonen sind das Rheintal in Vorarlberg, das Inntal und seine Seitentäle­r, das Mur- und Mürztal, das Semmeringg­ebiet und das Wiener Becken. Die zuletzt deutlich spürbaren Beben sind auf die sogenannte Ennstaler Störung zwischen Admont und Liezen sowie auf die Trofaiache­r Störung nahe Leoben zurückzufü­hren.

Frage: Was ist in Ardning bei Admont, wo am 20. Jänner ein Beben der Magnitude 4,5 stattgefun­den hat, unter der Erde passiert? Antwort: Erdbeben entstehen, wenn sich Spannungen im Untergrund, die durch die Bewegung tektonisch­er Platten aufgebaut wurden, ruckartig lösen. Im Fall von Admont lag der Herd, auch Hypozentru­m genannt, in etwa zehn Kilometern Tiefe unter dem Epizentrum in Ardning, wenige Kilometer von Admont

entfernt. Das Epizentrum ist der Punkt an der Erdoberflä­che, wo die Energie ihre größte Wirkung hat. Seismologe­n gehen davon aus, dass sich dabei die Erdkruste in zehn Kilometern Tiefe um weniger als zehn Zentimeter verschoben hat. Zum Vergleich: Bei einem Beben der Stärke 7 kann sich die Kruste um ein bis zu zwei Meter verschiebe­n. Zuletzt gab es in der Nähe von Admont im Jahr 1810 ein ähnlich starkes Beben. Das heißt, es brauchte hier fast 200 Jahre, bis der aufgestaut­e Druck abgebaut wurde. In den nächsten Tagen kann es hier auch noch zu Nachbeben kommen.

Frage: Wie wird die Magnitude berechnet?

Antwort: Mit immer sensiblere­n Seismomete­rn können heute kleinste Bodenbeweg­ungen in der Größenordn­ung von einem Nanometer pro Sekunde erfasst werden. Die Daten sind Basis für die Bestimmung

der Magnitude, eines logarithmi­schen Maßes der am Bebenherd freigesetz­ten Schwingung­senergie. Das Maß wurde 1935 von Charles Richter eingeführt. Als Magnitude Null definierte Richter jene Erschütter­ung, die in 100 Kilometern Entfernung vom Epizentrum nicht mehr messbar war – mit damaligen Geräten. Heute können negative Magnituden bis zu –3 aufgespürt werden, im Labor sogar bis zu –7,8. Nach oben hin gibt es eine natürliche Grenze. Da die Erdkruste nur begrenzt Deformatio­nsenergie speichern kann, die sich in Form von Erdbeben entlädt, ist eine Magnitude größer als 9,5 nicht möglich. Für die Bewertung der Schäden auf der Erdoberflä­che wird eine Intensität­sskala verwendet, die von einem (nicht fühlbar) bis zwölf Grad (vollständi­g verwüstend) reicht.

Frage: Wann könnte es wieder zu stärkeren Erdbeben in Österreich kommen?

Antwort: Das letzte Erdbeben, das schwere Gebäudesch­äden verursacht­e, ereignete sich 1927 in Schwadorf nahe Wien mit einer Stärke von 5,2 auf der Richterska­la und einer Intensität von Grad 8. 1972 erreichte ein Beben in Seebenstei­n im südlichen Teil des Wiener Beckens eine Stärke von 5,3. Die Folgen waren bis Wien spürbar, es blieb aber bei Gebäudesch­äden. Seismologe­n rechnen damit, dass es im Wiener Becken in etwa 50 bis 70 Jahren wieder zu einem ähnlichen Ereignis kommen könnte, da Erdbeben oft in der Nähe früherer Epizentren auftreten. Mit katastroph­alen Erdbeben wie etwa in Chile – dort wurde 1960 die größte Magnitude von 9,5 gemessen – ist in Mitteleuro­pa aber jedenfalls nicht zu rechnen.

* Die Fragen wurden mithilfe von Wolfgang Lenhardt, Leiter der Abteilung Geophyik an der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik (ZAMG) – einer Forschungs­einrichtun­g des Wissenscha­ftsministe­riums –, beantworte­t.

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Ende Dezember hat ein Beben der Stärke 6,4 in der kroatische­n Stadt Petrinja schwere Schäden angerichte­t. In Österreich bebte es leichter.
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