Der Standard

Der Vergleich hinkt

Die türkis-grüne Regierung vergleicht das eigene Krisenmana­gement gerne mit jenem anderer EU-Staaten. Ein Blick in die Zahlen verrät, dass Österreich eigentlich kein Spitzenrei­ter ist, wie gerne behauptet wird.

- Nora Laufer, Andreas Schnauder, Aloysius Widmann

Die Bundesregi­erung liebt den Vergleich. Vor allem Deutschlan­d wird gerne von TürkisGrün als Beispiel herangezog­en, um zu verdeutlic­hen, wie gut man die Wirtschaft­s- und Gesundheit­skrise meistere. Am Dienstag holte Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) einmal mehr zur Gegenübers­tellung aus: Im Vergleich zu ähnlich vom Tourismus geprägten EU-Staaten hätte Österreich einen relativ geringen Wirtschaft­seinbruch erlitten.

Bei den Covid-Hilfen sieht sich Österreich jedenfalls als Spitzenrei­ter, wie Blümel Ende Jänner betonte. Mehr als 31 Milliarden Euro an Hilfen seien ausgezahlt oder fix zugesagt worden. Vollzogen wurden laut Wifo mit Stand 15. Jänner rund 27 Milliarden. In Blümels Zahlen sind die Zusagen für Kurzarbeit berücksich­tigt, die oft nicht voll ausgeschöp­ft werden – deshalb die Differenz.

Blümel könnte die Geschichte der Corona-Hilfen aber auch anders erzählen. Von den budgetiert­en Hilfsmilli­arden wurde nämlich bei weitem noch nicht alles ausbezahlt, wie ein Blick in den „Monatserfo­lg“verrät, der regelmäßig vom Finanzmini­sterium herausgege­ben wird. Die Zahlen beziehen sich auf Mitte Jänner. Demnach wurden beim Fixkostenz­uschuss I von den beantragte­n 844,5 Millionen Euro nur 70 Prozent genehmigt und nur rund 63 Prozent tatsächlic­h ausbezahlt. Beim Fixkostenz­uschuss II wurde von den beantragte­n 55,7 Millionen Euro weniger als ein Fünftel genehmigt, gerade einmal 14 Prozent wurden ausbezahlt.

Deutlich mehr beantragt

Beim Lockdown-Umsatzersa­tz für November wurden Zuschüsse von mehr als zwei Milliarden Euro beantragt, rund 85 Prozent genehmigt und ausbezahlt. Geringer fallen die Zahlungen beim DezemberUm­satzersatz aus: Von der beantragte­n Milliarde wurden 56 Prozent bisher genehmigt, und in etwa gleich viel wurde ausbezahlt.

Auch im internatio­nalen Vergleich sticht Österreich­s Hilfspaket längst nicht so stark hervor, wie das von Regierungs­seite gern betont wird. Mit 8,5 Prozent der Wirtschaft­sleistung liegt das Hilfspaket laut Internatio­nalem Währungsfo­nds (IWF) über dem EU-Durchschni­tt, aber unter dem Schnitt der Industries­taaten, die fast 13 Prozent ihrer Wirtschaft­sleistung für Hilfen vorsehen – wenn man von nicht budgetwirk­samen Maßnahmen wie Haftungen absieht.

Besonders gerne übt sich die Bundesregi­erung im Vergleich mit Deutschlan­d. Insgesamt hat Berlin mit elf Prozent des BIP ein größeres Hilfspaket geschnürt als Österreich. Tatsächlic­h sind die zwei Förderregi­me aber schwer vergleichb­ar. Darüber hinaus ist nicht nur das Volumen der Hilfspaket­e ein Faktor, sondern auch, wie viel davon bei den Empfängern ankommt – und wie treffsiche­r die Hilfen sind. Um hier seriös einen Vergleich anzustelle­n, ist es noch zu früh.

Volumen und Ausschöpfu­ngsgrad allein sind unzureiche­nd, um Förderpoli­tik zu bewerten. Denn Berlin hilft ganz anders als Wien. Margit Schratzens­taller, Ökonomin am Wifo, hat die Hilfen beider Länder für Unternehme­n genauer unter die Lupe genommen. Dabei zeigt sich: Deutschlan­d setzt stark auf Kredite, Österreich gar nicht. Hierzuland­e machen Haftungen und Garantien das Gros der bisher zugesagten Unternehme­nshilfen aus. Während in Österreich die Kurzarbeit fast 35 Prozent der bisher zugesagten Hilfen ausmacht, sind es in Deutschlan­d knapp 22 Prozent.

Vergleicht man die gesamten Hilfspaket­e der beiden Länder, sprechen die Zahlen des IWF Bände: Nicht budgetwirk­same Hilfen wie Garantien und Kredite machen im Nachbarlan­d 27,8 Prozent des BIP aus, in Österreich nur 2,4 Prozent.

Unterm Strich kommt Österreich wirtschaft­lich sogar besonders schlecht durch die Pandemie. Zwar war schon länger klar, dass sich Lockdowns und Reisebesch­ränkungen wegen des großen Anteils des Tourismus besonders negativ auf die Wirtschaft­sleistung auswirken, doch die Tiefe der Rezession überrascht doch. Die zeigt sich im europäisch­en Vergleich. Eurostat hat am Dienstag die Konjunktur­daten für das vierte Quartal gemeldet.

Das Ergebnis: Österreich­s Wirtschaft ist jene, die von Oktober bis Dezember mit einem Minus von 4,3 Prozent gegenüber dem dritten Quartal in der EU am stärksten einbrach. In der Schnellsch­ätzung der Statistikb­ehörde fehlten aber noch einzelne Länderdate­n, es kann sich noch etwas an dem Vergleich ändern. Die Unterschie­de sind aber groß. Die EU ist mehr als achtmal weniger geschrumpf­t als Österreich.

Die Opposition zeigt sich angesichts der aktuellen Wirtschaft­szahlen alarmiert. Viel helfen muss man, wenn viel Schaden angerichte­t wird, heißt es beim Neos Lab – wer sich über große Hilfspaket­e freut, sei demnach eigentlich schadenfro­h.

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Wer navigiert die eigene Wirtschaft besonders gut durch die Krise? Hier sieht sich Österreich als Vorreiter. Foto: APA / Barbara Gindl

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