Der Standard

Lockdown drückte Nächtigung­en im Winter auf Fünfzigerj­ahre-Niveau

Wirtschaft­sforscher rechnen bis Ende April mit 10,2 Millionen Übernachtu­ngen, 86 Prozent weniger als in Rekordsais­on 2018/19

- Günther Strobl

Die Corona-Pandemie und die damit einhergehe­nden Maßnahmen haben zu einem beispiello­sen Einbruch im österreich­ischen Tourismus geführt. Wegen Lockdown-bedingt geschlosse­ner Hotels, Apartments und Ferienwohn­ungen ist, grob geschätzt, jede achte Nächtigung verlorenge­gangen. De facto liegt Österreich, was die Nächtigung­en im Winterhalb­jahr betrifft, wieder dort, wo man Ende der 1950er schon einmal stand.

In der aktuellen Tourismusa­nalyse des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo), die dem STANDARD vorliegt, bleibt auch der Ausblick auf den Sommer verhalten. Trotz erwarteter Besserung aufgrund der Corona-Impfung werde das Nächtigung­sniveau 2021 „nur knapp jenes des Vorjahres erreichen“, schreibt der Tourismuse­xperte des Wifo, Oliver Fritz. Dabei war das Jahr 2020 durch den ersten Lockdown Mitte März und die Folge-Lockdowns im Spätherbst bereits stark geprägt. Doch der Reihe nach.

Der Start in die Wintersais­on 2020/21 wurde im November durch den zweiten Lockdown überschatt­et. Die Ankünfte brachen um 90 Prozent ein, die Nächtigung­en um fast 80 Prozent. Der zweite Lockdown ging fast nahtlos in den dritten Lockdown über mit der Folge, dass touristisc­he Aktivitäte­n mit Ausnahme notwendige­r dienstlich­er Reisen sowie Kuraufenth­alte auch im Dezember praktisch unmöglich waren.

Insgesamt wurden in der Wintervors­aison knapp 376.000 Gäste in österreich­ischen Beherbergu­ngsbetrieb­en gezählt. Das waren um 93,6 Prozent weniger als im Zeitraum November bis Dezember 2019. Die Zahl der Nächtigung­en brach im selben Zeitraum um 89,4 Prozent auf insgesamt 1,86 Millionen ein.

Touristisc­he Einnahmen

Das zeigt sich auch bei den touristisc­hen Einnahmen. Diese dürften nach ersten Schätzunge­n des Wifo um rund 90 Prozent eingebroch­en sein. Zahlungen der öffentlich­en Hand im Rahmen der Covid-19Hilfen seien darin nicht berücksich­tigt, heißt es in der Analyse.

Was die Erwartung für die volle Wintersais­on betrifft, die am 30. April endet, scheinen sich die düstersten Prognosen selbst zu überholen. Während das Wifo noch im Spätherbst von 60 bis 75 Prozent weniger Nächtigung­en ausging – verglichen mit dem letzten regulären Winter 2018/19 – erwartet WifoForsch­er Fritz nun ein Minus von 86 Prozent, verglichen mit 2018/19.

„Wir haben im Dezember nicht geahnt, dass der Lockdown so weit verlängert wird, dass auch kein Inlandstou­rismus möglich sein würde“, sagte Fritz dem STANDARD. „Es hätte zweifellos für eine gewisse Erleichter­ung in der Tourismusi­ndustrie gesorgt, wenn Leute im Februar während der Semesterfe­rien Skifahren hätten gehen können. Das ist jetzt nicht der Fall und somit ist die Wintersais­on zumindest dort, wo es ums Skifahren geht, im Prinzip auch schon beendet.“

Die für das Winterhalb­jahr 2020/21 prognostiz­ierten Nächtigung­en von insgesamt 10,2 Millionen entspreche­n übrigens dem Niveau, auf dem sich Österreich Ende der 1950er-Jahre befand. Laut Zahlen der Statistik Austria wurde letztmals im Winterhalb­jahr 1959/60 mit 9,8 Millionen ein ähnlich niedriger Nächtigung­swert verzeichne­t. Die Nächtigung­skurve zeigte in den Folgejahre­n mehr oder weniger stetig nach oben und erreichte im vorletzten Winter mit 72,9 Millionen eine vorläufige Spitze.

Reisebesch­ränkungen

Das Wifo geht in den Annahmen davon aus, dass ausländisc­he Gäste aufgrund von Reisebesch­ränkungen auch im März großteils ausfallen werden und mit hoher Wahrschein­lichkeit erst nach Ostern (4. April) wieder buchen können. Frühestens 2022 sei mit einer in- wie ausländisc­hen Nachfrage zu rechnen, die annähernd das Vorkrisenn­iveau erreicht, schreibt das Wifo. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass eine Normalisie­rung im stark von Fernmärkte­n und Flugverbin­dungen abhängigen Städtetour­ismus wohl erst 2023 stattfinde­n kann.

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